Heft 8/2004
Dezember
2004

Das Elend der Haus-Partei

Der Verkauf des EKH hat die linke Debatte wieder einmal auf die KPÖ fokussiert. Es lohnt sich die Partei, die als Zwitterwesen zwischen Staatsbegründerin und Systemoppositionelle existiert, genauer an­zusehen. Kann sie oder Teile von ihr Teil einer sich stärker assoziie­renden Linken sein, oder steht sie dem entgegen?

Intellektuell hat die KPÖ kaum was zu bie­ten und auch ihre Beteiligung an aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen ist eher vernachlässigbar. (Ich will dabei kei­nesfalls die Leistungen des GLB im Bereich Post oder die Initiative der Grazer KPÖ ge­gen den Verkauf der Gemeindewohnungen schmälern). Warum also noch über die KPÖ nachdenken und reden? Weil sie mit ihren 3000 Mitgliedern und ihren 200.000 Euro subventionsunabhängigen Jahresbudgets ei­ne Potenz darstellt, auf die es sich lohnt, Einfluss zu nehmen und weil sie im Gegen­satz zu vielen anderen politischen Formie­rungen ein Erinnerungsort ist, an dem sich österreichische Geschichte widerspiegelt.

„Auf zum letzten Gefecht?“ titulieren die bürgerlichen Medien hämisch die Situation der KPÖ, welche wieder einmal vor einer Zerreißprobe steht und die sich durch den Verkauf des EKH zusätzlich dramatisch zu­gespitzt hat. Spätestens seit 2000 sind in der Widerstands- und Staatsvertragspartei drei kaum miteinander kommunizierende Iden­titäten erkennbar: Ein bewegungsorientier­ter Flügel, der sich zuerst in die Dienste ge­gen Schwarzblau und dann für die Sozial­foren gestellt hat, eine dazu konterkarieren­de stalinistische Gegenbewegung, die einem verbalen ArbeiterInnenklassekult huldigt, und eine autarke steirische Variante, die ge­schickt die Lücke der Sozialdemokratie und die Selbstzerfleischung der FPÖ in Wahler­folge münzen konnte. Die Parteiführung reklamiert für sich die Position in den Bewegungen, unterscheidet sich in vielen po­litischen Forderungen nicht von der Grazer KPÖ (So etwa war eine Forderung auf Null­tarif für alle in den Wiener Öffis aus Rück­sicht auf GLB-GewerkschafterInnen bei den Wiener Linien nicht möglich!! und wurde zur Beendigung einer situationistischen Pro­testperformance gegen den EKH-Verkauf im 7Stern sofort die Polizei gerufen) und handelt, wie der Verkauf des EKH zeigte, strukturell in klassisch-stalinistischer Tradi­tion.

Die Spaltung der Partei ist de facto voll­zogen, allein die Beharrlichkeit der Führung, ihre Positionen nicht aufgeben zu wollen, das Vorhandensein bescheidener Kapitali­en und wahrscheinlich die Illusion den Pro­zess gegen die deutsche Treuhand, der in Deutschland verloren ging, in der Schweiz (dort liegt ein Großteil des Vermögens der Novum) doch noch gewinnen zu können, lässt die Trennung zu einem nicht enden wollenden Selbstzerfleischungsprozess wer­den.

Der stalinistische, rechte Flügel bombar­diert die Parteiführung mit Anzeigen, Klagen und öffentlichen Diffamierungen und schreckt dabei auch nicht vor antisemiti­schen und sexistischen Formeln zurück („Das unterschlagene Geld ist längst in Tel Aviv“, als Anspielung auf einen Wohnort der ehemaligen Novum-Treuhänderin Steindling, „Ihr Mann würde sich im Grab umdrehen“, als Beschreibung des Verhal­tens des Bundesvorstandsmitglieds Margit Kain oder einfach „ihr streitet euch ja nur mehr um den Strick, an dem wir euch auf­knüpfen“ als Drohmail an den Pressespre­cher Zach). Im weiteren möchte ich auf die­sen Flügel nicht weiter eingehen, da dieser kaum mehr als links zu bezeichnen ist. Be­zeichnend vielleicht noch, dass der Sprecher dieser Plattform, der Unternehmer Otto Bruckner am Jahrestag der Intifada eine Rede hielt, die die ungeteilte Unterstützung und Wiedergabe auf der Homepage der deutschen NDP findet.

