ZOOM 1/1999
Januar
1999
Professor Beer’s Erzählungen aus der Welt des Dritten Mannes oder

Das Märchen vom bezahlten Agenten Lindley

In einem Brief vom 3.12.1998 an die Zeitschrift ZOOM nimmt Fritz Molden sowohl zum in der Ausgabe ZOOM 5/98 abgedruckten Artikel von Professor Beer als auch zu dessen Interview ausführlich Stellung. Eine kürzere Fassung des Beer’schen Artikels und eine nicht so umfangreiche Antwort Moldens ist in der Presse vom 28.11.1998 erschienen. Erratum: Anläßlich des Vortrages von Professor Beer bei der in ZOOM 5/98 erwähnten Tagung kam es nicht zur kolportierten Kontroverse mit Oliver Rathkolb. Wir bedauern.

Professor Siegfried Beer nennt mich seit neuestem „Lindley“. Ich habe diesen, mir angeblich zugelegten Codenamen „Lindley“ zum ersten Mal in meinem Leben gesunde 53 Jahre nach den von Beer berichteten Agenten-Sagen in einem Artikel des Grazer Historikers gelesen. Aber nachdem mir Beer ohnedies ständig „historische Unwahrheiten“ sowie extreme Vergeßlichkeiten aller Art vorwirft, wird er nunmehr wahrscheinlich behaupten, ich hätte auch diesen Codenamen vergessen.

Ich möchte mich daher, schon um nicht neuerlich als „Opfer des Waldheim-Syndroms“ (eine andere Vermutung Beers über mich) bezeichnet zu werden, im folgenden fast ausschließlich auf Zitate im Druck vorliegender Werke qualifizierter Zeitzeugen beziehungsweise Wissenschaftler beschränken.

Es handelt sich um die folgenden Autoren beziehungsweise Bücher: Hans J. Thalberg: „Von der Kunst, Österreicher zu sein. Erinnerungen und Tagebuchnotizen“, Böhlau 1984, S. 132–141; Joseph P. Persico: „Piercing the Reich“, Viking Press 1979, S. 118–129; Robert S. Greene: „Blum San!“, Jupitor 1998, S. 196–209; Oliver Rathkolb: „Gesellschaft und Politik. Am Beginn der Zweiten Republik“, Böhlau 1985, Report Martin F. Herz, S. 362–365; Manfried Rauchensteiner; „Der Sonderfall“, Styria 1979, S.62,66; sowie unzählige Stellen aus dem Werk „Widerstand in Österreich“ von Radomir Luza, Österreichischer Bundesverlag 1982.

1. Bezahlter Agent

Beer schreibt: „Einige dieser Fallbeispiele vom Typus Kooperation mit alliierten Geheimdiensten, z. B. den amerikanischen, sind längst einer größeren, interessierten Öffentlichkeit bekannt. Zu ihnen zählt ohne jeden Zweifel als einen der wichtigsten Fälle der des Agenten“K-28’, alias Gerhard Wieser, alias ’Jerry’ etc.: eben Fritz Molden.„Und weiter:“In meinen Gesprächen mit ihm hat Fritz Molden immer wieder betont, er habe für seinen Einsatz bei den Amerikanern nie auch nur einen Dollar oder einen Schilling genommen und könne daher rechtens wohl nicht als Agent bezeichnet werden.„Beer will nun aufgrund von“Honorarnoten" wissen, ich sei bezahlter Agent gewesen.

