MOZ, Nummer 56
Oktober
1990

Das Bauhaus: Ideenwerkstatt oder Fachhochschule?

Das Bauhaus, jene 1919 in Weimar gegründete weltberühmte Kunstakademie, steht wieder zur Disposition. Ob es jedoch eine neue kreative Blüte erfahren wird, ist fraglich, denn zu groß sind die Vereinnahmungswünsche der (noch) westdeutschen Kulturpolitiker.

Wenn Namen Programm wären, stünde es schlecht um die in der Thälmannallee Nr. 38 in Dessau (DDR) beheimatete Institution. Ernst Thälmann, Namensgeber für diese Allee und letzter KPD-Führer vor der Machtergreifung der Nazis, war der Prototyp des sturen, behäbigen Parteigängers Stalins — also alles andere als ein Ausbund an Ideenreichtum und Esprit. Dessen aber hätte es bedurft, um dem aufkommenden Faschismus eine sozialistische Perspektive entgegenzusetzen. Auch heute wären Konzepte jenseits hausbackener Provinzialismen gefragt, um in der Thälmannallee Nr. 38 einen Schritt voranzukommen. Hier befindet sich das Bauhaus.

Wohlgemerkt nicht eine örtliche Zweigstelle der gleichnamigen Marktkette für Heimwerkerbedarf, sondern das Bauhaus, jene weltberühmte Ideenwerkstatt aus den 20er Jahren, wo seinerzeit in einer fast eruptiv zu nennenden Schaffensperiode Künstler wie Kandinsky, Paul Klee, Feininger, Laszlo Moholy-Nagy und viele andere unter einem Dach zusammenwirkten.

Der gegenwärtige Direktor des Hauses, Rolf Kuhn, hält die aktuelle Lage für „äußerst dramatisch“. Wie für zahlreiche Museen und künstlerisch-akademische Einrichtungen in der DDR deutet sich auch für das Bauhaus unter der Ägide des DM-Imperialismus erst einmal das Aus an, wenn keine schnelle Profitader entdeckt wird oder zügig neue staatliche Geldgeber und private Sponsoren gefunden werden. Der erforderliche Etat für Personalkosten, Forschungsbetrieb und Gebäudeerhaltung sei mit Einsparungen zwar noch notdürftig bis zum Jahresende gesichert, dann aber droht der Kollaps: „Dem Bauhaus kann es ergehen wie jetzt schon dem Zoo im benachbarten Wörlitz — er kann das Futter für die Tiere nicht mehr bezahlen.“

Bislang trug das DDR-Bauministerium den 3 Millionen-Jahresetat des Hauses. Von anderen Ministerien kamen rund drei weitere Millionen zusammen für Sachmittel, die historische Sammlung und Gebäuderestauration. Diese Quellen sind mit Abdankung des alten „realen Sozialismus“ versiegt, und die über 90 Angestellten und wissenschaftlichen Mitarbeiter blicken einer düsteren Zukunft entgegen. Mit dem triumphalen Einzug des Westens hat einstweilen die Kultur von Coca Cola und schneller D-Mark über alles Feingeistige, Museale und kulturpolitisch Experimentelle obsiegt.

Für letzteres aber stand und steht das Bauhaus, seit es 1919 in Weimar gegründet und von dort alsbald wieder vergrault wurde, weil den Weimarer Stadtvätern die kollektivistische Pädagogik einer „Arbeits- und Lebensgemeinschaft von Lehrenden und Studierenden“ (Gropius) zu weit ging. Von Anfang an beschritt die Kunstakademie auch in konzeptioneller Hinsicht völlig neue Wege und war ein politischer Faktor, der aneckte und sich nicht nahtlos einfügen ließ in den staatlich gewünschten Rahmen eines ordentlichen Lehr- und Forschungsbetriebes.

„Keimzelle des Neuen“

Das fing schon mit der Auswahl der Studenten unter Walter Gropius, dem ersten Direktor des Bauhauses, an, der nach einem für die Weimarer Zeit höchst ungewöhnlichen Modus verfuhr: „Aufgenommen wird jede unbescholtene Person ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, deren Vorbildung vom Meisterrat als ausreichend erachtet wird“, hieß es in dem damaligen Studienprogramm. Es enthielt noch eine Reihe weiterer Besonderheiten, die in der von Standesdünkel, schlagenden Verbindungen und reaktionärem Korpsgeist geprägten Zeit für Aufregung sorgten. So wurden die Lehrenden ‚als Meister‘ ans Bauhaus berufen, was einen totalen Bruch mit den herkömmlichen akademischen Ausbildungsmethoden implizierte, da nicht mehr die strenge Wissensvermittlung vom Katheder aus gefragt war, sondern ein praktisch-meisterlicher Arbeitsstil in Verbindung mit nicht-autoritärer, werkkünstlerischer Kreativität.

