MOZ, Nummer 58
Dezember
1990

Abschied ohne Tränen

Eine Legislaturperiode hat das MOZ-Projekt also gehalten. So ziemlich genau vor vier Jahren schrieb ich meinen ersten Kommentar. Ein dünnes Sonderheft. das damals noch „Grün“ hieß, war die notwendige erste Reaktion auf das Kappen der rot-lila Fransen im Grünen Parlamentsprojekt. Denn so gut wie alle Medien des Landes, ein paar feministische und alternative Blätter ausgenommen, hatten sich entschieden, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, versprach doch der in der Privatwirtschaft wohl besser aufgehobene Pius Strobl, „auf Teufel komm raus in den nächsten vier Jahren ... die Grüne Basis wieder einzubinden“. Ob das gelungen ist, kann ich aus der Kölner Feme nicht beurteilen. Recht hatte ich gewiß mit meiner rhetorischen Frage in der Zeitschrift AN.SCHLÄGE: „Wer wird sich in ein paar Jahren noch fragen, auf welchen dubiosen Umwegen die ersten Grünen ins Parlament geraten sind?“ In der Tat. Doch der undemokratische Einstieg in die parlamentarische Politik ist dennoch nicht folgenlos geblieben. Wer politisch nichts zu melden hat, braucht ‚Köpfe‘, vor allem das haben die Grünen von der SPÖ gelernt. Die großmäulige Imitation der ‚Altparteien‘ hat wahrlich wenig mit Grüner Politik zu tun, die noch etwas bewegen und verändern will. Aufdecken kann „profil“ allemal besser. Aber Pilz hat Karriere gemacht, und darum ging es ja in erster Linie. Würde es deren politisches Kalkül nicht verbieten, wäre ein Cap-Haider-Pilz-Bündnis ohne weiteres vorstellbar. So weit haben sich rechts und ‚links‘ schon angeglichen.

Auch bei den Frauen ist die Rechnung der Parlamentsgrünen aufgegangen. Durch den Rausschmiß von Feministinnen und Linken haben sie zwar erst einmal eine schlechte Figur gemacht, aber die Betroffenheit über diese Ungeheuerlichkeit hielt sich, wie wir wissen, in Grenzen. Freda Meißner-Blau hat es sogar fertig gebracht, ihren eigenen Abgang als Grüne Frauenpolitik zu verkaufen, als großzügige Geste an die Nachrückerin. Ein zweites Mal konnten sich die Grünen die Peinlichkeit des eklatanten Männerüberhangs zwar nicht mehr leisten, aber die Ansprüche sind minimal geworden. „Abgesehen davon, daß ich natürlich schon die Ungleichheit sehe“, sagte die Grüne Spitzenkandidatin Monika Langthaler der „stimme der frau“, „habe ich bei mir selber gemerkt, daß man als Frau etwas erreichen kann, wenn man sich auf die Füße stellt.“ Die junge Chemikerin fühlt sich nicht als jemand, „der jetzt noch Hilfe braucht von einer Organisation, um die Frauenprobleme zu bewältigen“. Feminismus als Selbsthilfeorganisation für Auf- und Einsteigerinnen! Eine Ökologin, die nicht begreift, daß die Zerstörung der Umwelt etwas mit männlichem Machbarkeitswahn zu tun hat, wird ihren Kollegen im Grünen Klub keine Scherereien machen.

Für mich selbst hat sich in diesen vier Jahren viel verändert. Nicht zuletzt die mangelnde Empörung von Feministinnen und Linken über den Demokratieverzicht der Grünen Mehrheit halfen mir, die Brücken zu meiner Wiener politischen Vergangenheit abzubrechen und Wirtschaftsflüchtling in der BRD zu werden. Die Entscheidung zur Kandidatur bei der Wiener Landesversammlung der Grünen im Oktober ’86 war mir nicht leicht gefallen, bedeutete dieser Schritt für eine freiberufliche Journalistin doch eine massive existentielle Bedrohung. Und in der Tat verlor ich als ‚böse Grüne‘ einige Publikationsmöglichkeiten. MOZ war also für mich auch ein finanzieller Rettungsanker. Ein Organ, mit dem ich mich hätte identifizieren können, ein Kollektiv von Frauen und Männern, die gemeinsam eine Zeitung machen, wie ich es mir gewünscht hätte, ist unsere Arbeitsbeziehung dennoch nicht geworden, zu groß ist die politische und kulturelle Distanz zu denen, die am Drücker saßen. Männer, mit oft wechselnden Redakteurinnen als periphere Erscheinungen, zuständig für Kultur und Frauen, Verwalterinnen von Artikeln, die in letzter Zeit auch bei Reportagen nicht länger als zwei Heftseiten sein durften, während den Haberern der Herren endlose Schreibtischergüsse genehmigt wurden. Ich entschied mich für die Position der unbeteiligten Lohnschreiberin.

Etwas anders kann ich mir gar nicht leisten. Mit Ausnahme von explizit sexistischen Blättern muß ich überall dort veröffentlichen, wo es mir gegen Honorar möglich ist. Meine Artikel sind wie eine Ware im Supermarkt, die aufliegt zur gefälligen Bedienung. Publizieren ist für mich eine Möglichkeit, Beruf und politisches Engagement miteinander zu verbinden, eine praktische Ausflucht in Zeiten politischer Orientierungslosigkeit und Depression. Daß ich bei der Flut des Geschriebenen etwas verändern kann, ist fraglich, doch Information und geistige Auseinandersetzung bleiben allemal Voraussetzungen für jede Form von Bewegung. Aber eben die geistige Auseinandersetzung habe ich in der MOZ nicht gefunden. Monat für Monat habe ich mir den Kopf zermartert, wie ich meine LeserInnen (gab es sie überhaupt?) zu einer Reaktion verführen könnte, egal zu welcher. Vergeblich. Ich erlebe mich als politisch immer marginalisierter, und dennoch sollten die MOZ-LeserInnen mit allem einverstanden sein, was ich schreibe?! Neiderfüllt lese ich die klugen und leidenschaftlichen Debatten auf der „taz“-LeserInnenseite und neige dazu, es der Dumpfheit der ÖsterreicherInnen zuzuschreiben — Produkt eben jener politischen Kultur, die die österreichische Grün-Variante möglich gemacht hat. So gesehen, ist es ein Abschied ohne Tränen.

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