In einem großen Dilemma befindet sich die steirische KPÖ. Sie hat es geschafft, zu widerlegen dass das „K“ jegliche Wahler­folge verunmöglichen würde, sie haben sich durch beharrliche Interessenspolitik in so­zialen Fragen in Graz auf über 20% hochgearbeitet und stehen auf dem Sprung in den steirischen Landtag. In der Krise der KPÖ würden sie sich am liebsten totstellen und gleichzeitig die Parteispitze, die Ihnen zu bewegungsorientiert ist, loswerden. In unpopulären Politikbereichen, wie dem An­tirassismus, halten sie sich raus, unterstützen ohne viel Aufsehen MigrantInnenorganisa­tionen, setzen sich aber nicht für die Öff­nung der Gemeindebauten für deren Kli­entel ein. Längst haben sie sich von bun­desweiten Debatten zurückgezogen, sie wol­len aufgrund ihrer regionalen Popularität KPÖ sein, wünschen sich aber die anderen, ohne sich damit konfrontieren zu müssen, einfach weg.

Der bewegungsorientierte Teil der KPÖ, der vor allem in Wien, Linz, Salzburg und Kärnten verortet ist, hat sich innerhalb der Linken in den letzten Jahren eine ernstgenommene Position aufgebaut, was sich kaum in Wahlergebnissen niederschlug; ein ständiger Grund zu Häme für die erfolg­reichen GrazerInnen. Die Parteispitze unterstützte diese Position und forcierte vor allem die internationale Zusammenarbeit, die z.B. zur Mitbegründung der Europäi­schen Linkspartei durch die KPÖ führte. Mit dem klammheimlichen Verkauf des EKH durch die Parteiführung (involviert waren gerade mal 3 bis 5 Personen!!!) hat dieser Flügel der Partei sämtliche öffentliche Reputation verloren. Der autistische, sowohl politisch als auch ökonomisch stümperhaf­t durchgeführte Verkauf stellt eine politi­sche Weichenstellung dar, nämlich die Abgrenzung von der radikalen Linken, auch wenn Baier, Graber und Stiefsohn dies nicht planten und wahrhaben wollen; offensicht­lich getrieben von einem beinahe religiös anmutenden Sendungsbewusstsein.

Mehr als 1000 DemonstrantInnen gingen für das EKH auf die Straße, wovon nach Be­fragungen 20 bis 30% KPÖ wählten. Die KPÖ hat aber nicht nur WählerInnenstim­men verloren, sondern wichtige Knoten­punkte in linken Netzwerken, sie hat nicht nur ein Haus verkauft, sondern ein span­nendes Politikfeld im urbanen Raum und al­le Mitglieder, die in diesen Bereichen tätig waren. Diesen Amoklauf des KP-Bundesvorstands ausschließlich mit subjektivem Fehlverhalten zu erklären, würde aber zu kurz greifen. Alle zentral Verantwortlichen der KPÖ haben eine jahrzehntelange KP-Sozialisation, was in Krisenzeiten immer be­deutet, kein Vertrauen zu den Einschätzun­gen der eigenen Mitglieder zu haben. Der politische Autismus wird mit großer Verant­wortung umschrieben, und es wird alles ver­sucht, den eingeschlagenen Weg als alterna­tivlos darzustellen. Das EKH-Dilemma der KPÖ erinnert an die internationale Solida­rität in der DDR. Während die Staatsführung Menschen aus befreundeten Trikontstaaten das Studium finanzierte, wurde das der Be­völkerung tunlichst verschwiegen, die wie­derum rassistische Ressentiments pflegte und diskutierte, dass die Vietnamesinnen in der DDR alle Fahrräder aufkauften, um sie zu exportieren. Jahrelang förderte die KPÖ in­direkt die Initiativen des EKH, ohne je ei­nen positiven Bezug dazu herzustellen. Jetzt, da die Finanzknappheit in einem Panikver­kauf einer lukrativen Immobilie mündete, wird selbstmitleidig darauf verwiesen, aller­dings erneut ohne positiven politischen Be­zug.

