Wurzelwerk, Wurzelwerk 13
August
1982

Braun-Grün

Klosterneuburger Treffen: Alter Wein in neuen Schläuchen (leicht ranzig)

Klosterneuburg, 22. Juni: Bei glühender Hitze haben sich 32 Leute auf Einladung des „grünen“ Gemeinderats Fronz in der Babenbergerhalle eingefunden. Außer uns drei Beobachtern von der AL Wien sind nur weitere drei der Anwesenden der jüngeren Generation zuzurechnen, ganze vier sind weiblichen Geschlechts. In der Mehrzahl eine Runde älterer Herrn im Steireranzug. Thema: „Ist in Österreich eine gemeinsame Umweltschutzpolitik möglich?“ Eingeladen war so ziemlich das ganze „grüne“ Spektrum von der Mitte bis ganz rechts, aber auch Leute wie Kendöl oder Piatty, die mit „grün“ eigentlich gar nichts am Hut haben.

Fronz, im Salonsteirer mit Mascherl ergreift in leicht öligem Schönbrunnerdeutsch das Wort. Er, der „älteste grüne Gemeinderat Österreichs“, hat die „Herrn Vorsitzenden“ der verschiedenen Parteien hierher gebeten, um die Möglichkeiten einer gemeinsamen Kanditatur zu den bevorstehenden Nationalratswahlen zu diskutieren. Fronz verwehrt sich vorsorglich gegen den (nicht ausgesprochenen Vorwurf, ein „Pornofilmer“ zu sein. Er habe seinerzeit einen Film gedreht, da habe man „halt auch die Brust von einem nackerten Madel gesehen“. Als selbsternannter Vorsitzender kommt er zur Sache: Tull und Diemann haben brieflich wegen Bedenken gegen Ökobraune abgesagt, weswegen Fronz „Schritte über seinen Anwalt“ androht. Elisabeth Schmitz hat angerufen, sie hat gerade heute Geburtstag und kann gerade deshalb nicht kommen. Tollmann hat nicht reagiert, Mag. Wallner wird für später erwartet.

Erschienen sind: Die „Grüne Mitte Österreichs“ mit ihren drei Häuptern Fronz, Dr.
Steindl (Graz) und Warton (Volkssozialisten), Dr. Binder von der „Liga für Umweltschutz“ (offenbar die „Hausmacht“ von Fronz), Dr. Bayer (Grüne Front) und Robert Drechsler (Volksunion — Verband der Unabhängigen — Grüne Plattform), bekannter Südtirolaktivist der rechtsextremen Szene, ferner Dr. Weber, Gemeinderat der „Klosterneuburger Wahlgemeinschaft“, (noch) ÖVP-Mitglied, MKVer und Exmitglied der Bundesparteileitung der ÖVP, schließlich noch Dr. Kendöl (ehemals Vorsitzender des Katholischen Familienverbands), der sich in diesem Kreis bald als Außenseiter erweisen wird.

Es folgt die langatmige Selbstdarstellungsrunde der Herrn Vorsitzenden, die fast alle mit ihren Verdiensten und Funktionen (Obmann hier, Präsident da, Vizepräsident dort ...) protzen. Am dynamischsten und deutlichsten wirkt Drechsler, der „nur“ als Journalist spricht, nicht als Vertreter der Volksunion. Drechsler sieht kaum Differenzen zu Bayer und Schmitz, er möchte die „Völkischen, Volkstreuen und Konservativen des bürgerlichen Lagers und Grüne“ ansprechen. „Grün“ allein ist zu wenig, er setzt „Auf eine breite Bewegung der Unzufriedenheit“, die schon eine Million Österreicher umfassen soll. Drechsler wendet sich „an die Kameraden in der FPÖ und anderswo, die einmal die gleiche Uniform getragen haben, nämlich die Uniform der deutschen Wehrmacht“. Denn: „Es soll wieder Deutsch gesprochen werden in diesem Parlament!“ Es folgt eine klare Absage an die „Chaoten und Homos“ schließlich spricht er noch etwas vom „Judenenglander“ und den Freimaurern.

Auf das rhetorische Feuerwerk Drechsler meint Fronz launig, nun, falls man sich einige, habe man bereits einen ausgezeichneten Wahlredner. Sonst fällt ihm und den anderen nichts ein zu diesen „Ausführungen“ Drechslers.

Die einzige ehrenvolle Ausnahme bildet Dr. Kendöl, der sich rasch unbeliebt macht bei der Gesprächsrunde.

Er setzt sich für eine gerechte Umverteilung zugunsten der sozial Schwachen ein, beruft sich auf die christliche Soziallehre und sieht die Internationalität des Elends. Als Einziger distanziert er sich vom Nationalismus und dem Völkischen Lager.

Dies wiederum veranlaßt Dr. Bayer (Grüne Front) zu der Bemerkung, es sei nicht verwunderlich, daß Kendöl keinen Sinn fürs Völkische habe, schließlich heiße er ja Kendöl ...

Unter (fast) allgemeiner Verbrüderung und einig in der Ablehnung der Alternativler, die viel zu radikal sind, geht’s ab in den Klosterneuburger Stiftskeller. „Hier wendet sich der Gast mit Grausen“ (Schiller) und wir ebenfalls, in Richtung Autobus nach Wien.

aus: Alternativen-Rundbrief

Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)