Heft 7-8/2001 — 1/2002
Februar
2002

Der Fall Borodajkewycz

Unter den zahlreichen Professoren, die ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit zum Trotz auch nach 1945 an Österreichs Universitäten lehrten, sorgte in den 60er Jahren ei­ner für besondere Aufregung: Taras Borodajkewycz, Professor an der Hochschule für Welt­handel (Wirtschaftsuniversität).

Taras Borodajkewycz wurde am 1. Oktober 1902 in der Ukraine geboren. Er wuchs streng ka­tholisch in Baden bei Wien auf. Nach seinem Abitur begab er sich an die Wiener Universität um Theologie zu studieren. Nach zwei Jahren allerdings brach Borodajkewycz das Studium ab und widmete sich der Philosophie. Doch auch dieses Studium beendete er nicht. Seinen Abschluss machte Borodajkewycz 1932 in Geschichte und wurde kurz darauf Assistent des deutschtümelnden Historikers Heinrich Ritter von Srbik, „Alter Herr“ der Wiener Burschenschaft Gothia.

Borodajkewycz hingegen war katholisch korporiert (CV) und wurde 1933 Sekretär des Katholikentages. Für sein diesbezügliches Engagement bekam er das päpstliche Ehrenkreuz „Pro Ecclesia et Pontifice“ ausgehändigt. Im Jänner 1934 wurde er Mitglied der illegalen NSDAP. Trotz seiner NS-Gesinnung blieb Borodajkewycz seiner CV-Mitgliedschaft treu. Er sah sich als einer der „Brückenbauer“ zwischen politischem Katholizismus und Nationalsozialis­mus, eine Funktion, die er nach 1945 wieder einnehmen sollte. [1] 1935 begann seine Tätigkeit in der NSDAP als Mitarbeiter des NS-Nachrichtendienstes. „Schon damals verstand er es, als Staatsbeamter — er war damals Staatsarchivar des Bundeskanzleramtes — ‚Gesinnung‘ und Beruf zu vereinen. Wie die Geschichte der 6. Wiener SA-Brigade lobend erwähnt, verwahrte er ‚wichtiges illegales Aktenmaterial‘ im Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Stolz berichtet er im Jahr 1938 über seine illegale Tätigkeit: seine Privatwohnung hatte er der Stabsführung der SA für Sitzungen zur Verfügung gestellt, er erstattete Gutachten für die illegale Landesleitung, er verwahrte die Organisationspläne der SA. Außerdem arbeitete er im Kulturreferat der SA und als Schulungsmeister der SS.“ [2]

1937 wurde Borodajkewycz Dozent an der Universität Wien, 1942 unterrichtete er Allge­meine Neuere Geschichte an der Prager Universität. Häufig wurde er aufgrund seiner reli­giösen Gesinnung von der NSDAP ermahnt. Einige unaufmerksame Äußerungen Boro­dajkewycz’, wie z.B., dass der Krieg für Deutschland nicht mehr zu gewinnen sei, führten 1943 zum Ausschluss aus der NSDAP. Sofort legte Borodajkewycz Berufung gegen dieses Urteil ein und tatsächlich, aus einem Ausschluss wurde eine Verwarnung. Borodajkewycz war also bis 1945 NSDAP-Mitglied.

Schon 1946 wurde Borodajkewycz als „Minderbelasteter“ eingestuft und erreichte somit sei­ne Entnazifizierung. Aufgrund seiner guten Beziehungen zur ÖVP, insbesondere zum dama­ligen Unterrichtsminister Drimmel und dem späteren Bundeskanzlers Klaus, der sich in der Er­sten Republik als Spitzenfunktionär der antisemitischen Deutschen Studentenschaft betätig­te, schaffte es Borodajkewycz 1955 abermals zum außerordentlichen Professor an der Wie­ner Hochschule für Welthandel. Erst elf Jahre später sollte er zwangsweise pensioniert werden.

