Heft 1-2/1999
Juni
1999

Erfahrungen der Geschichte

Keine Festrede zu Mythen und Realitäten der schwedischen Neutralität

Die schwedische Neutralität unterscheidet sich grundlegend von der österreichischen. Gemeinsam ist beiden, daß sie im machtpolitischen Paktsystem der EU keinen Platz haben.

Gewiß kann man eine Festrede über die Neutralität, die schwedische oder österreichische halten. Aber die Geschichte hat einen langen Schwanz. Auch die Tagespolitik wird von den weit zurückliegenden Ereignissen in der Geschichte des Volkes beeinflußt. Wir brauchen uns gar nicht dem Balkan zuzuwenden, um das zu sehen.

Der Nationalcharakter im Sinne von Natur eines Volkes im 19. Jahrhundert ist ein Mythos. Aber es gibt nationale Gesellschaftstraditionen. Zu denen gehört die schwedische volkstümliche Einschätzung der Neutralität.

Wer sich für Schweden interessiert, merkt ziemlich schnell, daß vieles im heutigen Schweden (die Verwendung von Wörtern wie Volk und volkstümlich z.B.) dadurch bedingt ist, daß wir in den Bauernkriegen siegten, in denen die Bauern der deutschen Länder verloren. Dadurch war das Volk — wir — stark genug, den Herren häufig in den ständigen Grenzkriegen zwischen Dänemark und Schweden zu widerstehen. Selbst im Großen Nordischen Siebenjährigen Krieg herrschte formeller und vertraglicher Friede zwischen den Bewohnern der Provinzen Kristiansstad und Värend zu beiden Seiten der umstrittenen Reichsgrenze. Sie weigerten sich — „ohne uns!“ — obwohl der Adel und der König sie in den Krieg zu treiben versuchten. So etwas war nicht üblich unten in Europa, wo die Bauern geknechtet worden waren.

Kulturell — und in unserer Staatsform — sind wir auch nicht ein Teil dessen, was Europa genannt wird. Unsere Kultur ist nicht von Rom, antik oder kirchlich, sondern nordisch (was nichts mit dem merkwürdigen Sprachgebrauch der deutschen Nationalsozialisten zu tun hat). Deshalb auch wird Schweden ständig wegen Vergehen gegen die Menschenrechte vor dem Europäischen Gerichtshof verurteilt. Nicht, weil Schweden gefoltert würden, sondern weil unsere Staatsstruktur eine andere ist.

Anderes liegt noch tiefer. Daß wir in Schweden Verwandtschaft bilateral betrachten, sowohl agnatisch als auch cognatisch, und da es daher keine Klans oder Geschlechter im schottischen oder südeuropäischen Sinne gibt, bedeutet, daß alle in Schweden in wenigen Generationen — sie können ursprünglich Wallonen oder Juden oder Somalier gewesen sein — mit der Verwandtschaft verwandt sind. Das Schwedentum (hört sich auf deutsch sehr merkwürdig an — vielleicht „Schwede sein bedeutet ...“?) bedeutet nicht wie im deutschen Gesetz eine Eigenschaft der Blutsverbundheit, sondern eine soziale Eigenschaft.

NOTO KOSOWAR 3.28
Bild: Reuters

Die Erfahrungen der Geschichte müssen nicht klar bewußt sein, um eine politische Rolle zu spielen. Daß Deutsche — aber nicht Österreicher oder deuschtsprechende Schweizer — im Volk Schwedens unpopulär sind, wissen alle Touristen, umpopulärer in Schweden als in Dänemark, das von deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg besetzt war. Der Grund muß in der Regierungszeit Albrechts von Mecklenburg in Schweden von 1364 bis 1389 gesucht werden. Er brachte deutsche Raubritter nach Schweden mit, die mit dem Faustrecht zu herrschen versuchten. Das ist die grausamste Periode, die der schwedische Bauernstand erlebt hat. Daher auch schrieb der Bauernstand in seine Eingabe vom 29. Februar 1720, daß er die Thronfolge von Prinzgemahl Friedrich von Hessen-Kassel nur anerkennen würde, wenn keine deutschen Herren ihn begleiteten. Wer verstehen will, warum der Widerstand gegen die EU in Schweden so tief und so emotional sein kann, trotz der offiziellen und tosenden EU-Propaganda von Seiten der Regierung und der loyalen Opposition, muß an Albrecht von Mecklenburg denken!

