Grundrisse, Nummer 15
September
2005

Immaterielle Arbeit, Subjektivität und Territorialität

Die von den Postoperaisten häufig gebrauchte Kategorie der immateriellen Arbeit bezeichnet Arbeitsformen, wie sie in den Bereichen Werbung, Design, Mode, Informatik und Kultur zum Einsatz kommen. Gemeinsam ist diesen Arbeitsformen, dass durch sie nicht so sehr materielle Waren als deren informationsvermittelnde und kulturelle Eigenschaften produziert werden. Immaterielle Arbeit produziert Wissen, Ideen, Gefühlszustände, Wünsche und Verhaltensweisen, also Subjektivität. [1] Sie zeichnet sich dabei durch einen hohen Grad von Kommunikation und Kooperation aus. [2] Die Kooperations- und Kommunikationszusammenhänge, in denen sich immaterielle Arbeit verwirklichen, sprengen die räumlichen Grenzen des unmittelbaren Produktionsstandorts ebenso wie die zeitlichen der entlohnten Arbeitsstunden. Das in der immateriellen Arbeit zirkulierende Wissen, bei dem es sich nicht nur um Fachwissen oder know how und nützliche Kontakte, sondern vor allem auch um das richtige Gespür für gesamtgesellschaftliche Trends handelt, wird den Postoperaisten zufolge zunehmend zum zentralen Entwicklungsfaktor in der kapitalistischen Weltwirtschaft. [3]

Paolo Virno hat die immaterielle Arbeit zum Begriff der Virtuosität in Beziehung gesetzt. Im herkömmlichen Sprachgebrauch bezieht sich dieser Begriff auf Tätigkeiten, die sich durch einen hohen Grad von Performativität auszeichnen. Virno betont zwei Aspekte der solchen Tätigkeiten zu Grunde liegenden Arbeit: „Es handelt es sich um Arbeit, die […] sich erstens nicht objektiviert, also nicht in ein ,Endprodukt‘ […] übergeht, und zweitens die Anwesenheit anderer erfordert, also nur vor einem Publikum stattfinden kann.“ (Virno 2002, S. 42) [4] Eben dies sind Virno zufolge auch die Eigenschaften der immateriellen Arbeit. Sie bleibt den Kooperations- und Kommunikationszusammenhängen, in denen sie sich verwirklicht, vollkommen immanent, ist also ohne die Interaktion der diese Zusammenhänge konstituierenden Subjekte undenkbar. Die Produktion von Subjektivität ist selbst auf (Inter-)Subjektivität angewiesen. Die Kooperations- und Kommunikationszusammenhänge der immateriellen Arbeit müssen von den Subjekten beständig produziert und reproduziert werden. [5] Eben dadurch, dass diese Zusammenhänge Gegenstand kapitalistischer Verwertung sind, wird auch die Subjektivität zur Wertquelle. [6]

General Intellect

Diese Metamorphose der kapitalistischen Wertschöpfung ist wiederholt zum so genannten „Fragment über die Maschine“ in den „Grundrissen“ (Marx) in Beziehung gesetzt worden. Insbesondere auf den von Marx in diesem Fragment gebrauchten Ausdruck General Intellect wird in Beiträgen zum Begriff der immateriellen Arbeit regelmässig zurückgegriffen. [7] Die Herkunft und genaue Bedeutung des Ausdrucks bleiben umstritten. Bei den Postoperaisten bezeichnet er die Fähigkeit zu intellektueller (analytischer, sprachlich-kommunikativer) Tätigkeit, also die Grundlage der immateriellen Arbeit. Diese Fähigkeit ist einerseits keine vollständig entäußerbare, d. h. nicht von dem sie anwendenden Subjekt zu trennen, andererseits aber eine allgemein menschliche Fähigkeit – also keine private Eigenschaft, sondern etwas, das sich nur innerhalb eines Kooperations- und Kommunikationszusammenhangs entfalten kann. Ausgehend von solchen Überlegungen hat Virno im Fragment über die Maschine eine Polemik gegen jene geistesgeschichtliche Tradition gesehen, die Intellektualität nicht als etwas sich über die gesamte Gesellschaft Erstreckendes, sondern nur als Attribut eines als isoliert vorgestellten Subjekts reflektiert hat. [8]

Tatsächlich spricht Marx im Fragment über die Maschine von den „allgemeinen Produktivkräfte[n] des gesellschaftlichen Hirns,“ denkt also Intellektualität als etwas Kollektives oder über das einzelne Subjekt Hinausreichendes (Marx 1953, S. 586). Andererseits geht aus Marxens Ausführungen aber auch eindeutig hervor, dass er den General Intellect nicht so sehr als die bloße Fähigkeit zu intellektueller Tätigkeit, sondern vielmehr als in das Fixkapital eingegangenes technisches „Wissen und Geschick“ verstanden haben will: „Die Akkumulation des Wissens und des Geschicks, der allgemeinen Produktivkräfte des gesellschaftlichen Hirns, ist so der Arbeit gegenüber absorbiert in dem Kapital und erscheint daher als Eigenschaft des Kapitals, und bestimmter des capital fixe, soweit es als eigentliches Produktionsmittel in den Produktionsprozess eintritt.“ (Marx 1953, S. 586) Während die Postoperaisten also den General Intellect als allgemein menschliches Vermögen verstehen und die Unmöglichkeit seiner Entäußerung betonen, bezeichnet der Begriff bei Marx vielmehr jene spezifischen Kenntnisse, die als entäußerte bereits in das Maschinensystem (Fixkapital) eingegangen sind. Bei den Postoperaisten liegt der Schwerpunkt auf der Angewiesenheit des Kapitals auf die lebendige Arbeit, bei Marx auf der Unterjochung der lebendigen durch die tote Arbeit. „Die Tätigkeit des Arbeiters,“ schreibt Marx, „[…] ist nach allen Seiten hin bestimmt und geregelt durch die Bewegung der Maschinerie, nicht umgekehrt. Die Wissenschaft, die die unbelebten Glieder der Maschinerie zwingt durch ihre Konstruktion zweckgemäß als Automat zu wirken, existiert nicht im Bewusstsein des Arbeiters, sondern wirkt durch die Maschine als fremde Macht auf ihn, als Macht der Maschine selbst.“ (Marx 1953, S. 584)

Die Postoperaisten erkennen durchaus an, dass das Fragment über die Maschine eben genau das ist: eine Reihe von Überlegungen zur Entwicklung des Fixkapitals und nicht zum veränderten Stellenwert der Subjektivität des Arbeiters in der Produktion. Die Postoperaisten leugnen also nicht, dass das Fragment in erster Linie als Ausblick auf die tayloristisch-fordistische Fabrikproduktion zu lesen ist. [9] Dennoch betonen sie, dass der Begriff des General Intellect auch einen wichtigen Ansatz zum Verständnis der immateriellen Arbeit bietet, und zwar insofern, als er dazu einlädt, die kollektive Dimension von Intellektualität zu reflektieren.

Einigkeit besteht bei diesen Theoretikern vor allem auch darüber, dass eine angemessene Analyse der gegenwärtigen (postfordistischen) Entwicklung des Kapitalismus den von Marx vor über einem Jahrhundert zu Papier gebrachten Aufzeichnungen nicht unmittelbar entnommen werden kann. Vielmehr gilt es, Marxens Ansätze weiterzudenken und unter Umständen zu korrigieren. Korrekturbedürftig ist den Postoperaisten zufolge z. B. die im Fragment über die Maschine zwar nicht ausgesprochene, aber implizite These, dass mit der Herausbildung des Maschinensystems weniger gearbeitet wird als zuvor. [10] Christian Marazzi schreibt dazu: „Entgegen allen Theorien, die von einem linearen Kausalzusammenhang zwischen technologischer Innovation und notwendiger Arbeit ausgehen, ist das Quantum der Arbeit nicht zurückgegangen, sondern gestiegen. Die […] im Fixkapital verkörperte Wissenschaft erlaubt es, den industriellen Teil der Arbeit […] zu eliminieren. Parallel zum Rückgang der Industriearbeit steigt aber das Quantum an kommunikativer Arbeit […]. Die Arbeit wird sozusagen ,intellektualisiert‘, […] bleibt dabei aber strapaziöse lebendige Arbeit.“ (Marazzi 1999, S. 68) Gerade diese Beobachtung bildet einen wichtigen Ausgangspunkt für die Theorie der immateriellen Arbeit.