Zahlreiche Äußerungen Borodajkewycz’ brachten Politiker und Journalisten bereits in den Fünfzigern und Sechzigern in Aufruhr. In Artikeln konnte man durchaus seine neonazisti­sche Haltung erkennen, wie zum Beispiel 1956 in der Zeitschrift Die Aktion: „Zu den uner­freulichsten Überresten des an Gesinnungs- und Würdelosigkeit reichen Jahres 1945 gehört das Geflunker von der ‚österreichischen‘ Nation. Es entstammt derselben moralischen und geistigen Haltung, die die Besatzungsmächte als Befreier feierte und die dauernde Erinnerung an ihr für unser Land so segensreiches Erscheinen in der Umbenennung von Straßen und Plätzen fest­halten wollte, der Haltung, die den bisherigen Ehrenkodex der Menschheit umstülpte und Feigheit, Fahnenflucht und Verrat als die wahren Tugenden des österreichischen Mannes pries. Diese Sumpfblüten einer Zeit, der der Boden unter den Füßen entzogen war, gehören glücklicherweise der Vergangenheit an.“ [3]

Dokumentiert ist auch eine Vorlesung über die Entstehung der Weimarer Republik, die Borodajkewycz Anfang Februar 1961 hielt. Dabei schien es ihm notwendig vom „jüdischen“ Hugo Preuß zu sprechen. Als „jüdische Massenaufpeitscherin“ bezeichnete Borodajkewycz Rosa Luxemburg, die von Leuten umgebracht wurde, die er „herrliches deutsches Freikorps“ nannte. Auch von der „jüdischen SPD“ sprach Borodajkewycz gerne.

„Eine ganze Vorlesung widmete Borodajkewycz auch der brennenden Frage, ob Adolf Hitler ‚Vierteljude‘ gewesen sei oder nicht, wie überhaupt die ‚Persönlichkeit‘ des ‚Führers‘ ei­ne noch immer nicht abgeschwächte Anziehungskraft auf ihn ausübt. Auch über die ‚Juden in der NSDAP‘ hat er etwas zu sagen: ‚Heydrichs Großmutter war Jüdin — und das war in der SS bekannt —, obwohl er persönlich ein ausgezeichnet aussehender, blonder, intelligenter und sympathischer Mensch war.‘“ [4]

Im Februar 1962 beschäftigte sich der frisch promovierte Jurist Heinz Fischer mit der „Si­tuation an Österreichs Hochschulen“. Zu diesem Thema verfasste er einen Artikel in der so­zialistischen Monatszeitschrift Die Zukunft, in dem es unter anderem heißt: „Übereinstim­mend stellen die Minister Afritsch und Dr. Broda fest, dass die Bekämpfung des Neonazismus bei der Erziehung im Elternhaus und in der Schule beginnen muss. (...) Sehr richtig! Aber wie sieht es in der Praxis aus? An der Hochschule für Welthandel wird die demokratische Gesinnung den Studenten unter anderen von Prof. Taras Borodajkewycz beigebracht, der unter Schuschnigg Katholikentage organisierte, aber 1938 sofort zum Naziregime überging und der jetzt — akademischer Lehrer und Vorbild sein soll.“ [5]

Im Juni schrieb Fischer: „Borodajkewycz war ein eifriger Verfechter des Ständestaates (...); nach 1938 rühmte sich Borodajkewycz hingegen schon lange Mitglied des illegalen Blocks gewesen zu sein (...) Heute mutet man den Studenten zu, sich an der Hochschule für Welthandel von Herrn Dr. Borodajkewycz ausgerechnet in Geschichte unterrichten zu lassen.“ [6]

Borodajkewycz klagte daraufhin Heinz Fischer und den zuständigen Redakteur wegen Eh­renbeleidigung. Ferdinand Lacina, zu dieser Zeit Student und Parteifreund von Heinz Fi­scher, fertigte dann Mitschriften aus Borodajkewycz’ Vorlesungen an, um die Unschuld seines Freundes zu beweisen. Allerdings konnten diese vor Gericht nicht verwendet werden, da Borodajkewycz in seinen Vorlesungen damit drohte, dass Studenten, die gegen ihn aussagen würden, mit einem Ausschluss zu rechnen hätten. Trotz der Tatsache, dass Borodajkewycz Teile dieser Äußerungen gar nicht abstritt und der Justiz seine Vergangenheit bekannt war, wurden Heinz Fischer und der Redakteur 1963 zu Geldstrafen verurteilt.