Im schlampigen Sprachgebrauch heißt es manchmal, daß Schweden wie die Schweiz, der Vatikanstaat und Österreich zu den neutralen Staaten in Europa gehöre. Aber die schweizerische Neutralität gründet sich auf den Vertrag von Wien vom 20. März 1815, und die Schweiz ist immer noch vertragsmäßig ein neutraler Staat ebenso wie der Vatikanstaat laut Vertrag von 1929. Österreich war vertragsmäßig neutral seit dem Staatsvertrag vom 15. Mai 1955, der am 26. Oktober 1955 als erster Artikel im Grundgesetz bestätigt wurde. Es war also permanent neutral. (Belgien war auf ähnliche Weise permanent neutral in den Verträgen von 1831 und 1839.) Die schwedische Neutralität war niemals permanent oder garantiert.

Jetzt sind weder Schweden noch Österreich länger formell neutral. Als Mitglieder der EU sind sie Teil — unabhängig davon, daß ihre Politiker in dieser Frage etwas dunkel reden — eines machtpolitischen Paktsystems, das ihnen nur eine begrenzte außenpolitische Bewegungsfreiheit gibt.

Damit kommen wir zu dem, was die schwedische Neutralität genannt wird. Der Ausdruck, dessen sich das schwedische Außenministerium und die schwedischen Politiker zu bedienen pflegten, wenn sie die schwedische Politik erklären, heißt: Allianzfreiheit im Frieden, die auf Neutralität im Krieg abzielt. Das ist etwas verschwommen und es gibt Gründe, sich genauer anzuschauen, was das bedeutet.

Seit der Reichsgründung im frühen Mittelalter hat sich Schweden in einem geopolitischen Spannungsfeld zwischen der Ostmacht, der Kontinentalmacht und der Westmacht befunden. Die wechselten ihre Bezeichnung. Der Westen konnte in den vergangenen Jahrhunderten die Niederlande, England oder die Vereinigten Staaten sein. Die Kontinentalmacht Frankreich oder Deutschland. Die Ostmacht war jedoch ständig russisch; mal stärker, mal schwächer.

Die Versuche des schwedischen — wenig zahlreichen — Hochadels, an dem großen Spiel teilzunehmen, führten Schweden in eine Serie von Kriegen, die allmählich für das Volk und das Reich (das faktisch ein Kleinstaat war) immer unglücklicher verliefen bis hin zur schließlichen Katastrophe, als das Reich gespalten wurde und die östliche Reichshälfte zum Großfürstentum Finnland im russischen Kaiserreich wurde.

Es war der zynische ehemalige Revolutionär und geschickte Realpolitiker Bernadotte, der als Carl XIV Johan von Schweden (und Norwegen) mit der Politik von 1812 den Chauvinismus des Adels beendete und den Kurs änderte. Schweden wurde ein eher kleinbürgerlicher Staat, der vorsichtig und nur auf eigene Rechnung zwischen den Interessen der Mächte kreuzte.

Die Krise zwischen England und Rußland zum Jahreswechsel 1833/34 schien zum Krieg führen zu können. Am 4. Januar gab daher Carl Johan die Neutralitätserklärung ab, die bis in unsere Zeit von Bedeutung war. Sie war mehr eine praktische Erklärung der Allianzfreiheit als der Neutralität von schweizerischem (oder belgischem) Zuschnitt, und außerdem ließ Carl Johan das realpolitische Interesse, England gewisse Vorteile einzuräumen, schwerer wiegen als seine eigene prinzipielle Russenfreundlichkeit.

Dieses vorsichtige Lavieren prägte die Neutralitätspolitik. Im Krimkrieg blieb Schweden neutral, trotz des Monarchen Interesses, das Land in den Krieg gegen Rußland zu ziehen; im preußischen Krieg von 1864 gegen Dänemark war der Skandinavismus die offizielle Ideologie, aber in der Thronrede hieß es, daß das Reich nicht gedächte „sein Schwert in die Waagschale zu legen“, und im Krieg von 1870 erklärte sich Schweden neutral trotz des Wunsches von Carl XV, auf französicher Seite einzugreifen. Nach Preußens Sieg wurde die Neutralität aus machtpolitischen Gründen deutschfreundlich, und Kaiser Wilhelm konnte an den schwedischen König schreiben, daß man nun gemeinsam danach streben sollte, die „Bande fester zu knüpfen, die uns vereinen“.