Arbeit als Interaktion

Im Mittelpunkt der von den Postoperaisten angestellten Überlegungen steht, wie bereits ausgeführt, der Begriff eines in Kooperations- und Kommunikationszusammenhänge eingebundenen oder virtuosen Subjekts. Dass diese Kooperations- und Kommunikationszusammenhänge als produktive Arbeitsverhältnisse bestimmt werden, hat weitreichende Konsequenzen. Unter anderem verbietet sich damit jede starre Gegenüberstellung von Arbeit und Interaktion bzw. von instrumentellem und kommunikativem Handeln, wie sie sich z. B. bei Jürgen Habermas findet. Eine solche Gegenüberstellung kann Emanzipation nur als Parallelprozess denken: Erleichterung der physischen Arbeit einerseits, Liberalisierung der gesellschaftlichen Interaktion andererseits. Die Postoperaisten haben nachdrücklich gegen dieses von Habermas heute noch propagierte Emanzipationsmodell polemisiert. [11]

Die Kritik der Postoperaisten an Habermas ist nicht neu. Ein vergleichbarer Gedankengang findet sich bereits bei Hans-Jürgen Krahl. Dieser besteht in einer 1971 veröffentlichten Auseinandersetzung mit Habermas auf der Unhaltbarkeit einer strengen Gegenüberstellung von Arbeit und Interaktion. Habermas wirft Marx in „Erkenntnis und Interesse“ bekanntlich vor, dessen an der Produktion orientierter Praxisbegriff vergesse das Ziel einer „Organisation des gesellschaftlichen Verkehrs, der einzig an herrschaftsfreie Kommunikation gebunden ist“, vernachlässige also das kommunikative zu Gunsten des instrumentellen Handelns (Habermas 1968, S. 72). Krahls Replik besteht darin, das Begriffspaar instrumentelles/kommunikatives Handeln durch den Hinweis zurückzuweisen, dass Marx „stets mit einer gesellschaftlichen Praxis [rechnet], die Arbeit und Interaktion umfasst“ (Krahl 1971, S. 71). Wenn dem aber so ist, dann liegt die theoretische Unzulänglichkeit nicht bei Marx, sondern bei Habermas: „Habermas kann Marx nur um den Preis eines verengten Produktionsbegriffs einen verengten Praxisbegriff vorwerfen, denn Produktion enthält Marx zufolge alle Elemente der gesellschaftlichen Praxis, das Subjekt-Objekt Verhältnis und Intersubjektivität, Arbeit und Arbeitsteilung.“ (Krahl 1971, S. 394)

In diesem Passus besteht der kommunikative Aspekt der Produktion noch allein darin, dass sich Arbeit nicht von ihrer gesellschaftlichen Organisation (Arbeitsteilung) trennen lässt. Es fehlt der unmittelbare Bezug zu der von den Postoperaisten reflektierten vollständigen Identität des instrumentellen und des kommunikativen Handelns in der (immateriellen) Produktion. Anderswo aber kommt Krahl dem Begriff der immateriellen Arbeit sehr viel näher – so z. B. in seiner Polemik gegen Adornos Begriff der Arbeiterklasse. Adornos „resignative Position bis hin zur Aussage von der fixierten Integration der Arbeiterklasse ins kapitalistische System“ ist Krahl zufolge „orientiert an einem traditionellen Begriff des unmittelbaren Industrieproletariats, der eventuell die Formen der Veränderung des Gesamtarbeiters nicht mehr trifft“ (Krahl 1971, S. 295). Diese Veränderungen werden von Krahl dahingehend bestimmt, dass „die Realität des Produktionsprozesses“ nicht mehr mit traditionellen Vorstellungen vom Arbeitsprozess zusammenfällt, da der „Begriff der produktiven Arbeit“ sich „über das Einzelatelier der unmittelbaren Fabrik hinaus erweitert“ und die Produktion ein „enormes Ausmaß an Immaterialität“ erreicht hat (Krahl 1971, S. 295). Auch eine Anspielung auf das Fragment über die Maschine fehlt in diesem zweiten Passus nicht. [12]

Das produzierbare Subjekt

Es soll hier nicht weiter auf Krahls Marxinterpretation eingegangen oder über ihren möglichen Einfluss auf die Postoperaisten spekuliert werden. [13] Wichtiger scheint es, auf einen bedeutenden Unterschied zwischen den von Krahl und den von den Postoperaisten angestellten Überlegungen hinzuweisen: dass nämlich der Begriff der Subjektivität bei Krahl fehlt, bei den Postoperaisten aber eine wichtige Rolle spielt. Die von diesem Begriff in der Theorie der immateriellen Arbeit übernommene Funktion verdient es, näher untersucht zu werden.

Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass der Gebrauch des Subjektivitätsbegriffs seitens der Postoperaisten auf deren Auseinandersetzung mit französischen Theoretikern wie Althusser, Foucault und Deleuze zurückgeht. Ausdrückliche Hinweise auf die zwei letztgenannten Theoretiker finden sich regelmäßig in den postoperaistischen Untersuchungen zur immateriellen Arbeit. [14] Althussers Rolle ist aber, wie hier gezeigt werden kann, nicht weniger zentral. [15]

Kennzeichend für den von den Postoperaisten gebrauchten Begriff der Subjektivität ist, dass diese als produzierbar gedacht wird. Nun spricht Althusser zwar nicht von Subjektivität, sondern vom Subjekt. Über diese Differenz wird am Schluss dieser Arbeit noch zu sprechen sein. Für den Augenblick kann sie mit dem Hinweis übergangen werden, dass das Althussersche Subjekt der postoperaistischen Subjektivität darin analog ist, dass es nicht mehr als sich selbst gleichbleibendes Substrat der inner- und außerweltlichen Erfahrung, sondern als vorläufiges und veränderbares Ergebnis eines Konstitutionsprozesses gedacht wird. Das Subjekt ist für Althusser nicht mehr nur etwas in die Interaktion eingehendes, sondern auch oder sogar primär deren Produkt. [16]

Die wohl bekannteste Formulierung dieses Subjektbegriffs findet sich in Althussers Aufsatz über Ideologie und ideologische Staatsapparate. Dessen Bezug zur Theorie der immateriellen Arbeit mag zunächst zweifelhaft erscheinen. Die orthodox marxistische Unterscheidung zwischen Basis und Überbau, von der Althusser in seinem Aufsatz ausgeht, scheint der Theorie der immateriellen Arbeit insofern zu widersprechen, als diese Theorie gerade die Verlagerung der Produktion in Gesellschaftsbereiche reflektiert, die vormals dem Überbau zugeordnet und somit als der Produktion gegenüber sekundär gedacht wurden. [17] Auch die von Althusser vorausgesetzte Unterscheidung zwischen gesellschaftlicher Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft wird vom Standpunkt der Postoperaisten aus fragwürdig. [18] Ganz anders aber verhält es sich mit dem Hauptteil des Aufsatzes, in dem Althusser Ideologie als in der Interaktion begründeten Prozess der Subjektkonstitution beschreibt.