Diese „Keimzelle des Neuen“, die möglicherweise dem Proletariat mit immer wieder artikulierten Ansprüchen auf eine endgültige Lösung der Wohnungsfrage Flausen in den Kopf gesetzt hätte, war den Konservativen und Deutschnationalen natürlich ein Dorn im Auge. Nach einem Wahlsieg bei den Landtagswahlen 1924 kürzten sie rigoros die Fördermittel, womit dem Bauhaus der Fortbestand in Weimar unmöglich gemacht wurde. Es siedelte 1925 ins progressivere Dessau um.

Hier entstand ein Jahr später das von Gropius und Carl Fieger entworfene Schulgebäude, ein markanter Glasfassadenbau, wie er in seinem „Funktionalismus“ bis heute stilbildend für Industriebauten und Bürohochhäuser ist. Als Ikone der klassischen Moderne ist der weltberühmte Bau außenherum sicherlich ‚hui‘, für denjenigen, der eine mathematische Exaktheit der Gebäudeanordnung und viele große Fensterfronten in schwarzen Profilstahlrahmen mag. Innen ist das Gebäude mehr ‚pfui‘, denn es gelang nicht ganz, die Wärmeisolation tatsächlich ‚funktionalistisch‘ zu bewältigen. Im Winter zieht’s in dem ganzen Bau wie Hechtsuppe, bei sommerlichen Temperaturen heizt er auf wie ein Backofen.

Solche profanen Einwände sollen allerdings die architekturgeschichtliche Bedeutung der gesamten Konstruktion nicht schmälern, ganz wie sich nicht bestreiten läßt, daß die dort tätigen künstlerischen Koryphäen — mal schwitzend, mal verschnupft — ganz Außergewöhnliches zustande brachten.

Das gilt nicht nur für die Bereiche Malerei und Bildhauerei. Bahnbrechend waren auch die Resultate, die in der Fotografie, in der industriellen Formgebung und Gestaltung bis hin zur Verbindung sämtlicher werkkünstlerischen Disziplinen in den Siedlungsexperimenten des Bauhauses in Dessau-Törten und Dessau-Ziebigk erreicht wurden. Die Rauhfasertapete ist ebenso eine jener funktionellen Elementaranfertigungen wie Eisenrohrgestühl, Industrieleuchten und andere praktische Einrichtungsgegenstände, die noch heute wegen ihrer durchdachten Einfachheit und Schnörkellosigkeit geschätzt werden.

Ein „Optimum an Funktion“ wollte auch der neue Bauhausdirektor Hannes Meyer erreichen, der Gropius 1928 ablöste. Damals verstand sich dieses nüchterne Ziel durchaus als kleines ‚ABC des Kommunismus‘, ging es doch darum, für die breite Masse erstmals eine „unter Ausschluß des Persönlichen erfolgende Deckung aller Lebensbedürfnisse“ (Meyer) im Bauplanerischen zu verwirklichen. Was heute sicherlich schnell in den Ruch eines Sparprogramms auf Kosten der Unterprivilegierten käme, nämlich die typisierende Großsiedlungsbauweise, verstand sich in den 20er Jahren im Zeichen der Weltwirtschaftskrise als dynamisches, kollektivistisches Experiment zur Sicherung des elementaren Volksbedarfs — und wurde als solches auch begriffen.

Vor allem von den Gegnern, die ihre Kampfansage gegen den „Kulturbolschewismus des Bauhauses“ mehr und mehr verstärkten. Einstweilen aber konnten sie gegen die Institution nicht viel ausrichten, weil sie einen Großteil ihres Finanzbedarfs durch Warenumsätze mit Leuchten, Stoffen, Tapeten und durch Bauaufträge selbst aufbrachte: 1929 insgesamt 120.000 Reichsmark, wovon ein gutes Drittel an die Studenten in Form von Löhnen ausgezahlt wurde.