Vor dem lange vorausgesehenen Ausbruch des Ersten Weltkrieges versuchten insbesondere liberale Politiker, mit dem Lavieren zu brechen und Schwedens Neutralität permanent und garantiert zu machen. Das wurde jedoch vom Reichstag immer wieder abgelehnt (1893, 1894, 1899, 1902, 1912).

NOTO KOSOWAR 3.29
Bild: Miloš Bičanski, Blic

Die Außenministerien in Wien und Berlin rechneten 1914 mit einer schwedischen Teilnahme. Die höheren Klassen und das Königshaus waren prinzipiell deutschfreundlich. Aber auch wenn, so war es an die Tradition und einem starken volkstümlichen Friedenswillen gebunden. Dem deutschen Gesandten in Stockholm, Reichenau, erklärte Gustaf V. bei einem Mittagessen am 26. Juli 1914, daß er wolle, daß Kaiser Wilhelm wisse, daß Schweden unter keinen Umständen auf seiten der Feinde Deutschlands stehen würde. Mehr konnte er nicht auf sich nehmen. Aber er fügte auch hinzu: Ob Schweden zum Angriff auf Rußland schreiten würde, hinge von der Entwicklung der Ereignisse und dem psychologischen Augenblick ab. Weder in Berlin noch in Wien konnte man dies richtig deuten. Man glaubte, daß man nach diesen Worten auf Schweden rechnen könne. Als die schwedische Regierung am 3. August 1914 erklärte, daß Schweden vollständige Neutralität „in diesem Krieg“ einhalten würde, wurde das in Berlin als eine Formalität aufgefaßt.

Anfangs war Schweden auch auf eine vorsichtige Weise beinahe eine nicht-kriegsführende Macht auf seiten der Zentralmächte. So war es z. B. das schwedische Außenministerium, das die chiffrierten Telegramme des Auswärtigen Amtes zu den deutschen Botschaften, wie etwa in Washington, beförderte. Aber bereits nach dem „Wunder an der Marne“ im Herbst 1914, als es der französischen Armee gelang, Paris zu schützen, und die schwedische Militärleitung einsah, daß es weniger selbstverständlich wäre, daß die Zentralmächte siegen würden, wurde die Neutralitätspolitik geändert und Schweden wurde Schritt für Schritt immer mehr neutral.

Der Ablauf vor und während des Zweiten Weltkrieges war ähnlich. Nachdem die schwedische Regierung in den zwanziger Jahren stark an die Politik der Vereinten Nationen gebunden gewesen war, zog auch sie nach dem Abessinienkrieg den Schluß, daß der Paragraph 16 der Vereinten Nationen obsolet wäre und daß Schweden nicht an die kollektive Sicherheit gebunden wäre. Gegen Ende der dreißiger Jahre wurde die Umorientierung immer offensichtlicher. Auf die Westmächte war kein Verlaß, und Großbritannien hatte wieder — genau wie damals, als wir im 18. Jahrhundert seine Alliierten waren — das Ostseegebiet seinem Schicksal überlassen, und es galt, sich selbst um sein Haus zu kümmern. Schweden trug also zur Münchenpolitik bei, indem es international gegen die sowjetischen Versuche agierte, zwischen der Sowjetunion und den Westmächten eine Allianz herzustellen. Der schwedische Außenminister Sandler appellierte am 30. Juli 1939 an die Westmächte, den sowjetischen Verhandlungseinladungen nicht nachzugeben. Man kann sagen, daß die Politik der schwedischen Regierung dazu beitrug, daß Stalin den Schluß zog, die kollektive Sicherheit sei mausetot und daß er um jeden Preis Zeit kaufen müsse und daher den Nichtangriffspakt — und das Abkommen über Einflußsphären — mit Deutschland schloß.

Bei Kriegsausbruch gab Schweden am 1. September und am 3. September eine Neutralitätserklärung ab. Aber Sandler, der die Konsequenzen seiner Politik nicht vorausgesehen hatte — die davon ausgegangen war, daß die Sowjetunion und Deutschland sich im Ostseegebiet die Waage halten würden — hatte bereits im Frühjahr 1939 eine schwedisch-finnische militärische Zusammenarbeit eingeleitet und Schweden verpflichtet — trotz der sowjetischen Proteste — die Alandinseln zu befestigen.