Ideologie ist Althusser zufolge nicht einfach die Gesamtheit verkehrter, aber zur Reproduktion der Gesellschaft beitragender Vorstellungen (also gesellschaftlich notwendiger Schein im Sinne der Frankfurter Schule). Vielmehr handelt es sich um einen Interaktionsprozess, der es dem Einzelnen durch den Vorgang der Anrufung [interpellation] erlaubt, sich mit einer imaginären Darstellung seiner tatsächlichen gesellschaftlichen Umstände zu identifizieren. Der Einzelne ist Althusser zufolge dann auch Subjekt, wenn er durch sein aus dieser Identifikation folgendes Verhalten zur Reproduktion der gesellschaftlichen Verhältnisse beiträgt. In dem von Althusser gewählten Beispiel wird ein Mann namens Paul durch die in bestimmten Texten und Gebräuchen verkörperten Lehren des Katholizismus als „Schöpfung Gottes“ angerufen, d. h. solcherart mit ihnen konfrontiert, dass er sich als Einzelner angesprochen fühlt. Er erwirbt damit ein durch diese Lehren vermitteltes Selbstverständnis, aus dem sich bestimmte für die Gesellschaft funktionale Verhaltensweisen ergeben.

Althusser betont, dass der von ihm geschilderte Vorgang der Anrufung insofern eine theoretische Fiktion ist, als wir immer schon Subjekte, also unser gesamtes Leben hindurch in ideologische Zusammenhänge eingebunden sind. Für jedes neugeborene Kind steht ein Name bereit, durch den es schon im Taufritual oder bei der Ausstellung der Geburtsurkunde angerufen wird. Funktion der von Althusser als ideologische Staatsapparate bezeichneten Institutionen (Schulsystem, Medien, Kulturbetrieb usw.) ist es, diesen immer schon gegebenen Subjektstatus durch ihre jeweiligen Praktiken fortlaufend zu reproduzieren. [19]

Betonenswert ist an dieser Stelle vor allem der Doppelsinn des Althusserschen Subjektbegriffs: Der Prozess der Subjektkonstitution macht den Einzelnen einerseits zum autonomen Urheber von Urteilen und Handlungen, andererseits aber auch zum Untertan [sujet] bestimmter ideologischer Vorstellungen (Althusser 1995, S. 311). Die Handlungen des Subjekts sind einerseits frei, andererseits aber auch für die Reproduktion der gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse funktional.
Virtuosität und Politik

Althussers Ideologiemodell soll hier nicht einer detaillierten Analyse unterzogen werden, sondern vielmehr als Gegengewicht zu der bei den Postoperaisten meistens sehr positiven Einschätzung der Subjektivierung dienen. Die durch immaterielle Arbeit geleistete Produktion von Subjektivität lässt sich durchaus als ein Prozess der Subjektkonstitution im Althusserschen Sinn verstehen, also als Prozess der Verknechtung [assujettissement]. [20] Es wird dann nicht nur für den Verbraucher der Ware, in die immaterielle Arbeit eingegangen ist, Subjektivität produziert, sondern der Arbeiter wird auch selbst Subjekt für den Betrieb oder Auftraggeber. Insofern kann die Althussersche Analyse der ideologischen Staatsapparate als eine Reflexion über immaterielle Arbeit avant la lettre gelesen werden.

Diese Lesart unterstreicht zunächst einfach, dass immaterielle Arbeit anders als die in der Fabrikproduktion geleistete Arbeit einen unmittelbar politischen Charakter hat. Dieser Sachverhalt wird von den Postoperaisten auch ausdrücklich anerkannt. So schreibt z. B. Virno: „Wo nicht mehr neue Gegenstände, sondern Kommunikationszusammenhänge [situazioni comunicative] produziert werden, beginnt die Politik.“ (Virno 1994, S. 117) Anderswo betont Virno den engen Bezug zwischen Virtuosität und Politik: „Was ist denn die Virtuosität anderes als das Wesensmerkmal des politischen Handelns?“ (Virno 1994, S. 112) Maurizio Lazzarato hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich die Werbebranche, wie im Fall der United-Colors-Kampagne von Benetton, längst in Bereiche vorwagt, die einst den traditionellen politischen Institutionen und den Medien vorbehalten waren. [21]

Althussers Ideologiebegriff mit dem der immateriellen Arbeit in Verbindung zu bringen, bedeutet vor allem aber auch, einen möglichen Schwachpunkt der postoperaistischen Theorien sichbar zu machen. Problematisch ist nämlich, dass das Phänomen einer neuen Identität von Produktion und Politik von den Postoperaisten oft allzu hastig als Moment der Befreiung bestimmt wird. Der Doppelsinn des Althusserschen Subjektbegriffs geht dann insofern verloren, als das Subjekt nur noch in seiner Autonomie, nicht aber in seiner Verknechtung gesehen wird. So z. B. bei Lazzarato: „Der Zyklus der immateriellen Arbeit ist durch eine gesellschaftliche und autonome Arbeitskraft bestimmt, die ihre eigene Arbeit und ihre Beziehungen zum Betrieb selbst zu organisieren vermag. Kein ,wissenschaftliches Management‘ kann über dieses gesellschaftliche Vermögen und diese kreative Produktivität bestimmen.“ (Lazzarato 1997, S. 24)

Lazzarato scheint nicht zu sehen, wie sehr diese Fähigkeit zur Selbstorganisation bei allen Vorzügen gegenüber der tayloristisch-fordistischen Fabrikarbeit noch für die kapitalistische Verwertungslogik funktional zu bleiben droht. Zwar ist der Unternehmer „den Prozessen, durch die Subjektivität produziert wird, zunehmend äußerlich“ (Lazzarato 1997, S. 32). Doch daraus folgt noch nicht, dass sich „der Produktionsprozess außerhalb des Kapitalverhältnisses konstituiert,“ wie Lazzarato an derselben Stelle schreibt. Vielmehr könnte man in Phänomenen wie Mobbing einen Hinweis darauf erkennen, dass immaterielle Arbeit leistende Subjekte sich noch weitgehend über vom Kapitalverhältnis vermittelte (individualistische und egoistische) Werte definieren. Es bedarf also noch eines weiteren Schritts, bevor sich die in der immateriellen Arbeit angelegte Tendenz zur autonomen Kooperation der Produzenten durch einen Bruch mit dem Kapitalverhältnis verwirklichen kann.

Im Gegensatz zu Lazzarato spricht Virno diesen Sachverhalt aus. Der von ihm häufig gebrauchte Begriff Exodus bezeichnet jenen Schritt, durch den sich die immaterielle Arbeit der kapitalistischen Verwertung entzieht. [22] Unter Exodus ist zu verstehen, dass die in den Kooperations- und Kommunikationszusammenhängen interagierenden Subjekte die politische Qualität ihrer Tätigkeit zur Begründung einer „nichtstaatlichen Politik“ nutzen (Virno 1994, S. 98). Das ist bislang nicht geschehen, jedenfalls nicht im größeren Maßstab. Vielmehr sieht Virno in der Expansion der Bürokratie ein Indiz für die wachsende staatlich-kapitalistische Herrschaft über die Prozesse der immateriellen Arbeit. Das aber lässt vermuten, dass die sich vermittels der immateriellen Arbeit vollziehende Produktion von Subjektivität noch weitgehend Subjektkonstitution im Althusserschen Sinne ist, also noch vom Kapital bzw. von den das Kapitalverhältnis reproduzierenden ideologischen Staatsapparaten gesteuert wird.

Der Exodus muss sich also erst noch vollziehen. Es bleibt aber ungeklärt, wie sich unter den gegebenen Umständen eine Subjektivität konstituieren soll, die der kapitalistischen Verwertungslogik nicht mehr funktional ist, die also jene perfide Form von Unterjochung hinter sich lässt, deren Vorstellung dem Subjektbegriff spätestens seit Althusser anhaftet. Die Frage nach der Möglichkeit antagonistischer Subjektivierungsprozesse wird in der Literatur zur immateriellen Arbeit noch viel zu wenig thematisiert. Es handelt sich, einfach gesagt, um die Frage nach dem revolutionären Bruch. Dass es diesen Bruch gegeben hat und wieder geben wird, soll hier nicht bezweifelt werden. Dennoch wäre es nicht falsch, eingehender über seine Bedingungen nachzudenken.

