Risse, Risse 3
Dezember
2002

Brauner Kulturaustausch

Hierachisch, kriegerisch und antiindividualistisch — über den Zusammenhang zwischen buddhistischem Mystizismus und Naziideologie.

Laut Mariana und Herbert Röttgen, alias Victoria und Victor Trimondi, ist das kürzlich in Graz vom Dalai Lama geleitete Kalachakra-Ritual dasjenige, das die kriegerisch-militaristische Seite des tibetischen Buddhismus, die auch okkulte Strömungen des Nationalsozialismus beeinflußte, am deutlichsten macht. Während das Kalachakra-Ritual von den AnhängerInnen des Dalai Lama offensichtlich erfolgreich als Weltfriedensfest («Kalachakra for World Peace») vermarktet wird, sieht es bei einer kritischen Aufarbeitung dieses vermutlich aus der Zeit der Auseinandersetzungen mit dem sich ausbreitenden Islam stammenden Initiationsrituals völlig anders aus; denn «neben dem öffentlichen Teil weist das Kalachakra-Tantra auch einen streng geheimen Teil auf. Publik gemacht wurden vom 14. Dalai Lama ausschliesslich die sieben unteren Initiationen, die acht folgenden der insgesamt 15 Einweihungen bleiben weiterhin top secret». (S. 462)

Das Kalachakra baut u.a. auf dem Mythos eines geheimen Reiches mit dem Namen Shambhala auf. In Shambhala soll der große, allmächtige Bodhisattva als König Shambhalas regieren und dort auf die Ankunft eines goldenen Zeitalters, eines buddhokratischen tausendjährigen Reiches, warten, das durch einen finalen Endkampf zwischen den buddhistischen Kriegern, der Armee Shambhalas, und den meist mit Muslimen gleichgesetzten Ungläubigen (Mlecchas) eingeleitet wird. Der Text des Kalachakra betont zwar die Gemeinsamkeiten mit dem Hinduismus, arbeitet mit diesem aber auf eine Allianz gegen die monotheistischen Religionen hin. Als Gegner in dieser Schlacht werden im originalen Kalachakra-Text die wichtigsten religiösen Leitfiguren des Judentums, des Christentums, des Manichäismus und des Islam namentlich genannt: Adam, Henoch, Abraham, Moses, Jesus, der im weißen Gewand (Mani), Muhammad und Mathani (Mahdi). Ein Kalachakra-Kommentar spricht vom König von Shambhala als «Töter der Mlecchas».

Diese im Kalachakra-Ritual enthaltene kriegerische Seite des Buddhismus, der auch das emotionslose Töten als Teil einer spirituellen Weiterentwicklung akzeptiert, wird im neuen Buch von Victor und Victoria Trimondi als einer der wesentlichen Aspekte angegeben, der die Begeisterung diverser völkischer OkkultistInnen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für den Buddhismus, insbesondere in seiner tibetischen Form, erklärt. Heinrich Himmler, der sich für jede noch so abwegige okkulte Spekulation interessierte, war laut den AutorInnen vom Buddhismus begeistert, weil er ihn für den Rest der alten arischen Religion hielt. Die in tantrischen Ritualen praktizierte Abtötung des individuellen Ichs, die Verwendung von menschlichen Knochen, Schädeln und Fleisch und der absolute Gehorsam eines buddhistischen Schülers gegenüber seinem Meister, boten sich zur Schaffung einer neuen NS-Religion an. Neben dem tibetischen Buddhismus spielte dabei der Zen-Buddhismus der japanischen Samurai eine wichtige Rolle als Vorbild für den Kriegerorden der SS.

Das neue Buch «Hitler — Buddha — Krishna» geht bis ins Detail diesem Kulturimport aus dem Hinduismus und Buddhismus in die nationalsozialistische Mythologie nach und beschreibt die Beteiligung von OkkultistInnen und AbenteurerInnen, aber auch von seriösen WissenschafterInnen aus dem Bereich der Indologie, Tibetologie, Sprach- und Religionswissenschaften daran. Ausführlich schildern sie, dass nach 1945 verschiedene Strömungen des von Buddhismus und Hinduismus beeinflussten SS-Mystizismus in der Nazi- und Esoterikszene Furore machten und im «esoterischen Hitlerismus» des chilenischen Diplomaten Miguel Serrano ihren Höhepunkt erreichten. Mit der Person Serranos schliesst sich wieder der Kreis des kulturell-religiösen Austausches zwischen Nazis und tibetischem Buddhismus. Die Freundschaft Serranos zum Dalai Lama stellt keinen Einzelfall dar. Der Dalai Lama war und ist seit den Vierzigerjahren mit dem ehemaligen SS-Mann Heinrich Harrer eng befreundet und hielt den Kontakt zu den Mitgliedern der deutschen SS-Tibetexpedition unter Ernst Schäfer.

Das Buch bleibt aber nicht bei der Suche nach Kontakten zwischen NationalsozialistInnen und BuddhistInnen und HinduistInnen stehen. Es geht auch der Frage nach, ob es sich bei diesem Religionsimport nur um einen reinen Mißbrauch buddhistischer und hinduistischer Lehren handelte oder ob es tatsächlich Überschneidungs- und Anknüpfungs- punkte für den Nationalsozialismus bei diesen asiatischen Religionen gab. In der Bekämpfung von Individualität, der tantrischen Frauenfeindlichkeit, im hinduistischen Kastenwesen und einer Reihe anderer Punkte, sehen die AutorInnen eine durchaus authentische Anleihe der NationalsozialistInnen bei Buddhismus und Hinduismus.

So kommt es auch wiederum zum Import nationalsozialistischen Gedankengutes in den buddhistischen und hinduistischen Raum. Als Beispiel erwähnen die AutorInnen den japanischen Guru Shoko Asahara, der vor seinen Giftgas-Anschlägen auf die Tokioer U-Bahn Beziehungen zum Dalai Lama unterhielt und als leidenschaftlicher Verehrer Hitlers gilt. Von letzterem hat der Guru der buddhistischen AUM-Sekte auch einen militanten Antisemitismus übernommen, der sich u.a. in der Verbreitung der «Protokolle der Weisen von Zion» und der Übernahme von Weltverschwörungstheorien über Juden und Freimaurer äußert. Für Shoko Asahara, der sich immer wieder auf den im Kalachakra-Tantra beschriebenen Shambhala-Mythos beruft, sind Juden sogar an den Massakern in Kambodscha, Bosnien und Ruanda schuld. ««Jude» wurde zu einem Schimpfwort, das man auf alle Gegner von AUM anwandte, auch wenn man damit die eigenen Landsleute ansprach.»(S. 506)

Buch:

Trimondi, Victor / Trimondi, Victoria: Hitler, Buddha, Krishna. Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute. Ueberreuter, Wien 2002, EUR 29,90

Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)