ZOOM 7/1997
November
1997
Alfred Kyrer:

Das Titanic-Syn­drom

Man ahnt schon nach dem vorangestellten Zitat aus dem Jahre 1861 die Intention des Autors: Österreich, die im­merwährende Krisis.

Schon am Anfang kritisiert der Autor, daß die Politike­rInnen sich zu sehr an den WählerInnen orientieren, und klagt die mangelnde Effizienz und Qualität der Wirtschafts­politik ein. Was er sich wünscht, ist ein mehr an Expertokratie, die den Politike­rInnen dank wirtschaftswis­senschaftlicher Ausbildung zeigt, wo es langgeht. Daß er­stens PolitikerInnen in einer Demokratie gewählt werden, erscheint dem Autor demnach als Behinderung eines effizi­enzorientierten Staates.

Daß zweitens laufend berühmte Wirtschaftstheori­en an Hand der politökono­mischen Realitäten widerlegt werden, ficht den Autor in sei­ner Selbstgewißheit auch nicht weiter an, sondern bestätigt ihm nur die eminente Bedeutung jener Kaffeesudleserei, die bereits den Raum und den Namen einer ganzen Univer­sität in Wien benötigt. Aber nun mal ernsthaft: Ohne eine halbwegs vernünftige und vor allem voranzustellende Analy­se der liberalisierten und glo­balisierten Finanzwirtschaft wird die Begründung und Be­urteilung von Sparpaketen mangelhaft bleiben. Einerseits weist der Autor auf diese außerhalb der staatlichen Kompetenz liegenden Fakto­ren hin, die die Belastungspa­kete erzwingen, andererseits weist er den einzelnen Staaten die Aufgabe zu, die anstehen­den Probleme im Alleingang zu lösen. Das kann nur zu ei­nem Standort- und Steuer­wettbewerb unter den Staaten um industrielle Ansiedelungen führen, wie er gegenwärtig in der EU voll im Gange ist. Die „Problemlösungskompetenz“ einer kybernetischen Vorstel­lung der Volkswirtschaft, einem vernetzten Denken zu überantworten, ist als Wort­hülse nett, will aber hier bedeuten, mehr Markt, weniger Staat. „Ganzheitliche“ Mana­gementmethoden sind aber nur in einer hierarchisch struk­turierten Betriebswirtschaft durchsetzbar, ein demokra­tisch verfaßter Staat aber ist, wenn schon ein Unternehmen, dann ein Gesellschaftsunter­nehmen und trägt ebenso Ver­antwortung für seine StaatsbürgerInnen wie diese für ihn, ansonsten verdient er nicht diese Bezeichnung. Österreich soll nicht Singapur werden!

Die Intention des Autors, eine klare und einfache Dar­stellung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge und Fehl­entwicklungen zu geben, ist aber als gelungen zu bezeichnen. Daher lesenswert.

Alfred Kyrer: Das Titanic-Syn­drom — Teil 1. Über das Schnüren von „Sparpaketen“ in Österreich, in Deutschland und in der Schweiz oder: Wasch’ mir den Pelz, aber mach’ mich nicht naß! Verlag Österreich, Edition Juristische Literatur, Wien 1995, 274 S., öS 498,—

Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)