Und noch ein weiteres Mal halfen Borodajkewycz seine guten Beziehungen zu ÖVP-Mitgliedern. Am 20. Jänner 1965 stellten die sozialistischen Abgeordneten Karl Mark und Stella Klein-Löw eine Anfrage an den Unterrichtsminister Piffl-Percevic, ob dieser bereit sei, ge­gen Professor Brodajkewycz ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Grund dafür war ein Artikel von Borodajkewycz in der deutschen Wochenzeitschrift Das Parlament zum Thema „Der Zweite Weltkrieg“. Dort schrieb er nämlich unter anderem: „Es ist nur ein Teil der gesamt­deutschen Katastrophe, daß wir deutschen Österreicher zum zweitenmal innerhalb einer Ge­neration das größere Vaterland verloren haben.“ [7] Der Unterrichtsminister lehnte das Ansinnen der SPÖ-Anfrage kurzerhand ab.

Zum Auslöser der Affäre wurde schließlich die Pressekonferenz vom 23. März 1965: Die­se wurde von der ÖH organisiert und fand im Audi Max der Wiener Universität statt. Zahl­reiche Studenten waren gekommen. Der Grund für diese Veranstaltung war allen klar: Boro­dajkewycz wollte Stellung beziehen gegenüber den Anschuldigungen der letzten Monate. Schon beim Betreten des Saales empfing den Professor kräftiger Applaus. Als er über seine Pro­zesse gegen Heinz Fischer und sozialistische Parteizeitungen berichtete und dabei den jüdischen Anwalt Rosenzweig erwähnte, brach das Publikum erstmals in Gelächter aus.

Dann versuchte Borodajkewycz zu erklären, weshalb er in seinen Vorlesungen Juden und Jüdinnen immer als solche bezeichne: „Nun kennen Sie meine Vorlesungen, und Sie wissen daß ich tatsächlich Persönlichkeiten der Geschichte, die aus dem Judentum stammen, als solche de­klariere, und ich werde das auch weiterhin tun, weil es meine Pflicht als Historiker ist, nicht wahr, und ich sehe nicht ein, warum jemand darüber beleidigt sein sollte. Wenn mir jemand sagt: Herr Borodajkewycz, Sie sind slawischer Abstammung — was mein Name eindeutig sagt —, bin ich ja auch nicht beleidigt darüber. Ich kann nicht sagen, daß Kelsen Israeli war, weil damals der Staat Israel noch nicht existiert hat.“ Den größten Beifall erreichte er, als er sich stolz da­zu bekannte, freiwillig der NSDAP beigetreten zu sein.

Die Arbeiter-Zeitung, die von Borodajkewycz schon zuvor mit Klagen eingedeckt worden war, schrieb über die Pressekonferenz: „Die Art, in der diese antisemitische Kundgebung abge­halten wurde, indem bei der Nennung jüdischer Namen Gelächter und Gejohle ausbrach und ein Bekenntnis zur NSDAP-Vergangenheit mit stürmischem Beifall quittiert wurde, gibt zu ernstester Besorgnis Anlaß und fordert rasche und wirksame Maßnahmen zu Wiederher­stellung des Ansehens der österreichischen Hochschulen.“ [8]

Schon am Tag nach der Pressekonferenz kam es zu ersten Demonstrationen gegen Borodajke­wycz und kurz darauf auch zu ersten Rangeleien zwischen Borodajkewycz-GegnerInnen und -An­hängern. Die Demonstrationen wurden von der Österreichischen Widerstandsbewegung, dem Antifaschistischen Studenten Komitee und von Aktivistinnen linker ÖH-Fraktionen organisiert. Bald beteiligte sich auch die Katholische Hochschuljugend und verschiedene Gewerkschaften am Protest gegen den Nazi-Professor. Der Höhepunkt der Demonstrationen war der 31. März 1965. Tausende versammelten sich an jenem Abend in der Wiener Innenstadt, um gegen Borodajkewycz zu demonstrieren. Doch auch einige hundert Borodajkewycz-Anhänger hatten sich zusammen­gefunden, um die Demonstration zu stören. Auf der einen Seite erblickte man Transparente wie „Österreichs Studenten dulden keine Antisemiten an ihren Hochschulen“ und „Borodajkewycz muß weg“, auf der anderen Seite ertönten Rufe wie „Heil Borodajkewycz“, „Juden raus“ und „Hoch Auschwitz“.