Materialisierung des Immateriellen

Es soll hier die These entwickelt werden, dass eine solche Überlegung, so paradox es klingen mag, vor allem auch auf die materiellen Aspekte der immateriellen Arbeit einzugehen hätte. Althusser betont in seinem Aufsatz über ideologische Staatsapparate, dass der Prozess der Subjektkonstitution immer in materiell existierenden Institutionen (den Staatsapparaten) verankert ist: „Eine Ideologie existiert immer in einem Apparat und in seiner Praxis bzw. seinen Praktiken. Diese Existenz ist materiell.“ (Althusser 1995, S. 299) Félix Guattari hat darauf hingewiesen, dass gerade dieser Aspekt von Althussers Analyse zu vertiefen wäre. [23] Der von ihm und Gilles Deleuze in einem anderen Zusammenhang entwickelte Begriff des Gesichts [visage] löst diese Forderung teilweise ein. [24] Er soll hier in einer ersten Annäherung an das Problem antagonistischer Subjektivierungsprozesse kurz besprochen werden.

In der von Deleuze und Guattari entwickelten Semiotik ist das Gesicht jener materielle Faktor, durch den die in Kommunikationsprozessen freigesetzten Informationsströme eingedämmt und der durch diese Ströme transportierte Sinn fixiert wird. Drei einfache Beispiele sind das Gesicht eines Nachrichtensprechers, das einen Zeitungsartikel begleitende Foto und die Abbildung auf einem Buchumschlag. Alle drei dienen dazu, den in der vermittelten Information angelegten Zweideutigkeiten oder Zweifelhaftigkeiten durch bloße visuelle Suggestivkraft entgegenzuwirken. Der Zusammenhang zwischen dem Begriff des Gesichts und den Theorien der Postoperaisten wird unmittelbar erkennbar, sobald man z. B. an die Werbe- und Medienbranchen denkt. In den dort geschaffenen Kooperations- und Kommunikationszusammenhängen geht es bekanntlich nicht einfach um eine neutrale Vermittlung von Information, sondern vor allem auch um die Verpackung dieser Information. Die Materialität des Gesichts ist hier die von Markenzeichen, Werbespots und Werbefotos. (Der Begriff des Gesichts verweist also in erster Linie nicht auf einen Althusserschen Staatsapparat, sondern auf den Zusammenhang zwischen den materiellen und immateriellen Aspekten bestimmter Waren.)

Die Semiotik von Deleuze und Guattari ist vor allem deshalb für die Analyse der immateriellen Arbeit wertvoll, weil die in der Kommunikation zum Einsatz kommende Gewalt von den beiden französischen Theoretikern stärker betont wird als von den Postoperaisten. Das Gesicht ist ein Moment von Gewalt. Es verhindert ungewollte (für das Kapitalverhältnis problematische) Eindrücke und Informationsauslegungen, steuert also auch die Produktion von Subjektivität. Dass diese Gewalt von Deleuze und Guattari als materiell bestimmt wird, erinnert daran, dass immaterielle Arbeit durchaus in materielle Waren eingeht. Diese müssen natürlich auch materiell produziert werden. Die Informationsströme, die dank der Kooperations- und Kommunikationsprozesse der immateriellen Arbeit zirkulieren, sind also nicht von den in diese Prozesse mit eingehenden materiellen Faktoren zu trennen. Um mit Deleuze und Guattari zu sprechen: Informationsströme verweisen immer auf ein Gefüge [agencement], das materielle Faktoren (die produzierte Ware und die in ihre Produktion eingehende materielle Arbeit, aber auch die materiellen Rahmenbedingungen der immateriellen Arbeit) mit einschließt. [25]

Freilich erschöpft sich der Nutzen der von Deleuze und Guattari entwickelten Semiotik bereits in diesem Hinweis auf den niemals vollständig immateriellen Charakter der Kooperations- und Kommunikationszusammenhänge. Zur Beantwortung der Frage nach der Möglichkeit von antagonistischen Subjektivierungsprozessen genügt der Begriff des Gesichts nicht. Vielmehr ist in diesem Begriff die Gefahr von Analysen angelegt, die entweder zu abstrakt bleiben oder zu schnell konkret werden. Im ersten Fall begnügt man sich mit allgemeinen Überlegungen zum Zusammenhang von Semiotik und Pragmatik, bleibt also bei der bloßen Forderung stehen, die Zirkulation von Information immer in Zusammenhang mit den von dieser Zirkulation vorausgesetzten materiellen Produkten, Apparaten und Praktiken zu sehen. Im zweiten Fall beschäftigt man sich nur noch mit spezifischen Beispielen von Waren, in die sowohl materielle wie immaterielle Arbeit eingegangen ist, interpretiert also einfach bestimmte Markenzeichen, Werbespots usw. Von einer solchen an konkreten Einzelfällen orientierten Untersuchung der Produktion von Subjektivität gelangt man noch nicht unmittelbar zu einer Erklärung der Möglichkeit antagonistischer Subjektivierungsprozesse. [26]

Vor der Aufgabe einer solchen Erklärung drohen vom Begriff des Gesichts ausgehende Analysen also nicht weniger zu versagen als Althussers Theorie der Subjektkonstitution. Man weiß zwar dank Deleuze und Guattari um die Verkettung der materiellen und immateriellen Aspekte der Produktion von Subjektivität, steht aber, wenn es um die Frage des Antagonismus geht, wieder vor Virnos sehr allgemein bleibender Forderung nach dem Exodus. Der konkrete Übergang zum revolutionären Bruch bleibt rätselhaft.

Dennoch befindet man sich mit der Untersuchung dessen, was man als Materialisierung des Immateriellen bezeichnen könnte, bereits auf dem Weg zur Lösung des Problems. Wenn Althusser, Deleuze und Guattari in ihren Analysen die Rolle von materiellen Produkten, Apparaten und Praktiken betonen, bewegen sie sich bereits in Richtung der für die Produktion einer antagonistischen Subjektivität zentralen Frage nach dem Territorium der immateriellen Arbeit, also in Richtung der Frage nach der geografischen Verteilung der Produzenten und dem spezifischen Charakter der Produktionsstandorte, an denen immaterielle Arbeit geleistet wird. Die Frage nach dem Territorium ist in erster Linie eine praktische, d. h. eine Organisationsfrage. Die Auseinandersetzung mit ihr kann aber, wie sich zeigen wird, durchaus auch theoretisch fruchtbar sein.

Lokale und globale Territorialität

Unter Territorium ist hier einfach der materielle Raum zu verstehen, in dem sich das Kapitalverhältnis realisiert, also der Ort, an dem der Antagonismus zwischen Kapital und lebendiger Arbeit unmittelbar ausgetragen wird. Das Territorium ist der Ort der Produktion. Im Fordismus war er leicht ausfindig zu machen: Es handelte sich um die im Fragment über die Maschine beschriebene Fabrik. Wie fordistische Fabrikarbeit räumlich organisiert ist – nämlich entsprechend der Logik der von Foucault beschriebenen Disziplinargesellschaft – ist heute hinreichend bekannt. [27] Gerade das Wissen um die spezifischen Merkmale dieser räumlichen Organisation der Arbeit garantierte bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein den Erfolg der klassischen Widerstandsformen des fordistischen Massenarbeiters: Fabrikstreik und Sabotage. Wie aber verhält es sich mit der Territorialität der immateriellen Arbeit?