Im März 1930 jedoch forderte der Dessauer Bürgermeister Fritz Hesse den Bauhausdirektor Hannes Meyer auf, die Aktivitäten der kommunistischen Studentengruppe zu unterbinden. Als Meyer sich nicht an diese Verfügung hielt, wurde er relegiert und wegen einer Spende für streikende Bergarbeiter schließlich fristlos gefeuert. Alle Studenten mußten sich zum nächsten Semester einem Neuaufnahmeverfahren unterziehen, und der neue Direktor, Mies van der Rohe, führte sich durch ein autoritäres Disziplinarrecht sowie eine kraß leistungsfixierte Hochschulordnung gleich entsprechend willfährig ein.

Ende und Exil im Dritten Reich

So verlor das Bauhaus seine ungezwungene Werkstattatmosphäre und wurde zu einer elitären Architekturschule, die sich nicht mehr lange bei der Problematisierung gesellschaftlicher Mechanismen aufhielt. Das strenge Programm einer „qualitätsbewußten Ausbildungsaufgabe“ wurde von den Lehrenden, je nach politischer Couleur, sehr unterschiedlich aufgenommen. Einige quittierten den Dienst am Bauhaus, andere, wie der konservative Kandinsky, rühmten die Wiedereinkehr einer arbeitsintensiven Atmosphäre nach dem Rausschmiß des zweiten Direktors: „Hannes Meyer wollte aus dem Bauhaus eine marxistische Schule machen, einige Studierende haben so toll Politik getrieben, daß die übrigen nicht mehr zur Arbeit kommen konnten.“

Dem entpolitisierten Bauhaus nutzte jedoch auch seine rigide Disziplin nichts — vor den Augen der Nazis, die im Oktober 1931 stärkste Stadtratsfraktion Dessaus wurden, blieb es „eine kulturbolschewistische Kaderschmiede zur Verbreitung jüdischen Gedankenguts“.

Im Januar 1932 stellte die NSDAP den Antrag auf Abriß des Gebäudes, im März kam die letzte finanzielle Unterstützung durch, doch im August wurde die Schließung abgesegnet. Wie üblich enthielt sich die SPD aus opportunistischen Erwägungen bei der entscheidenden Abstimmung der Stimme, nur die KPD-Fraktion und Bürgermeister Hesse votierten gegen die Nazis. Auch ein kurzes Zwischenspiel als Privatinstitut in Berlin blieb nicht überlebensfähig, und so erfolgte Mitte der 30er Jahre die endgültige Verbannung der Bauhausidee und ihrer künstlerischen Protagonisten ins Exil — zumeist nach Amerika.

Dort erlebten zahlreiche Bauhauserfindungen einen wahren Boom, und kaum eine Universität ließ die Gelegenheit aus, sich mit ehemaligen Bauhäuslern zu schmücken. Gropius, MoholyNagy und Mies van der Rohe erhielten Lehrstühle und Bauaufträge für wichtige Bauwerke wie u.a. das „PANAM building“ in New York und die „Lafayette towers“ in Detroit. Durch den starken Vermarktungsdruck und die Integration in zumeist technische Abteilungen der Hochschulen büßte das Bauhaus in Amerika die Reste seines innovativen Potentials ein. Sowohl das kollektive Arbeiten in Werkstätten als auch die experimentelle Frische gingen verloren.

Auch im Nachkriegsdeutschland scheiterten sämtliche Wiederbelebungsversuche. 1953 trat in Ulm die Hochschule für Gestaltung an, um die Grundideen des Bauhauses fortzuführen. Fast eine Ironie des Schicksals: Der zuständige CDU-Ministerpräsident Filbinger schloß die Schule, nachdem sich 1968 die Professorenschaft mit streikenden Studenten solidarisiert hatte. Kurze Zeit später stolperte Filbinger über seine Nazi-Vergangenheit; er hatte noch in den letzten Kriegstagen als Richter besonders eifrig die Erschießungskommandos gegen Deserteure bemüht.

Direktor Rolf Kuhn: „Lage äußerst dramatisch“

Zurück nach Dessau

Es blieb nur das Bauhaus-Archiv in Berlin, welches zur wichtigsten Ausstellungs- und Sammlungsstätte ehemaliger Bauhausartikel wurde, aber über den musealen Betrieb hinaus keine Lehrtätigkeit einrichtete. Das Bauhausgebäude in Dessau war durch eine Fliegerbombe schwer beschädigt worden, nachdem es im Dritten Reich knapp dem Abriß entgangen war. Den Nazis hatte es — nach Umwandlung mit ‚deutschem Farbanstrich‘ in grün-braun — als Gauleiterschule gedient.