Beim finnisch-sowjetischen Kriegsausbruch versuchte er, ein aktiveres schwedisches Eingreifen auf Finnlands Seite zustandezubringen. Da seine Politik auf diese Weise Schwedens nationalen Interessen zu schaden drohte, wurde er abgesetzt. Zwar war in den oberen Schichten, dem Militär und allen führenden Zeitungen der Kriegswille stark und Schweden schickte viel Hilfe nach Finnland und wurde in der Realität eine „nicht-kriegsführende“ Macht auf Finnlands Seite, aber Ministerpräsident Per Albin Hansson war Kriegsgegner und er hatte „das Ohr dicht am Boden“ — d.h. er kannte den Volkswillen — und die Staatsführung ließ durch den König im Staatsrat erklären, daß Schweden „mit Kummer im Herzen“ von Anfang an Finnland erklärt habe, daß man „nicht auf eine militärische Intervention von Schwedens Seite rechnen könne“.

Per Albin Hansson und der neue Außenminister Günther bemühten sich dann um Frieden zwischen der Sowjetunion und Finnland. Gewisse schwedische Militärs waren über diese — feige, wie sie sagten — Neutralitätspolitik empört und sprachen von der Notwendigkeit eines Staatscoups, aber der wurde von Per Albin Hansson — mit Unterstützung des Königs — vereitelt.

Bild: Miloš Bičanski, Blic
NOTO KOSOWAR 4.18

Unter dem Druck der großen deutschen Siege, der Besetzung Dänemarks und Norwegens, Hollands, Belgiens und Frankreichs sowie des Balkan wich Schweden in Übereinstimmung mit seiner Tradition immer mehr von einer strikten Neutralität ab. Beim deutschen Angriff auf die Sowjetunion begann Schwedens Politik teilweise den Charakter einer nicht-kriegsführenden Macht anzunehmen. Aber die Diskussion — angesichts der deutschen Truppentransporte durch schwedisches Territorium — drehten sich in der Regierung und dem Reichstag darum, inwieweit das Land nachgeben müsse, um nicht in den Krieg hineingezogen zu werden. Der schwedische Oberbefehlshaber General Thörnell wollte zusammen mit anderen hohen Militärs im Sommer 1941, daß Schweden am Kreuzzug gegen die Sowjetunion teilnehmen sollte. Die Staatsführung — Per Albin Hansson — griff unmittelbar dagegen ein und die Generale beugten sich. Sie gehorchten den Befehlen.

Nur sehr begrenzte Kreise waren prinzipiell Hitlerfreundlich. Selbst die äußerste schwedische nationale Rechte, die während der ganzen dreißiger Jahre mit Hitler und Mussolini und Franco sympathisiert hatte, hatte nämlich im Frühjahr 1939 beim Einmarsch in Prag und Tirana erklärt, daß Hitler und Mussolini gegen die Idee des Nationalismus verstoßen hätten und eine Bedrohung für Schweden als Nation darstellten.

Aber vom Herbst 1940 bis zum Herbst 1941 wurde eine Debatte darüber geführt, wie Schweden in einem „neugeordneten Europa“ nach einem damals glaubhaften Sieg Deutschlands überleben könnte. Es muß betont werden, daß diese Diskussion angemessen und unvermeidbar war. Aber im Dezember 1941, als die deutsche Offensive vor Moskau zusammengebrochen und die Rote Armee zum erfolgreichen Gegenangriff übergangen war, zog die schwedische Staatsführung dieselben Schlüsse wie nach der Schlacht an der Marne 1914. Deutschlands Sieg war weniger wahrscheinlich.

Danach — und in dem Maße, wie die schwedische militärische Bereitschaft derart gestärkt wurde, daß es durchaus angemessen war zu sagen, daß ein deutscher Angriff für den Angreifer teurer als lohnend sein würde — wurde die schwedische Neutralität Schritt für Schritt immer neutraler. In den deutschen Propagandasendungen von Radio Königsberg hieß es daher, daß die Schweden Schweine im Smoking wären, die sich weigerten, ihre Pflicht in der Schicksalsstunde der eruopäischen Gemeinschaft zu tun. In der Schlußphase des Krieges trat dann Schweden als „nicht-kriegsführende“ Macht auf Norwegens und Dänemarks Seite gegen Deutschland auf.