Dazu schreibt Hans Thalberg auf Seite 132 seines oben genannten Werkes: „Das amerikanische Office of Strategic Services (OSS) (...) hatte in Europa eine Zentralstelle, deren Aufgabe es war, unter anderem auch mit den europäischen Widerstandsgruppen Kontakt aufzunehmen und mit ihnen nach Möglichkeit zusammenzuarbeiten. Sitz dieser Stelle war Bern (...). Zum Leiter dieser Dienststelle, die Aufgaben heikelster und delikatester Natur zu lösen hatte, hatte Präsident Roosevelt als seinen persönlichen Vertreter den prominenten New Yorker Anwalt Allen W. Dulles (...) bestimmt.“ Und weiter S. 133: „Für uns Exil-Österreicher in Zürich war das Bureau Dulles jedenfalls von allergrößter Bedeutung. Nachdem wir ’Gerhard Wieser’ – alias Fritz Molden – auf Herz und Nieren geprüft hatten, stellte Kurt Grimm die Verbindung zu Dulles her. Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die sich mit dem Bureau Dulles in den nächsten zwei Jahren ergab, war die Grundlage für die Existenz und für die Arbeit österreichischer Widerstandsgruppen. In der Moskauer Deklaration vom 1. November 1943 hatten die Alliierten die Wiederherstellung eines freien, unabhängigen Österreich zu einem ihrer Kriegsziele erklärt. In einem Nachsatz wurde jedoch an die Verantwortung erinnert, die Österreich ’für die Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlands’ trägt, und erklärt, daß die zukünftige Behandlung Österreichs von dem Beitrag abhängen werde, den es selbst zu seiner Befreiung leisten werde.“

2. Thalberg: „Wir bezogen von ihnen keinerlei Geldmittel.“

Auf Seite 134 schreibt Thalberg: „Es war für beide Teile eine außerordentlich befriedigende Zusammenarbeit. Das Verhältnis des Bureau Dulles zu den diversen Widerstandsgruppen war ebenfalls eindeutig und klar geregelt; wir waren keineswegs Angestellte der Amerikaner, wir bezogen von ihnen keinerlei Geldmittel, wir lieferten Lageberichte militärischen, wirtschaftlichen und politischen Charakters und erhielten dafür von den Amerikanern Waffen, Ausrüstung und logistische Unterstützung. Die militärischen Informationen sollten auch dazu dienen, strategisch wichtige Ziele für die Alliierten in Österreich zu lokalisieren und damit eine Bombardierung ziviler Einrichtungen auf österreichischem Boden nach Möglichkeit zu verhindern oder einzuschränken.“ Auf Seite 136 seines Buches schreibt Thalberg weiter: „Trotz der relativ bescheidenen Rolle des österreichischen Widerstandes hat das Kapitel Österreich bei Allen Dulles persönlich Gewicht gehabt. (...) Aber vor allem war es die Persönlichkeit des jungen Fritz Molden, sein Idealismus, seine Offenheit, sein Mut und seine Intelligenz, die Allen Dulles für die österreichische Sache eingenommen hat.“

3. Agent oder Widerstandskämpfer

Beer nennt mich einen und meine Tätigkeit im Kriege die eines „Agenten“, der mit „alliierten, z. B. amerikanischen Geheimdiensten kooperiert“ hat. Dies kann ich leider nur noch einmal als eine absurde und groteske Verdrehung der Tatsachen bezeichnen. In allen oben erwähnten Quellen wird ausdrücklich meine Tätigkeit als Widerstandskämpfer erwähnt und teilweise beschrieben. Rathkolb qualifiziert in seinem erwähnten Buch die Berufe beziehungsweise Aktivitäten aller von ihm genannen Personen in seinem Namensregister. Dort steht auf S. 429 unter „Molden, Fritz“: „Widerstandskämpfer im Umfeld Karl Grubers“. Ich frage mich, warum nicht „Geheimagent“? Denn genau dieses steht richtig unter „Ripper, Charles, Secret Intelligence Agent, 2677th Regiment OSS“. Als solcher ist dieser heldenhafte, geborene Salzburger auch im Winter 1944 im südsteirischen Bachergebirge mit dem Fallschirm abgesprungen, kurze Zeit danach von der SS geschnappt worden und schließlich nach wilder Flucht doch noch mit dem Leben davongekommen. Ripper war einer meiner engsten Freunde in diesem letzten Jahr des Kampfes. Ein Ehrenmann, US-Captain und eben ein Secret Agent.