Obwohl die ostzonale Stadtverwaltung eine Wiedereröffnung schon 1946 befürwortete, zerschlugen sich solche Hoffnungen im Laufe der Zeit. Der stalinistisch gefärbten SED paßten der „kosmopolitische Charakter“ und die weitgefächerten internationalen Verbindungen nicht ins Konzept. Nach einer kurzen Denunziationskampagne im „Neuen Deutschland“ (dem SED-Zentralorgan) wurde die Sache auf Eis gelegt und kam erst wieder in der beginnenden Tauwetterperiode der 70er Jahre zur Sprache.

Wohl auch auf westliche Devisen spekulierend, ‚entdeckte‘ die Stadt, daß das Bauhaus für Dessau eine ebensolche Attraktion sei wie der Eiffelturm für Paris.
So wurde 1976 das Gebäude originalgetreu rekonstruiert und einem kommunalen „Wissenschaftlich-Kulturellen Zentrum“ überantwortet. Zehn Jahre später avancierte es zum staatlichen „Zentrum für Gestaltung der DDR“ und nahm wieder den akademischen Lehrbetrieb auf.

Jeweils um die zwanzig Studenten aus verschiedenen Hochschulen der DDR erhielten die Gelegenheit, dort ihre Praktika zu absolvieren bis hin zu Diplomarbeiten und Dissertationen. Sie wurden in die laufenden interdisziplinären Projekte des Bauhauses integriert, die von den Fakultäten Urbanistik, Architektur, Medien und Design ausgehen.

Dessau 1990: vor Kahlschlag sozialistischer Großstadträume?

Das jüngste Ideenprodukt des Hauses nennt sich „Projekt industrielles Gartenreich“ und ist eine an die „Emscherpark-Konzeption“ für das nördliche Ruhrgebiet angelehnte Raumplanung und Umbauprogrammatik für das Gebiet Bitterfeld-Wittenberg-Dessau. Um zu verstehen, welchen Stellenwert dieses Projekt auch für die Zukunft des Bauhauses hat, muß die konfliktträchtige aktuelle Situation als Institution, aber auch als Teil einer Problemregion begriffen werden.

Das Bauhaus liegt im Zentrum besagter Region, die eine Art „magisches Dreieck“ bildet. Bitterfeld ist als die ökologische Katastrophenregion der DDR zu trauriger Berühmtheit gelangt. Hier produzier(t)en die VEB ChemieKombinate und ORWO-Filme DDR/Wolfen und ‚entsorgten‘ ihre Rückstände völlig ungeklärt über den Silbersee in den Fluß Mulde. Ein Gewässer, welches so stark mit Chemikalien angereichert ist, daß selbst eine harmlose Bootspartie die Gesundheit gefährdet. Bereits geringfügige Wasserspritzer führen zu bösartigen Hautverätzungen. Die Luft über Wolfen-Bitterfeld befindet sich — nüchtern ausgedrückt — in einem der Atmung nicht mehr zuträglichen Zustand, sprich: der nicht eingewöhnte Durchreisende hat ständig gegen einen würgenden Brechreiz zu kämpfen. Und zum Kotzen ist auch die trübe Brühe der Mulde mit ihren gelblichen Schaumflocken, die laut sachverständiger Auskunft von Anliegern als Fixierband für’s Fotolabor dienen könnte.

Aus der industriellen Wüstenei fließt der tote Fluß in einer der paradiesischsten Auenlandschaften Europas, das Wörlitzer Gartenreich. Es ist eines der letzten großflächigen Biosphärenreservate und ein ökologisches Refugium, welches seinesgleichen sucht. Integriert in die Auen und Wälder sind klassizistische Parkanlagen und Baudenkmäler, die weiland der der Aufklärung nahestehende Fürst Franz von Anhalt anlegen ließ.