An diesem Abend kam es zu schweren Ausschreitungen. Trotz massivem Polizeischutz und einer Ordnerkette kam es zum Tod eines Antifaschisten. Der 67-jährige Kommunist und ehemali­ge Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger wurde vom 24-jährigen Neonazi und Burschen­schafter Günther K. niedergeschlagen und starb wenige Tage später an den Folgen der Verletzung.

Günther K., geboren in Teheran, schloss sich schon mit sechzehn Jahren der rechtsextremen Szene an und wurde Mitglied des Bundes Heimatlicher Jugend. Nachdem diese Organisation verboten worden war, wechselte er ins unmittelbare FPÖ-Vorfeld über. Mit Beginn seines Chemiestudiums wurde er schließlich Aktivist des Ringes Freiheitlicher Studenten und Mit­glied der Burschenschaft Markomannia und der Olympia.

Bereits 1957 wurde K. aufgrund zahlreicher Hakenkreuzschmierereien angezeigt. Am 1. Mai 1958 warf er Stinkbomben auf den Maiaufmarsch der SPÖ. 1961 warf er eine Brandbombe ge­gen die italienische Botschaft, 1962 wurde er zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt, nach­dem er auf das Parlament geschossen hatte. Im Oktober 1965 wurde K. in einem Prozess der Totschlag als „Notwehrüberschreitung“ ausgelegt. Er wurde zu einer zehnmonatigen Haftstra­fe verurteilt, wobei die Untersuchungshaft angerechnet wurde.

Das Begräbnis von Emst Kirchweger am 9. April 1965 wurde zu einer großen Manifestation des „demokratischen Österreichs“: Mehr als 25.000 Menschen, voran höchstrangige Politi­kerinnen von SPÖ, KPÖ und sogar ÖVP, begleiteten den Zug vom Ring zum Zentralfriedhof. Zahlreiche Redner appellierten an die Bevölkerung, einig und wachsam gegenüber der neo­nazistischen Gefahr zu sein. Angerufen wurde wieder der „Geist der Lagerstraße“, nach wel­chem die AnhängerInnen der drei Gründungsparteien der Zweiten Republik (SPÖ, ÖVP, KPÖ) ihre Differenzen angesichts der (neo)nationalsozialistischen Bedrohung hintanstellen.

Was dieser „Geist“ abseits von Sonntagsreden wert ist, belegte die ÖVP mit ihrer anhaltenden Rückendeckung für Borodajkewycz. In der Fragestunde des Nationalrates am 31. März 1965, hielt der SP-Abgeordnete Neugebauer dem Unterrichtsminister eine Reihe von Rechtsgutachten vor, die ihm die vorläufige Suspendierung von Borodajkewycz ermöglichen würden. Piffl-Percevic lehnte dennoch ab, mit der Begründung: „Ich kenne die Problematik der Frage, ob ich unmittelbar dieses Suspendierungsrecht besitze oder nicht. Auch wenn ich es besäße, würde ich es nicht ausüben, ohne konkrete amtliche Berichte über die Vorkommnisse vorliegen zu haben (...).“ [9] Bezeichnend auch die Reaktion von Piffl-Percevic auf die Kritik der SozialistInnen an sei­ner Untätigkeit: „Die Sozialisten werfen mir vor, ich hätte in dem Fall Borodajkewycz, ein dem Unterrichtsminister zustehendes Recht nicht wahrgenommen (...) Sie wollen damit über die besorgniserweckende Tatsache hinwegtäuschen, dass in den von ihnen betreuten Amts­bereichen gesetzliche Pflichten nicht wahrgenommen worden sind (...) Ohne Ermittlungs­verfahren aber zu handeln bedeute undemokratische Willkür, wie wir sie in den Tagen der nationalsozialistischen Herrschaft zur Genüge kennengelernt haben.“ [10]