Einerseits gehen in der immateriellen Arbeit die für die fordistische Produktion kennzeichnende massive Konzentration von Arbeitern an einzelnen Produktionsstandorten ebenso wie das darin angelegte Subversionspotenzial verloren. Andererseits hat aber auch die immaterielle Arbeit ihre spezifische Form von Ortsgebundenheit, wie Saskia Sassen in ihrer Untersuchungen zu den globalen Städten nachgewiesen hat. [28] Immaterielle Arbeit findet zwar nicht in fordistischen Fabriken statt, setzt aber ebenfalls einen gewissen Grad der Konzentration von Arbeitern an bestimmten Standorten voraus. Diese Standorte sind die von Sassen untersuchten Metropolen. Die bekanntesten Beispiele sind postindustrielle Städte wie New York, London und Tokyo. Sassen hat in ihrer Studie dieser Städte nachgewiesen, dass sich moderne Dienstleistungsunternehmen vor allem deshalb dort ansiedeln, weil sie trotz der sprunghaften Entwicklung der Kommunikationstechnologie großen Wert auf räumliche Nähe zu ihren Kunden und Geschäftspartnern legen. Antonella Corsani, Maurizio Lazzarato und Antonio Negri haben in einem ähnlichen Zusammenhang gezeigt, dass es z. B. für die meisten französischen Modeunternehmen außer Frage steht, sich an einem anderen Standort als Paris anzusiedeln. Corsani, Lazzarato und Negri haben die französische Metropole als ein „Bassin der immateriellen Arbeit“ bestimmt, das durch seine ausgereifte Infrastruktur und seine hohe Konzentration an für immaterielle Arbeit rekrutierbaren Proletariern einen bevorzugten Standort für Unternehmen darstellt, deren Wertschöpfung in erster Linie über solche Arbeit verläuft. [29]

Mit der Erkenntnis des engen Zusammenhangs zwischen immaterieller Arbeit und Metropole stelllt sich die (praktische) Frage nach eventuellen Berührungspunkten zwischen den Anliegen des neuen intellektuellen Proletariats und der Stadtteilarbeit. Wenn sich die Ausbeutung der immateriellen Arbeit im Territorium der Metropole vollzieht, dann ist es nahe liegend, auch den Widerstand gegen diese Ausbeutung dort zu organisieren. Als Konsequenz ergibt sich unter anderem, dass es für das intellektuelle Proletariat nur wünschenswert sein kann, jene politisch-sozialen Inhalte zu thematisieren, für die sich in den Stadtteilen eine breite Basis gewinnen lässt (z. B. Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen, Anhebung der Miet- und Transportpreise). Setzt man eine wohl überlegte Strategie voraus, ist es durchaus vorstellbar, dass die Anwesenheit eines intellektuellen Proletariats in bestimmten Stadtteilen zum Motor eines breiten Widerstands wird. [30] Dieser wiederum könnte als Grundlage für den Aufbau autonomer, nichtstaatlicher Verwaltungsstrukturen, also als Ausgangspunkt eines gesamtgesellschaftlichen Exodus dienen. [31]

Natürlich hat man dadurch, dass man die praktische Möglichkeit eines Exodus konstatiert, noch nicht seine Voraussetzungen in den Subjektivierungsprozessen aufgezeigt. Man gelangt auf diese Weise noch nicht zu einer Lösung des hier behandelten theoretischen Problems. Es ist aber lohnenswert, die sich aus der Territorialität der immateriellen Arbeit ergebenden organisatorischen Probleme noch etwas genauer zu betrachten. Sie führen, wie sich gleich zeigen wird, schnell zurück in die Theorie.

Wer die Metropole als Schauplatz eines möglichen Exodus bestimmt, muss auch zur Kenntnis nehmen, dass ein solcher Exodus ein Bewusstsein gemeinsamer Interessen voraussetzt, das z. B. in den von Sassen untersuchten Metropolen keineswegs immer vorhanden ist. Schon dem gelegentlich von den Postoperaisten diskutierten Projekt des städtischen Generalstreiks oder Metropolenstreiks stehen beträchtliche Hindernisse gegenüber, von Einkommensgefällen über kulturelle Differenzen und Sprachbarrieren bis hin zum Rassismus. [32] Jener Kooperation autonomer Subjekte, in der Virno die Grundlage des Exodus sieht, ist also die tatsächliche Spaltung des metropolitanen Gesamtsubjekts entgegenzuhalten. [33] Die postoperaistischen Theoretiker, die sich am intensivsten mit konkreten Organisationsfragen auseinandergesetzt haben, sind sich des Problems durchaus bewusst. So schreibt z. B. Andrea Tiddi: „Die prekären Arbeiter stehen einander gegenüber, ohne sich zu erkennen. […] Und doch leben sie gleichzeitig in ein und demselben Raum, dem der Metropole.“ (Tiddi 2002, S. 303) Ein ähnliches Szenario wird von Sandro Gobetti beschworen: „Noch erscheint die Vielheit des metropolitanen Präkariats [la moltitudine del precariato metropolitano] als eine unendliche, meist noch viel zu kommunikationsarme Ansammlung zur Arbeit genötigter Einsamkeiten – ausgebeutet, schlecht bezahlt, rechtelos, nur selten den Raum und die Zeit findend, um Konflikt, neue Sprache und Ausdrucksmöglichkeiten für die eigenen Wünsche zu produzieren.“ (Gobetti 2002, S. 252)

Die postfordistische Metropole ist also ein von vielfältigen Trennlinien durchzogener Raum – ein gekerbter Raum, um mit Deleuze und Guattari zu sprechen. [34] Mike Davis hat dies konkret am Beispiel von Los Angeles ausgeführt. [35] Seine Studie bestätigt die These Sassens, dass gerade die Konstitution eines Bassins der immateriellen Arbeit mit einer drastischen Verschärfung der die Metropole durchziehenden Trennlinien einherzugehen pflegt. Interessant ist, wie dieser Sachverhalt von den Postoperaisten theoretisch verarbeitet worden ist.

Negri hat in einem 2002 am Soziologieinstitut der Universität Cosenza-Arcavacata gehaltenen Vortrag über „Produktion von Subjektivität zwischen Krieg und Demokratie“ auf eine Unterscheidung aus der Imperialismustheorie zurückgegriffen und die für postindustrielle Metropolen kennzeichnende extreme Spaltung zwischen armen und reichen Stadtteilen als Herausbildung lokaler Zentren und Peripherien bestimmt. [36] Er hat auch darauf hingewiesen, dass diese Entwicklung in Zusammenhang mit der zunehmenden Militarisierung städtischer Polizeiaktionen zu interpretieren sei – und die Parallelen zwischen lokaler und globaler Territorialität damit zweifach betont. [37]

Es steht außer Zweifel, dass sich der Postfordismus tatsächlich durch eine immer deutlicher werdende Homologie zwischen polizeilicher und militärischer Praxis auszeichnet. [38] Das ist deshalb in diesem Zusammenhang von Interesse, weil die postfordistische (oder postmoderne) Kriegführung einen engen Bezug zur immateriellen Arbeit aufweist, der von den Postoperaisten seit dem NATO-Einsatz in Yugoslavien auch zunehmend thematisiert worden ist. [39] Zunächst ist hierbei natürlich an die zunehmend zentrale Rolle der Medien in der gegenwärtigen Kriegführung zu denken, also an das, was Negri die „Virtualisierung des postmodernen Krieges“ nennt (Negri 2003, S. 153). [40] Es zeigt sich bei der militärisch durchgesetzten Neuaufteilung des globalen Raums aber auch wieder der enge Bezug zwischen immaterieller Arbeit und Territorialität. Durch den Krieg werden, wie Negri schreibt, nicht nur „neue Grenzen gezogen“, sondern auch „neue Subjektivitätskonstellationen [agglomerati di soggettività] produziert“ (Negri 2003, S. 154). Der geopolitische Eingriff, den der Krieg darstellt, beinhaltet also auch Subjektivierungsprozesse. Er impliziert das „Vermögen, Subjektivität zu produzieren“ (Negri 2003, S. 150). Die Frage nach der Territorialität der immateriellen Arbeit führt somit zurück zur Frage nach der Produktion von Subjektivität.