Ich aber war ein simpler Widerständler, konnte dafür aber von der US-Army keinerlei Aufträge erhalten, sondern nur von der Führung der O5 in Wien (Alfons Stillfried und Hans Becker) oder aber, adhoc, meine Einsätze mit Hans Thalberg und Kurt Grimm in der „Verbindungsstelle Schweiz des Widerstandes“ besprechen.

Wir, die kleine Gruppe der mit den Alliierten direkt in Kontakt stehenden Widerständler (wie Kurt Grimm, Ernst Lemberger, Anton Lindner, Heinrich Messner, Franz-Joseph Mayer, meine Wenigkeit und viele, mir zum Teil unbekannte oder nicht mehr erinnerliche andere) erhielten keinerlei monatliche oder andere Salärs. Einige dieser Gruppe waren vermögend (etwa Grimm oder Messner), andere erhielten, z. B. in der Schweiz, als Flüchtlinge Beihilfen, wieder andere dienten formal noch in der „Wehrmacht“, erhielten dort ihren Wehrsold, und einige, vor allem ganz Junge wie ich, weil oft noch direkt von der Schule in den Widerstand kommend, wurden recht und schlecht auf Umwegen von zu Hause oder durch Freunde erhalten.

„Ein Partisan braucht außer seiner Waffe nicht viel. Er überlebt dank dem schlechten Gewissen seiner sympathisierenden, aber nicht aktiven Mitmenschen“, sagte mir bei Kriegsende der Chef der italienischen Widerstandsbewegung Norditaliens, General Cadorna, als ich ihn fragte, wie er seine 80.000 Partisanen durchgebracht hätte. Und ganz ähnlich war es auch im österreichischen Widerstand.

Die Wahrheit ist, daß noch aus der Kriegszeit (April 1945) anläßlich der durch meine Gruppe und unter meiner Leitung erfolgten Sicherstellung und Rettung etlicher gefährdeter Personen, darunter auch US-Verbindungsleute, aus dem deutschbesetzten Mailand in die Schweiz, belegte Spesen in der Höhe von (angeblich) 530 Dollar, oder auch 10.000 Lire oder was immer von Professor Beer in Reichsmark umgerechnet wurde, angefallen sind. Der von Beer erwähnte „Horneck“ hieß in Wirklichkeit Josef Frankenstein, war ein 1938 emigrierter Österreicher und Leutnant der US-Army. Wir brachten ihn als US-Verbindungsoffizier von der Schweiz über das von Deutschen besetzte Norditalien nach Tirol, wo er ein Partisanen-Trainingslager bei Kematen leitete und schließlich von der SS geschnappt und in ein KZ gebracht wurde. Er überlebte. Die Kosten seines komplizierten Transportes wurden mit den Amerikanern verrechnet. Ebenso war der Fall der „echten Agentin Diana“ (wirklicher Name Nam Brauer de Beaufort), die ich damals auf Bitte des Bureau Dulles von Mailand in die Schweiz brachte. Auch hier verrechnete unsere Züricher Verbindungsstelle den Amerikanern die entstandenen Kosten. Im übrigen konnte ich diese Geschichten gar nicht vergessen, da sie, auch für Herrn Beer jederzeit zugänglich, ausführlich in meinem eigenen 1976 erschienenen Buch „Fepolinski und Waschlapski“ geschildert wurden. Aber auch Joseph Persico schreibt in seinem erwähnten Buch „Piercing the Reich“ und Robert Greene in seinem erst heuer erschienenen Buch „Blum San!“ ausführlich über diese Episoden. Es scheint mir daher, als könnten die mir von Beer angekreideten historischen Unwahrheiten weniger auf meine eigene verlogene Vergeßlichkeit als auf mangelnde Recherche Professor Beers zurückzuführen sein. Ich kann mich aber nicht bereit erklären, mir mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in dem ich für meine Heimat und deren Freiheit den Schädel hingehalten habe, vorwerfen zu lassen, ich sei ein Lügner und bezahlter Agent.

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