Wie stets bei der Pardonierung und Integration von ehemaligen Nationalsozialisten wurde auch hier der Antikommunismus in Anschlag gebracht: „Die traurigen Vorfälle der Vorwoche dürfen zu keiner Munition für die kommunistische Propaganda gegen die Demokratie in Österreich werden, erklärte Generalsekräter Dr. Withalm heute dem ÖVP-Pressedienst (...) Wer an den österreichischen Hochschulen lehren darf und wer nicht, wird jedenfalls weder die Straße noch das Zentralkomiteee der Kommunistischen Partei Österreichs bestimmen, schloss Generalsekräter Dr. Withalm.“ [11]

Nur wenige ÖVP-Politiker äußerten sich entschieden und direkt gegen Borodajkewycz, so der Nationalratsabgeordnete Nemecz, der in einer Plenumsdebatte meinte: „Es stehe aber außer Streit, dass der Beruf eines Hochschullehrers neben Rechten auch Pflichten mit sich bringt (...) Rassische Diskriminierung darf es nicht geben (...) der Fall Borodajkewycz hat schon viel zu hohe Wellen geschlagen, als gut ist. Er muss rasch bereinigt und dann die Debatte darüber abgeschlossen werden.“ [12]

Während die Aktivitas des Cartellverbandes (CV) mehrheitlich im Borodajkewycz-Lager zu finden war, bezogen die CV-„Senioren“ deutlich gegen ihn Stellung. Unmittelbar nach der berüchtigten Pressekonferenz gaben diese eine Erklärung ab, „in der aufs schärfste jede Art von nationalsozialistischer Betätigung, Glorifizierung, Gutheißung oder Verharmlosung des na­tionalsozialistischen Regimes an den österreichischen Hochschulen verurteilt wird.“ [13]

Und die ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten forderte in einem Telegramm an Piffl-Percevic: „Die Disziplinarkammer möge rasch und konsequent entscheiden, um zu ver­hindern, dass sich auf Hochschulboden NS-Gedankengut ausbreite.“ [14]

Aber auch in der SPÖ wurden Stimmen laut, die angesichts der damals vorherrschenden Stimmung vor einer allzu deutlichen Positionierung auf antifaschistischer Seite warnten. So räumt Ferdinand Lacina ein: „Das war ja mitten in einem Wahlkampf, es war also auch für uns in der Partei nicht ganz einfach, weil es da in der Partei Meinungen gegeben hat, die gesagt ha­ben, mitten in der Wahl für den Bundespräsidenten brauch ma des net, da brauchen wir alle Stimmen, die wir bekommen können.“ [15]

Die FPÖ verhielt sich eher ruhig und versuchte, die Affäre als rein disziplinäres Problem dar­zustellen und aus dem Nationalrat zu halten. Bei den Abstimmungen zum Fall Borodajkewy­cz stimmten freiheitliche Mandatare dann entweder dagegen oder verließen den Saal.

Die rechte ÖH-Exekutive, gebildet aus konservativen und freiheitlichen Fraktionen, bezog eindeutig für Borodajkewycz Stellung: „Der Vorsitzende des Zentralausschusses der Hoch­schülerschaft, Peter Thiel, bedauerte das Verhalten einiger Kollegen in der Hörerversammlung. Gleichzeitig aber erklärte er im Namen der Hochschülerschaft, die Vorwürfe gegen Professor Borodajkewycz seien ‚unfair‘, ‚unkorrekt‘ und ‚in provozierender Weise‘ vorgebracht worden. Unobjektive Zeitungsberichte hätten die Unruhen erst ausgelöst.“ [16]

Aufgrund der Ereignisse vom März/April 1965 beantragte Heinz Fischer eine Wiederauf­nahme des Verfahrens. Ferdinand Lacina konnte nun als Zeuge aussagen, da er sein Studium schon beendet hatte. Sowohl die Mitschriften Lacinas, als auch Borodajkewycz’ Pressekonfe­renz dienten als Beweismaterial. Am 22. Juni 1965 wurden Heinz Fischer und sein Redak­teur tatsächlich freigesprochen.