Hier lustwandelte schon Goethe und schrieb begeistert: „Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen / Und haben sich, eh man es denkt, gefunden.“

Die geographische Nachbarschaft des Biosphärenreservats mit der trostlosen Katastrophenregion drängt förmlich zu raumplanerischen Sanierungsalternativen, als deren geistige Heimstätte sich das Bauhaus gern sehen würde. Aber die Zeiten sind wohl in der DDR nicht danach, behutsame ökologische Umbaumaßnahmen und Konzepte eines „sanften Tourismus“ zu erdenken und umzusetzen.

Die schnelle D-Mark diktiert das Tempo, und allerlei Goldgräber aus der BRD hocken in den Startlöchern, um bei dem ‚run‘ auf Prestige und Märker, die sich mit dem Markenzeichen Bauhaus verdienen lassen, die Nase vorn zu haben.

Wichtige Posten in der Dessauer Stadtverwaltung, wie das Baudezernat und das Bürgermeisteramt, sind mir nichts, dir nichts in den letzten Wochen direkt an westdeutsche Kommunalpolitiker abgetreten worden.

Ehrgeizige Professoren aus der Technischen Hochschule Aachen schicken sich an, dem Bauhaus eine Zukunft als Unterabteilung im Rahmen einer Fachhochschule für Betriebswirtschaft, Bauingenieurswesen und Architektur zu verordnen. In ihrem Rücken — dies ist wohl gegenwärtig das stärkste Argument in der DDR — sollen sich großzügige private Sponsoren befinden. Und da wurde die Dessauer Stadtverordnetenversammlung (Beschlußsache 189/90) erstmal schwach.

Nun ist grünes Licht gegeben für die altbackene Hochschulgründung, die so zukunftsweisend sein dürfte wie die Neugründung einer Zweigstelle der Allgemeinen Ortskrankenkasse. Nichts gegen Krankenkassen, aber es darf bezweifelt werden, daß sie die richtige Methode wären, um richtungsweisende Impulse für die Region auszusenden. Dem Bauhaus könnte tatsächlich eine bahnbrechende, regionalgestalterische Aufgabe zuwachsen bei der Verknüpfung von Industrie- und Stadtsanierung mit den Ressourcen des Gartenreiches. Aber das setzte voraus, daß andere als ergraute Politikerimporte und Exzellenzen „Marke D-Mark“ das alleinige Sagen hätten.

Dies zu verhindern ist schwer, wenn es an allen Enden und Ecken am nötigen Kleingeld fehlt und der Ausverkauf an BRD-Kapitalinteressen ein kleines Stück vom Kuchen abzuwerfen verspricht. Einige wenige sehen die Gefahr, die mit einer blinden Unterwerfung unter westdeutsche Heilsmaßstäbe einhergeht. In einem Offenen Brief kritisieren Mitarbeiter des Bauhauses, daß mit der Zielsetzung einer traditionellen Fachhochschule die Bauhausinstitution diskreditiert werden würde, ganz wie es seinerzeit unter der Bevormundung durch das DDR-Bauministerium geschah. Sie wissen, wovon sie sprechen, denn aus ihrer Feder stammt das „Projekt industrielles Gartenreich“, welches sich seinerseits auch als Sanierungskonzept gegen die betonwütigen Kahlschläge „sozialistischer Großstadtträume“ und deren Hinterlassenschaften richtet.

Architekturpolitisch zeugt die letzte Phase ‚realsozialistischer‘ Stadtplanung eher von krimineller Energie als von Geist und Charme. Entsprechend sieht es in Dessau aus, vor allem in der Nordstadt, die dem Verfall anheimgegeben ist. Überläßt man nun einfach das weitere den Hyänen der westdeutschen Spekulantenbranche — deren schwärzestes Schaf, Baulöwe Bert Bertram, hat sich in Dessau schon umgetan —, wird eine Chance vertan, in der Region wirklich eine Erneuerung zu bewirken.

Das Bauhaus wäre hier der Dreh- und Angelpunkt, es müßte allerdings aus der lähmenden Lethargie leerer Kassen und Zukunftsängste herauskommen und wieder eine ‚eigene Seele‘ erlangen, wie es sein Direktor ausdrückt. Dabei schwebt ihm als Mittel die „Vereinigung aller Gestaltung in der Stadt am Bauhaus“ vor, aber es steht noch völlig in den Sternen, ob sich der neue Trägerverein Bauhaus e.V., dem die historischen Gebäude übereignet wurden, dieser regionalplanerischen Option anschließen wird. Viele würden dem Bauhaus lieber einen soliden Maulkorb verpassen — wie früher auch schon.

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