FŒHN, Heft 21
 
1995

Die hinaufgekommene, heruntergekommene SPÖ

Die SPÖ ist so etwas von verlumpt und verludert, daß im ganzen österreichischen Wörterbuch gar kein Wort steht, das den Sachverhalt nicht verharmlost. Ihre Politik ist so etwas von Zumdavonlaufen — und damit natürlich dem nächstbesten Schmähtandler in die ausgebreiteten Arme.

Ohne Zweifel hat Kreisky mit seiner (glänzend überspielten) massenfeindlichen Politik die Grundlage für die heutigen Zustände in Österreich geschaffen, auf der jetzt geschehen kann, was jetzt geschieht. Die SPÖ vollständig zu einer Karikatur auf eine Sozialdemokratie hat freilich erst Vranitzky gemacht. Die Politik der Vranitzky-Fischer-Cap-Bande ist ein einziger Spott auf die Geschichte der SPÖ, ihre frühen Errungenschaften und Vorstellungen. Wenn der Wiener SP-Bürgermeister von „Sozial-Schwarzfahrern“ spricht, dann meint er nicht mehr die 100.000-Schilling-Verdiener, die nur von 40.000 Schilling Sozialversicherung zahlen, wenn der SP-Sozialminister die Debatte über „Sozialschmarotzer“ anzündet, denkt er dabei nicht mehr an die Unternehmer, die Subventionen in Zigmilliardenhöhe einsacken, und wenn der SP-Präsidentschaftskandidat sich gegen „soziale Trittbrettfahrer“ aufbaut, so will er sich damit nicht gegen die Konzerne stellen, die sich durch endlose Gewinnverschiebungen jeder Steuerleistung entziehen. Daß Haider ein Copyright hätte auf die Befetzung der Rechtlosesten, ist ein mieses Gerücht.

Allein ein kurzer Blick auf das Personal der SPÖ läßt die Verkommenheit der SP-Partie schon anschaulich werden: Blecha, Sekanina, Braun, Sallaberger, Gratz, Sinowatz, Kery, Androsch, Keller, Rechberger - - - . Alles verspielt, was einmal war und hätte werden können! Ja, ins gerade Gegenteil pervertiert!

Was aus der SPÖ geworden ist, zeigen die mit Arbeiterlohngroschen aufgebaute BAWAG, die sich heute in wüstesten weltweiten Spekulationsgeschäften ergeht, die mit Arbeiterlohngroschen aufgebaute Konsumgenossenschaft, die verwirtschaftet worden ist und jetzt zerschlagen und verschachert wird, und die Arbeiterzeitung, die an eine Werbefirma verkauft, zu einer Boulevardzeitung heruntergenudelt und schließlich eingestellt worden ist. Und was an politischen Errungenschaften ging unter den SP-Regierungen nicht alles den Bach hinunter! Von den SP-Regierungen mutwillig hineingeworfen: die Verstaatlichte Österreichs, die Unabhängigkeit und Neutralität Österreichs, die Gewerkschaft als Arbeiterkampf-Organisation usw. Viel bliebe für einen Haider in der Tat nicht mehr zu tun übrig. Vielleicht noch die Arbeiterkammern, die jetzt zu Supermarktwurstkontrollinstituten heruntergewirtschaftet sind, ganz abzuschaffen, wenn er will. Den ÖGB als funktionierende Herrschafts-Organisation gegen die Arbeitenden aber dürfte auch er nicht entbehren wollen.

Der Eckzinssatz für die kleinen Sparguthaben der Arbeitenden war noch nie so niedrig wie unter Vranitzky, die Einkommens-Unterschiede zwischen arm und reich waren seit 1945 nie so groß wie unter Vranitzky, der Anteil der Mietkosten an den notwendigen Ausgaben war noch nie so hoch wie unter Vranitzky. Wie zerfressen nicht nur die Moral dieser Leute, sondern auch schon ihr Gehirn ist, hat im Sommer des Vorjahres die Frau des Bundeskanzlers geoffenbart, als sie die Jugend dazu aufrief, Golf zu spielen, anstatt Drogen zu konsumieren. Wenn Vranitzky heute bereits Pensionsverträge in der Tasche hat, die ihm etwa das Dreißigfache einer durchschnittlichen Arbeiterpension von 8.300 Schilling garantieren, wenn ein ehemaliger SP-Minister und SP-Präsidentschaftskandidat heute ein Managergehalt von geflüsterten 400.000 Schilling pro Monat einstreichert und der Gewerkschaftspräsident in einem Luxus-Penthouse in der Wiener City logiert, dann haben wir es mit Arbeiterführern zu tun, die als Schreckgespenster dienen, freilich nicht gegenüber den Unternehmern, sondern gegenüber den Arbeitern. Wenn man dies sieht, dann ist es ja direkt positiv zu erleben, wie die Menschen sich in Scharen von diesem Pack abwenden.

Zuerst ÖVP-Motto (Mitarbeiter-Magazin 19/1985), dann Slogan für das FPÖ-Volksbegehren gegen ‚Ausländer‘ (1992)

Daß die da abtakeln als Sozialdemokraten-Darsteller, das ist für uns weiter nicht schlimm. Daß sie dabei aber die Idee einer nicht vom Kapital durchorganisierten Gesellschaft mit sich reißen, das ist nicht weniger als verheerend. Wie weit sie zu gehen bereit sind, zeigt der heutige SPÖ-Vorsitzende, der nicht zögert, sogar seine eigene Großmutter zu verkaufen, pardon, seinen eigenen Vater: Im Hochglanzprospekt zur Nationalratswahl 1986 wird der alte Vranitzky, Antifaschist und Mitglied der KPÖ, auf „überzeugter Sozialdemokrat“ umgelogen. Dabei war er einer, der seinen Sohn vor der SPÖ ausdrücklich gewarnt hat, denn „zu Rechten wie Kreisky und Androsch gehe man nicht“ (zit. in: Franz Vranitzky im Gespräch mit Armin Thurnher, 1992). Das Fatale ist, daß es den Mächtigen mithilfe ihres gewaltigen Propagandainstrumentariums gelingt, die eindeutig rechte Politik der SPÖ wie eine fast-linke aussehen zu lassen. Dabei steckt das Fortschrittliche vielfach nur mehr im Vokabular. Während die sozialen Leistungen zerbröseln, bleiben die stolzen Wörter dafür bestehen („Schülerfreifahrt“, „Gratisschulbücher“ ...). Schon B. Kreiskys blendende Regierungstätigkeit gründete vor allem auf wirklich erstklassigem Sprach-Design, seine Errungenschaften waren weit weniger realer als rhetorischer Natur („Sozial Schwache“, „Unterprivilegierte“, „Arbeitnehmer“).

Die Aufgabe der Sozialdemokratie, die sie im Sinne eines kapitalistischen Staatswesens, d.h. eines Staatswesens der Kapitalisten, zu erfüllen hat, war es und ist es, sich an die Spitze der Arbeiterschaft zu stellen, um sie abzubrechen. Je mehr sich die Sozialdemokretins bemühen, den Geldleuten zu dienen, desto geringer wird — bei aller Tarnung — das Vertrauen der Lohnarbeiter in sie und damit wieder der Wert der Vranitzkysten für die Geldleute. Das ist die Stunde neuer Irre-Führer. Große Teile der arbeitenden Bevölkerung wenden sich von denen, die sie schon verraten haben, denen zu, die sie noch nicht verraten haben.

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