Im Kalten Krieg war die schwedische Außenpolitik — wie vom Reichstag mit der überwältigenden Unterstützung des Volkes festgelegt und von der Regierung formuliert — Allianzfreiheit im Frieden, die auf Neutralität im Krieg abzielt. So wie früher konnte sie in der Praxis mal mehr nach der einen oder der anderen Seite schwanken, entsprechend den herrschenden Kräfteverhältnissen. Sie war nicht doppelt. Es gab nur eine Außenpolitik. Aber im Unterschied zur Situation während des Zweiten Weltkrieges, als der Ministerpräsident dem Oberbefehlshaber befohlen hatte, der festgelegten Politik zu folgen, zeigte die höchste Staatsführung Schwäche.

Bild: Miloš Bičanski, Blic
Bild: Ivan Milutinović, Reuters

Gewisse hohe Militärs und gewisse Politiker leiteten entgegen der festgelegten Politik auf eigene Faust eine militärische Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten ein. Eine solche, die nicht nur im Austausch von Informationen bestand, sondern darin, daß Offiziere aus den Vereinigten Staaten in den zentralsten und geheimsten Kommandostellen plaziert wurden, daß schwedische Militärs Diversionisten auf sowjetischem Territorium absetzten, daß schwedische Flugzeuge auf Rechnung der Vereinigten Staaten Spionageaufträge über sowjetischem Territorium durchführten, daß der schwedische Geheimdienst für den amerikanischen Geheimdienst in und um die Sowjetunion arbeitete. Und so weiter.

Die Sowjetunion wußte davon nicht nur durch ihre Spione in der schwedischen Militärleitung — sie zeigte auch in ihren Handlungen, daß sie sich bewußt war, was vor sich ging — sondern sie nahm auch Diversionisten gefangen und „drehte“ sie um, machte sie zu Doppelagenten und sie schoß auch schwedische Flugzeuge mit Spionageaufträgen ab.

Das Gefährliche in dieser Situation war, daß die schwedische höchste Staatsführung sich in jener Zeit als schwach erwies; sie hatte die Vorsichtigkeit Bernadottes vergessen, sie vermochte nicht einzugreifen und ihre Außenpolitik wirklich neutral zu machen, und sie gab damit Rußland, das siebenhundert Jahre lang Schweden mit Mißtrauen angesehen hatte, den casus belli — formeller Grund, militärische Gegenmaßnahmen zu ergreifen, entsprechend der Statuten der Vereinten Nationen, wie es die Vereinigten Staaten in entsprechenden Situationen taten und tun — hätte die Führung der Sowjetunion beschlossen, daß ein solches militärisches Eingreifen ihren langfristigen Interessen gedient hätte.

Nach dem Sieg der Vereinigten Staaten über die Sowjetunion im Kalten Krieg und die Übernahme ihrer alten Rolle als die mächtigste und führende Zentralmacht in Europa durch die Bundesrepublik Deutschland wird die schwedische Politik von einer gewissen Verwirrung geprägt. Viele führenden Politiker treten auf, als gelte die Politik Bernadottes nicht mehr. Was schlimmer ist, sie glauben, daß Rußlands offensichtliche Schwäche und Verwirrung ein bleibender Zustand sei.

Aber so wie die Politiker, die 1945 sagten, daß Deutschland sich nie mehr erheben könne, Unrecht hatten, so haben die Politiker Unrecht, die nicht einsehen, daß Rußland innerhalb einer historisch kurzen Zeit wieder hinreichend mächtig sein wird (in welcher Staatsform, ist unmöglich vorauszusehen) und daß es für Schweden lebenswichtig ist, die drei Machtsphären — Osten, Süden, Westen — auszubalancieren, heute wie auch gestern.

Ich kann nichts anderes sehen, als daß unsere Teilnahme an der EU ein Fehler ist. Wir sind weder kulturell noch politisch ein Teil von diesem Europa. Wir standen außerhalb, seit Karls des Großen Europa und Napoleons Kontinentalsystem bis zu den Versuchen des Ersten und Zweiten Weltkrieges, ein Neuropa zu schaffen. Das waren mehr als nur verschiedene politische Beschlüsse; das ist eine Lebenseinstellung, die unseren grundlegendsten nationalen Existenzbedürfnissen entspricht.

Aber das laut zu sagen, dazu bringt man jetzt nicht einen einzigen schwedischen Politiker!

Noch nicht!

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