FŒHN, Heft 15
Mai
1991

Es wetterleuchtet

Es ist möglich, daß der Leserin, dem Leser das, was in diesem Heft Darstellung der Gegenwart sein sollte, unter dem lesenden Auge schwubidiwupp zur Beschreibung von Vergangenem wird.

Wenn nämlich wahr ist, was der Kurier an einem vollsonnigen Novembertag mir zutrug — und hat der Kurier je Anlaß gegeben, an ihm zu zweifeln? —, dann ist schon alles beschlossen und eingerenkt. Auch für Österreich soll es keine Wurst geben. Völlig überraschend, gewiß, und doch haargenau das, was wir uns immer gewünscht haben. Die über die Kurier-Doppelseite laufende Schlagzeile „Demokratie und Rechtsstaat werden zur verpflichtenden Grundlage künftiger Politik vom Atlantik bis zum Ural“ (22.11.90) ist deutlich genug. Alle Länder Europas, Deutschland, England, Frankreich wie sie alle heißen, Österreich, alle, ohne Ausnahme, sollen (laut der von den großen Männern Europas in Paris mit teuerster Tinte auf teuerstem Papier unterschriebenen „Europäischen Charta“) Demokratien werden.

So wird denn, was hier geschrieben steht, schon bald nur noch von geschichtlichem Interesse sein, auch wenn das Verfallsdatum dieser Wahrheiten noch nicht genau feststeht. Die große Erklärung darüber, daß alle Länder vom Atlantik bis zum Ural Demokratien werden sollen, schweigt sich nämlich aus über das Wann.

Möglich daß es an uns liegt.

Wie ein Ankömmling aus der dreckigen Großstadt an zuviel Bergluft kollabieren kann, so ist für den im Dreck der Propaganda Stehenden die reine Wahrheit vielleicht bereits eine Überdosis. Das Folgende sind ungeschönte aus ihr herausgebrochene Stücke. Hier wird nicht versucht zu vermitteln zwischen dem, was ist und dem, was uns bisher darüber gesagt worden ist. In diesem Heft wird versucht, die Wirklichkeit selbst in Worte zu fassen. Der Blick, der ausharrt, sieht selbst die fixesten Orte wackeln.

Auf den nächsten zweiundzwanzig Doppelseiten laufen vier voneinander getrennte, aufs engste zusammengehörende Geschichten nebeneinander her. Jedes Viertel steht für sich und wird doch erst durch die anderen drei zu einem vollen Ganzen. Es hat keine Dings wo du anfängst mit dem Lesen. Du kannst die Häppchen nacheinander oder durcheinander lesen. In welches Eck du auch schaust: Es wird eng!

Lies dort, wo du dich am wohlsten fühlst.

Es gibt keine richtigen Texte, nur solche, die das Richtige auslösen. Um das, was hier steht, geht es nicht. Es geht um das, was beim Lesen in deinem Kopf passiert. Was du dazudenkst, das ist es. Das Schwarze sind nur Buchstaben Dein Widerspruch bringt die Sache erst voran.

Ob das hier Geschriebene mit dem von dir Gedachten zum richtigen Verhalten führt: Das ist die Probe auf dieses Heft. Nicht die Verkaufszahl.

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