Tendenz, Antagonismus, Praxis

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es sich bei den über den Krieg verlaufenden Subjektivierungsprozessen in erster Linie um die Produktion einer furchtsamen Subjektivität handelt, die sich für eine militaristische Politik instrumentalisieren lässt. Im Mittelpunkt des allabendlich über das Gesicht des Nachrichtensprechers verlaufenden Subjektivierungsprozesses steht daher auch nicht zufällig der Feindbegriff: „Der Feind wird beständig heraufbeschworen, beständig neu erfunden. Paradoxerweise darf er nicht besiegt werden. Wenn er besiegt wird, muss es sofort einen neuen geben.“ (Negri 2003, S. 150) Der Feind ist, um einen weiteren Begriff aus der von Deleuze und Guattari entwickelten Semiotik zu gebrauchen, der Subjektivierungspunkt [point de subjectivation] der medialen Praxis.

Der Begriff des Subjektivierungspunkts entstammt einem Text, in dem Deleuze und Guattari sich explizit auf Althussers Theorie der Subjektkonstitution beziehen. [41] Der Subjektivierungspunkt ist jene Vorstellung, auf die alle zum Prozess der Subjektkonstitution beitragenden Praktiken verweisen, und deren Reproduktion im Bewusstsein des Angerufenen wiederum konkrete Verhaltensweisen zur Folge hat. (In dem von Althusser gewählten Beispiel – der Anrufung des Katholiken Paul – ist Gott der Subjektivierungspunkt.)

Die Untersuchung führt also zurück zu Althussers Theorie der Subjektkonstitution – d. h. aber zu einer Theorie, die das Subjekt als immer schon verknechtet, also als bloßes Produkt der Staatsapparate denkt. An dieser Stelle wird die Unzulänglichkeit von Althussers Ansatz erkennbar. Gerade das Problem des Krieges zeigt auf, was bei Althusser ausgeklammert bleibt: der Konflikt. Um das besser zu verstehen, muss nun auch geklärt werden, warum Althusser (anders als Deleuze, Guattari und die Postoperaisten) durchgehend vom Subjekt und nicht von Subjektivität spricht, also eine Theorie der Subjektkonstitution und nicht der Subjektivierung entwirft.

Althussers Theorie der Subjektkonstitution läuft auf die These hinaus, dass es kein der Anrufung vorhergehendes Subjekt geben kann. Daraus erklärt sich auch, dass Althusser stets von der Anrufung eines Einzelnen [individu] spricht. Der Einzelne wird erst durch die Anrufung zum Subjekt. Zugleich betont Althusser aber, wie schon erwähnt, dass dieser Einzelne eine theoretische Fiktion ist, da die Subjektkonstitution immer schon stattgefunden hat. Daraus kann man nur schließen, dass durch die Staatsapparate, sofern sie weiterarbeiten, tatsächlich nicht Einzelne, sondern Subjekte angerufen werden. Dann ist es aber sinnvoller, nicht von Subjektkonstitution, sondern von Subjektivierung oder Produktion von Subjektivität zu sprechen – also nicht von der Entstehung von Subjekten, sondern von der Veränderung der den bereits vorhandenen Subjekten jeweils eigenen Subjektivität. Es scheint, dass Althusser diesen Schritt nur deshalb nicht unternimmt, weil er Wert auf den Doppelsinn des Subjektbegriffs legt, also die Unterjochung des Subjekts durch die Ideologie betonen will.

Wenn aber nicht ein Einzelner, sondern ein Subjekt durch einen Staatsapparat angerufen wird, dann ist darin die Möglichkeit eines Konflikts angelegt. Denn während der Einzelne per definitionem immer nur das passive Substrat des über die Anrufung vollzogenen Prozesses der Subjektkonstitution ist, kann ein bereits konstituiertes Subjekt die Anrufung prinzipiell auch abweisen. An dieser Stelle wird der Begriff des Staatsapparats unhaltbar. Mann muss entweder argumentieren, dass die einzelnen Staatsapparate so perfekt aufeinanderabgestimmt sind, dass jeder von ihnen nur Subjekte oder Subjektivitäten produziert, die für eine Anrufung seitens der anderen Staatsapparate offen sind, sich diesen anderen Staatsapparaten gegenüber also gerade nicht wie Subjekte verhalten, sondern wie Einzelne (was schlichtweg nicht plausibel ist und jedenfalls mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet), oder aber man akzeptiert, dass die Staatsapparate auch gegeneinander arbeiten können (was zwar plausibler ist, aber der ursprünglichen Intention widerspricht, da damit der von Althusser angenommene wesentlich einheitliche Charakter des Staats verloren geht).

Am sinnvollsten scheint es, Félix Guattaris Wink zu folgen und nicht mehr von Staatsapparaten, sondern von Kollektiveinrichtungen zu sprechen. Anders als beim Begriff des Staatsapparats wird damit die Möglichkeit einer nichtstaatlichen Öffentlichkeit (und damit auch die eines Konflikts zwischen staatlicher und nichtstaatlicher Öffentlichkeit) anerkannt. Erst so werden antagonistische Subjektivierungsprozesse denkbar. Man steht dann nicht mehr vor dem Problem, den möglichen Konflikt zwischen den von Althusser als Staatsapparaten bezeichneten Einrichtungen mit der Einheitlichkeit der Staatskategorie zur Deckung zu bringen. Der Staat ist keine alles kontrollierende Totalität mehr, sondern es gibt Kollektiveinrichtungen, die in der Lage sind, sich gegen den Staat zu richten. Sie können antagonistische Subjektivierungsprozesse einleiten oder zumindest den Verlauf von für das Kapitalverhältnis funktionalen Subjektivierungsprozessen komplizieren, wenn nicht gar vollends blockieren.

Negri schreibt: „Wir konstituieren uns selbst […] als Subjekte. Es geht also nicht nur um die Macht und ihre Fähigkeit, Subjektivität zu produzieren, sondern auch und sogar vor allem um die Antwort auf diese Macht, um den Widerstand der Subjekte. Widerstand kann man nur leisten, wenn man sich selbst als Subjekt zu konstituieren vermag. Nur in diesem Sinne lässt sich von Konstitutionsstrategien, von einer genealogischen Konstitution des Subjekts, von Exodus sprechen.“ (Negri 2003, S. 146)

Hier macht sich Negri insofern einer terminologischen Unklarheit schuldig, als er nicht streng genug zwischen Subjektkonstitution und Subjektivierung unterscheidet. Daraus, dass er von Widerstand spricht, lässt sich aber schließen, dass Negri auf das hinaus will, was hier als antagonistischer Subjektivierungsprozess bestimmt worden ist, also auf eine von Staat und Kapitalverhältnis autonome bzw. gegen diese gerichtete Subjektivierung. Unter Bezugnahme auf das Spätwerk Foucaults bezeichnet Negri eine solche antagonistische Subjektivierung als ethischen Akt. In der Ethik als Praxis der autonomen Subjektivierung ist die Möglichkeit des Exodus angelegt. [42]

Man kann „Ethik“ für eine mehr oder weniger glückliche Begriffswahl halten. Der Begriff soll, wie er von Negri und anderen Postoperaisten gebraucht wird, gewiss nicht das bezeichnen, was man im Religionsunterricht vermittelt bekommt. Es geht nicht um bestimmte Inhalte oder Werte, sondern um jene Prozesse, durch die Subjektivität unabhängig von Staat und Kapital, und unter Umständen auch gegen sie, konstituiert wird. Diese Prozesse sind, wie hier immer wieder betont worden ist, materiell verankert. So hat Franco Piperno z. B. in den Sozialzentren [centri sociali] Italiens eine Grundlage für jene Subjektivierungsprozesse erkannt, die Negri unter der Kategorie der Ethik reflektiert: „Das Sozialzentrum ist eine Wahlgemeinschaft, die sich gegen die erzwungene Gemeinschaft der Fabrik und die natürliche Gemeinschaft der Familie absetzt. Noch vor dem sozialen, politischen und kulturellen Widerstand kommt der ethische, der die Lebensweise betrifft.“ (Piperno 1999, S. 51)