Das Gericht begründete das Urteil folgendermaßen: „Der Hauptakzent ist auf den beim Pri­vatankläger tief eingewurzelten Antisemitismus zu legen. (...) Wer gegen Teile der Bevölkerung eine feindselige Haltung einnimmt, wer gegen andersrassische Gruppen ist, kann nicht als De­mokrat angesehen werden ...) Er hat die Bemerkungen nicht am Stammtisch, sondern vor Stu­denten gemacht, die er zu demokratischen Staatsbürgern zu erziehen hatte.“ [17]

Bereits am 5. Juni 1965 betonte die Staatsanwaltschaft, dass Borodajkewycz’ Verhalten „hart an der Grenze des Tatbestandes nach Paragraph 3g des Verbotsgesetzes nationalsozialistischer Wie­derbetätigung“ [18] liege. Trotzdem hielt sie es nicht für notwendig, in die Affäre unmittelbar ein­zuschreiten. Die Staatsanwaltschaft überließ das den zuständigen Universitätsbehörden.

Doch auch diese reagierten nicht. So richtete Borodajkewycz selbst am 2. Juni 1965 ein Ansuchen an die Hochschule für Welthandel, gegen ihn ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Kurz darauf wurde er beurlaubt. Erst am 14. Mai 1966 wurde das Urteil dieser Untersuchung verkündet. Borodajkewycz wurde zwangsweise pensioniert. Der Wortlaut des Disziplinarver­fahrens wurde nie veröffentlicht.

Während seiner weiteren Lebensjahre verfasste Borodajkewycz zahlreiche Bücher und Arti­kel, auch für rechtsextreme Zeitschriften. Am 3. Jänner 1984 starb er im 82. Lebensjahr in Wien.

[1Bei einer „Geheimkonferenz“ am 28. Mai 1949 in Oberweis bei Gmunden schlugen frühere NSDAP-Mitglieder der ÖVP ein Ge­schäft vor, das der ÖVP die Stimmen der Ehemaligen verschaffen sollte, wenn sich diese für eine Abmilderung des NS-Verbotsgesetze stark mache. Auf Seiten der (ehemaligen) Nationalsozialisten nahm Borodajkewycz daran teil.

[2Schmidt, Erich; Konecny, Albrecht K.: „Heil Borodajkewycz!“ Österreichs Demokraten im Kampf gegen Professor Borodajkewycz und seine Hintermänner. Wien, München 1966, S.16

[3zit. nach ebd., S.10

[4ebd., S. 7

[5zit. nach: Gehler, Michael; Sickinger, Hubert: Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim. Thaur, Wien, München 1996, S. 491f

[6zit. nach: Gehler, Michael; Sickinger, Hubert: Politische Affären und Skandale in Österreich. Von Mayerling bis Waldheim. Thaur, Wien, München 1996, S. 491f

[7zit. nach Arbeiter-Zeitung, 14. 3. 1985, S. 5

[8Arbeiter Zeitung, 25. 3. 1965, S. 2

[9Gehler, Michael a.a.O., S. 494

[10zit. nach Fischer, Heinz: Einer im Vordergrund. Taras Borodajkewycz. Wien, Frankfurt a.M., Zürich, S. 284f

[11Vorarlberger Volkszeitung, 6.4.1965, S. 1

[12Arbeiter-Zeitung, 1.4.1965, S. 3

[13zit. nach Fischer, Heinz a.a.O., S. 251

[14zit. nach Fischer, Heinz a.a.O., S. 251

[15zit. nach Gehler, Michael a.a.O., S. 495

[16zit. nach Fischer, Heinz a.a.O., S. 254

[17zit. nach Schmidt, Erich a.a.O., S. 8f

[18zit. nach Gehler, Michael a.a.O., S. 500

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