Die Forderung der Parteilinken nach Rückzug von Baier und Graber nach dem 33. Parteitag als Konsequenz des katastrophalen politischen Fehlers ging ins Leere. Wieder wird von Verantwortung für die Zukunft gesprochen, schlimmer noch, die Linken werden dafür kritisiert, weil sie diese ei­genartige Verantwortung nicht mit über­nehmen wollen. Die Beschlüsse des Linzer Parteitags wollen Aufbruchsstimmung sug­gerieren, wahrscheinlicher ist aber die Pro­longierung des Elends.

Die steirische KPÖ wird wohl die gön­nerhafte Einladung auf Mitwirkung weiter ignorieren, solange sie finanzielle Unterstüt­zung für ihre Wahlkämpfe erhält, der stali­nistische Flügel wird wohl weiter die Ge­richte bemühen und die eingeleiteten Aus­schlüsse gegen manche seiner Mitglieder agi­tatorisch aufblasen und wesentliche Teile der radikalen Linken in der KPÖ sind ausgetre­ten. Ob der neugewählte Bundesvorstand das Potential besitzt, Risiko einzugehen, um kreative Lösungen zu finden, ist zu bezwei­feln. Anbieten würde sich etwa eine Vereinbarung mit der steirischen KPÖ ähnlich der CDU/CSU-Lösung in Deutschland, dyna­mischer wäre noch die Neugründung der KPÖ in ein bis zwei Jahren und die Überlassung des Namens für die steirischen Ge­nossInnen, die die gewachsene, helferische, teils nationalistische, oft kleinbürgerliche Identität der KPÖ mehr als 20% der GrazerInnen schmackhaft machen konnte. Dass die Existenz zweier linken Parteien nach ei­ner Spaltung nicht zwangsläufig ein Nieder­gang ist, beweisen die griechischen Synaspismos und KKE. Die Beschreibung einer der Ausgetretenen, die aktuelle KPÖ scha­de mehr als sie nutzt, hat durchaus Berech­tigung, eine parteiförmige Neuformierung, in der auch Positionen der radikalen Linken einen Platz haben, scheint ohne Spaltung der KPÖ aber auch ohne Impulse und Initiati­ven von außen kaum möglich.

Solidaritätserklärung der Context XXI mit dem EKH

Die Redaktion der Zeitschrift Context XXI möchte ihre Bestürzung über den Verkauf des EKH durch die KPÖ an ei­ne Firma mit rechtem Hintergrund zum Ausdruck bringen. Die KPÖ-Führung um Walter Baier liefert damit die Flüchtlinge und politischen Projekte des EKH an Per­sonen aus, die die Zerschlagung einer der letzten linken Infrastrukturen in Wien be­treiben werden. Auch wenn wir uns als pluralistisches Medienprojekt in der Einschätzung der Bedeutung des EKH und der politischen Ausrichtung seiner NutzerInnen nicht immer einig sind, so sind wir uns umso einiger in der Ablehnung der Zerschlagung dieses politischen Zen­trums durch die KPÖ. Der Verkauf ent­lässt die KPÖ-Führung nicht aus ihrer po­litischen Verantwortung für die Unter­bringung der Flüchtlinge und der politi­schen Projekte des EKH: den Infoladen 10, das Queer-Beisl, die VolXbibliothek, das Archiv der sozialen Bewegungen, die ATIGIF oder die TATblatt-Redaktion. Zu­dem ist und bleibt unklar warum die KPÖ das EKH um einen äußerst geringen Be­trag an eine politisch suspekte Firma ver­kauft hat. Wir fordern deshalb die KPÖ dazu auf, alle Finanztransaktionen in Zu­sammenhang mit dem EKH offen zu le­gen, das Haus zurückzukaufen oder zu­mindest den Flüchtlingen, den BewohnerInnen des EKH und den darin befindli­chen politischen Projekten ein Ersatzhaus zu schenken, in dem alle Platz finden.

Redaktion der Context XXI
im November 2004
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