So, wie die Althussersche Anrufung über materielle Praktiken verläuft, benötigt also auch ihre Verweigerung eine materielle Basis, einen materiellen Rückhalt. Antagonistische Subjektivierungsprozesse vollziehen sich nicht im luftleeren Raum, sondern sie setzen materielle Kollektiveinrichtungen voraus. Die über eine Vielzahl italienischer Metropolen verteilten Sozialzentren sind tatsächlich eines der vielversprechendsten Modelle für solche Kollektiveinrichtungen. Nicht zufällig sind die neuen italienischen Bewegungen der 90er Jahre, allen voran die Tute Bianche (Weissen Overalls), aus den seit den 70er Jahren besetzten und selbstverwalteten Sozialzentren hervorgegangen.

Die Sozialzentren stellen eine erste Form der Wiederaneignung des Territoriums dar, durch die den oben besprochenen lokalen Spaltungsmechanismen entgegengearbeitet, durch die also der Exodus vorbereitet werden kann. [43] Wenn dies, insbesondere angesichts der im globalen Territorium sich abzeichnenden Entwicklungen, noch nicht genügt, ist es dennoch ein guter Anfang. Es zeigt jedenfalls, dass antagonistische Subjektivierungsprozesse in der immateriellen Arbeit dann möglich sind, wenn die in dieser Arbeit zum Einsatz gebrachten Kooperations- und Kommunikationszusammenhänge das Territorium neu zu definieren beginnen.

Die Konstitution einer materiellen Basis für den Exodus ist ein praktisches Problem. Die hier angestellten Überlegungen verstehen sich lediglich als Klärung einiger theoretischer Grundlagen. Sie verstehen sich darüber hinaus aber auch als Antwort auf den häufig anzutreffenden Vorwurf, die Postoperaisten sähen überall nur die Arbeiterautonomie, niemals aber die ihr entgegenstehenden Repressionsmechanismen. Die Betonung der Arbeiterautonomie seitens der Postoperaisten stellt durchaus einen begrüßenswerten Aspekt ihrer Analysen dar. Der postoperaistische Standpunkt ist immer noch dem vorzuziehen, den Althusser in seiner Theorie der Subjektkonstitution zu vertreteten scheint – und der, einmal zu Ende gedacht, stark an das Gesellschaftsbild Adornos erinnert. Mit anderen Worten: Es ist lohnenswerter, die Möglichkeiten autonomen Handelns aufzuzeigen, als immer nur die Allmacht des Kapitals zu betonen. [44]

Der Vorwurf einer unrealistischen Einschätzung des sich aus den Veränderungen der Produktionsweise ergebenden Subversionspotenzials wurde den Postoperaisten schon gemacht, als sie noch Operaisten hießen. Er hing damals mit einem zweiten Vorwurf zusammen: dem einer Vernachlässigung konkreter Probleme zu Gunsten allgemeiner Tendenzen. So musste sich z. B. Antonio Negri bereits in einer 1974 veröffentlichten Streitschrift mit der Anschuldigung auseinander setzen, er verliere die Alltagsprobleme des Massenarbeiters auf Grund eines übermäßigen Interesses an gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen aus dem Blickfeld und kompensiere die daraus folgende Allgemeinheit seiner Analysen durch reduktiv-idealistische Vorstellungen von Antagonismus und Widerstand. [45] Negris Antwort bestand in dem Hinweis, dass es immer dann angebracht ist, über allgemeine Tendenzen nachzudenken, wenn diese nicht als starre Gesetze, sondern als Möglichkeitsrahmen und damit auch als Mittel zur Eröffnung eines weiteren theoretischen Horizonts behandelt werden. Schließlich werden konkrete Probleme erst innerhalb eines solchen Horizonts in ihrer ganzen Komplexität begreifbar. Ähnlich sind Ausführungen über Antagonismus und Widerstand genauso lange nicht Ausdruck eines abgehobenen Idealismus, wie sie im Zusammenhang mit der Entwicklung eines in der Praxis umsetzbaren Kampfprogramms gebraucht werden.

Damit ist auch schon alles über den gegenwärtigen Stand der Theorie der immateriellen Arbeit gesagt. Sie ist potenziell eines der wertvollsten Instrumente, das dem antistaatlichen Denken zur Verfügung steht. Um aber wirklich subversiv sein, muss sie aus der Perspektive eines praktischen Widerstands weitergedacht werden. Arbeiterautonomie und Exodus sind in der Tendenz des Übergangs vom Fordismus zum Postfordismus angelegte Möglichkeiten und antagonistische Subjektivierungsprozesse sind prinzipiell möglich. Sie werden aber erst durch eine von den materiellen Verhältnissen im Territorium ausgehende Praxis real.

Zitierte und im Text erwähnte Literatur

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[1Unter Subjektivität ist ein jeweils bestimmter Zusammenhang von Zeitbewusstsein, Raumbewusstsein, Affektprozessen und Reflexionsvermögen zu verstehen, der die Wahrnehmung einer Umwelt, ihre begriffliche Auslegung und das zielgerichtete Handeln in ihr ermöglicht. Spezifische Subjektivitäten zeichnen sich durch die Kontinuität der ihnen eigenen Wahrnehmungsweisen, die relative Gesetzlichkeit ihrer Affektprozesse und den regelmäßigen Rückgriff auf einen weitgehend gleichbleibenden Begriffsapparat aus. Solche spezifische Subjektivitäten können mehreren Subjekten gemeinsam sein. Als Beispiele lassen sich die verschiedenen Formen von religiöser, wissenschaftlicher oder politischer Subjektivität anführen. Unter Subjekt wird in dieser Arbeit ein Urheber von Aussagen und Handlungen, unter Subjektkonstitution die Entstehung eines Subjekts und unter Subjektivierung die Konstitution oder Produktion einer bestimmten Form von Subjektivität zu verstehen sein.

[2Um es mit Maurizio Lazzarato zu sagen: immaterielle Arbeit kann sowohl unter ihrem extensiven wie unter ihrem intensiven Aspekt betrachtet werden. Im ersten Fall liegt der Schwerpunkt auf der Kooperation, im zweiten auf der Kommunikation (Lazzarato 1997, S. 88).

[3Siehe dazu vor allem Marazzi 1999. Der Erfolg von Unternehmen, die Produktions- und Distributionsaufgaben an Subunternehmen delegieren, um sich fast ausschließlich auf Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zu konzentrieren, ist ein Indiz für die zunehmende Wichtigkeit der immateriellen Arbeit. Ein von italienischen Theoretikern gelegentlich herangezogenes Beispiel ist Benetton (Lazzarato 1997, S. 58). Ein anderes Beispiel aus der Modebranche wäre Nike, ein Konzern, der seinen Erfolg weitgehend einer wohlüberlegten und aufwendig betriebenen Marketingstrategie verdankt. Auch die global operierenden Dienstleistungsunternehmen, die von dem hohen Grad an kultureller und professioneller Vernetzung in den von Saskia Sassen untersuchten global cities profitieren, betreiben immaterielle Arbeit (Sassen 1991). Hinzu kommen natürlich die in der Informatikbranche aktiven Unternehmen, von multinationalen Konzernen wie Microsoft bis zu den zahllosen Kleinbetrieben. Die Liste ließe sich problemlos erweitern. Es muss aber vor allem auch daran erinnert werden, dass die meisten Produzenten, die immaterielle Arbeit leisten, an keinen festen Arbeitsplatz und somit auch an keinen einzelnen Betrieb gebunden sind. Immaterielle Arbeit wird weitgehend von Selbstständigen oder prekär Angestellten geleistet, die sich ad hoc und oft nur für die Dauer eines einzelnen Auftrags zu kleinen Gruppen zusammenschließen (Corsani/Lazzarato/Negri 1996). Lazzarato hat mit dem Hinweis auf den „hyperausgebeuteten“ Charakter solcher Arbeit von der Entstehung „intellektueller Proletarier“ gesprochen (Lazzarato 1996, S. 137).

