Wurzelwerk, Wurzelwerk 21
Mai
1983

1. Frischmilch„marktordnung“ Österreichs

Seit einigen Wochen gibt es die erste eigenständige, alternative Frischmilch-„Marktordnung“ in Österreich. Eine Erzeuger-Verbraucher Genossenschaft hat sie für alle ihre „Genossen“ „geschaffen“. Warum und Wozu?

  • Zur Befreiung der Bauern von der Knechtschaft der Milchindustrie:
    Keine hundert Jahre nach der Bauernbefreiung (1848) brach für die Bauern eine neue Zeit der Leibeigenschaft an. Mit Beginn der österreichischen Milchmarktordnung in den frühen Dreißigern d.Jh. wurde jeder Bauer einer bestimmten Molkerei zugeordnet und per Gesetz gezwungen, seine Milch nur mehr an diese abzuliefern. Die Bersta setzt diesen feudalistischen Strukturelementen eine neue Genossenschaft auf der Basis der Solidarität zwischen Städtern und Bauern entgegen.
  • Zur Existenzsicherung kleiner und mittlerer Bergbauern:
    Seit der Verschärfung der Krise um die Arbeitsplätze kann es auch dem Proletariat nicht mehr egal sein, wieviele Bauern ihren Hof verlassen müssen und in der Stadt auf ihr Recht auf Arbeit pochen. Mit der Intensivierung der Landwirtschaft ging ein ständiges Absinken der Agrarpreise einher. Zur Erhaltung eines gleichbleibenden Einkommens blieb den Bauern nur der Weg einer weiterfortschreitenden Mengenausweitung. Die Folge ist ein drohender Zusammenbruch des ökologischen Gleichgewichts.
    Die Genossenschaft bemüht sich um gerechte, kostendeckende Produktionspreise und ermöglicht so die Umstellung auf biologische Landwirtschaft, jetzt auch für Milch!
  • Für kuhfrische Rohmilch in der Stadt:
    Viele Konsumenten wollen keine pasteurisierte, homogenisierte, standardisierte oder sonstwie -isierte Milch mehr. Der enorme Wunsch der städtischen Bevölkerung nach frischer, unbehandelter Rohmilch wird von den Molkereien weder ernstgenommen noch in irgendeiner Weise sonstwie befriedigt.
    Die Bersta stellt für alle Genossenschafter /innen zweimal wöchtentlich frische Rohmilch und Rohmilchprodukte (Butter, Topfen ...) zur Verfügung.
  • Weil den Bersta-Bauern im Waldviertel der Ab-Hof-Verkauf verboten wurde:
    Die einzig legale Abgabe von Milch vom Bauern direkt an die Verbraucher ist der sogenannte Ab-Hof-Verkauf. Dazu ist allerdings laut Marktordnungsgesetz die Genehmigung der zuständigen Molkerei, des Milchwirtschaftsfonds oder in letzter Instanz des Landwirtschaftsministeriums notwendig. Die Ansuchen einiger Waldviertler Bauern um die Bewilligung des Ab-Hof-Verkaufs nach Wien wurde in allen Instanzen abgelehnt.

Deshalb verkauften diese Bauern ihre Kühe an ihre Genossenschaft und ermöglichen es so jedem Mitglied, Milch und Milchprodukte von den „eigenen“ Kühen zu beziehen.

Die erste zuständige Frischmilch-„Marktordnung“ ist somit aus der Taufe gehoben. Allen „zuständigen Herrschaften“ sei es ins Stammbuch geschrieben: „Wer lange genug Abhängigkeit schafft, legt selbst den Zündfunken für den Brand!“ — die Bauern der BERSTA setzten ein ER(N)STES Zeichen.

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