[4Alle Übersetzungen aus fremdsprachlichen Texten stammen vom Verfasser.

[5Das Stichwort Callcenter genügt, um daran zu erinnern, wie entwürdigend und strapaziös solche Interaktion sein kann, wenn sie unter dem Zwang einer streng hierarchischen Arbeitsorganisation geleistet wird. Der zermürbende Charakter solcher Arbeit ist nicht zuletzt durch die Stresserkrankungen belegt, die sie häufig hervorruft. Zum servilen und strapaziösen Charakter der immateriellen Arbeit in ihrer heutigen Form siehe Virno 1994, S. 93-94 und Marazzi 1999, S. 68.

[6Auch hier mögen die Callcenter als Beispiel dienen. Es ist dort eine gängige Praxis, längere Vorstellungsgespräche zu führen, um Stimme und Tonfall der Bewerber zu bewerten. Damit wird die Persönlichkeit des Bewerbers zu einem viel wichtigeren Auswahlkriterium als in anderen Wirtschaftsbereichen. In der Persönlichkeit eines Menschen drückt sich seine im Verlauf seiner bisherigen Lebenszeit konstituierte Subjektivität aus. Insofern erhellt dieser Sachverhalt auch die postoperaistische These, dass die Unterscheidung zwischen Lebenszeit und Arbeitszeit in der immateriellen Arbeit zunehmend hinfällig wird (Lazzarato 1997, S. 68-69). Ganz allgemein lässt sich sagen, dass die Verbreitung von Callcentern die von Marx in den Theorien über den Mehrwert noch vertretene Ansicht, Dienstleistungstätigkeiten seien nicht produktiv, unhaltbar macht. Zu den betreffenden Stellen bei Marx siehe Virno 1994, S. 91-93.

[7Siehe z. B. Virno 1994, S. 94-98.

[8Siehe Virno 2002, S. 26.

[9Siehe z. B. Virno 1994, S. 95, wo die hier erwähnte Differenz zwischen den von Marx und den Postoperaisten formulierten Thesen klar ausgesprochen wird.

[10Diese These geht aus Marxens Ausführungen über die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals und den tendenziellen Fall der Profitrate hervor. Deren Zusammenhang mit dem Fragment über die Maschine ist offenbar.

[11Siehe z. B. Marazzi 1999, S. 32. Eine frühe und besonders explizite Formulierung der von Habermas zum Ausgangspunkt genommenen Unterscheidung zwischen Arbeit und Interaktion findet sich in Habermas 1968. Dort ist auch der (hier nicht näher untersuchte) Einfluss des frühen Hegel deutlich erkennbar. Die bisher ausführlichste Formulierung der Position von Habermas findet sich in Habermas 1981.

[12Krahl spielt auf Überlegungen an, „die Marx z. B. angestellt hat in den Grundrissen oder auch in einigen Kapiteln in den Theorien über den Mehrwert“ (Krahl 1971, S. 295).

[13Dennoch ist es erwähnenswert, dass z. B. Antonio Negri in seinen Texten aus den 70er Jahren wiederholt auf Krahl verweist. Vgl. z. B. Negri 1997b, S. 310. Dort wird Krahls „Konstitution und Klassenkampf“ als ein Buch bezeichnet, „dessen Wichtigkeit im Laufe der Jahre zunimmt.“

[14Siehe z. B. Lazzarato 1997, S. 32.

[15Wichtige Anregungen zu den hier über Althusser angestellten Überlegungen verdanke ich „Spinoza in Francia“, einem unveröffentlichten Manuskript von Andrea Benino (Universität Turin). Aus der umfangreichen Sekundärliteratur zu Althussers Subjektbegriff seien außerdem die Beiträge in Callari/Ruccio 1996 erwähnt. Einer dieser Beiträge stammt von Antonio Negri (Notes on the Evolution of the Thought of the Later Althusser, S. 51-68). Die hier untersuchten Zusammenhänge zwischen Althussers Subjektbegriff und der Theorie der immateriellen Arbeit werden darin allerdings nur am Rande berührt.

[16Eine wichtige Quelle für diesen Subjektbegriff ist der 13. Lehrsatz des 2. Teils der Ethik, wo Spinoza das Individuum als einen zusammengesetzten Körper bestimmt, der nichts ist als der vorübergehende und veränderbare Strukturzusammenhang kleinerer Körper. Siehe Spinoza 1999, S. 125-140. Spinoza spricht zwar nicht ausdrücklich vom Subjekt oder von Subjektivität. Dennoch lässt sich der erwähnte Lehrsatz als Grundriss eines prozessualen (also nicht substantiellen oder cartesischen) Subjektbegriffs auslegen. Siehe dazu Althusser 1994, Balibar 1997 und Negri 1981.

[17Siehe dazu Hardt/Negri 2003, S. 204: „Basis und Überbau erscheinen nicht länger als separat, auf einer vertikalen Achse angeordnet. Sie haben sich vielmehr gegenseitig durchdrungen. Das zeigt sich am ständigen Austausch zwischen Politik und Wirtschaft. Der Überbau wird sozusagen produktiv.“ Die postoperaistische These von der tendenziellen Identität von Politik und Produktion wird im folgenden, „Virtuosität und Politik“ überschriebenen, Abschnitt dieser Arbeit eingehender besprochen werden.

[18Das ergibt sich schon daraus, dass bestimmte Formen von Reproduktion (z. B. Kulturgenuss) traditionellerweise dem Überbau zugeordnet werden. Wenn der Überbau produktiv wird, dann gilt dies folglich auch von solchen Formen der Reproduktion.

[19Dass diese (nicht immer öffentlichen) Institutionen als Staatsapparate bezeichnet werden, setzt natürlich einen erweiterten Staatsbegriff voraus, wie ihn außer Althusser z. B. auch Johannes Agnoli vertritt: „Der moderne Staat fällt heute auch mit anderen Instanzen zusammen, die zu seiner heutigen Struktur gehören: Parteien, Unternehmerverbände, Gewerkschaften, Massenmedien und all jene Apparate, die in unserer Zeit die ökonomischen Interessen und die sozialen Bedürfnisse der Klassen und der Gruppen in Politik umsetzen“ (Agnoli 1975, S. 23). Bekanntlich wird ein solcher erweiterter Staatsbegriff auch von den Postoperaisten gebraucht. Vgl. dazu die von Hardt und Negri vertretene These über das Absterben der Zivilgesellschaft (Hardt/Negri 1994, S. 218-262).

[20Hier kann wieder das Beispiel der Callcenter herangezogen werden. Wer im Callcenter arbeitet, bekommt in der Regel einer fertigen Text („Guten Tag, meine Name ist … von der Firma …“), den er am Telefon abzulesen oder aufzusagen hat. „Angerufen“ ist dann aber nicht nur der als möglicher Kunde Kontaktierte, sondern auch der im Callcenter Arbeitende.

[21Lazzarato hat zur Erklärung dieses Sachverhalts den Begriff des politischen Unternehmers [imprenditore politico] geprägt und diesen anhand des Beispiels von Berlusconi erläutert. Siehe dazu Lazzarato 1997, S. 58.

[22Siehe dazu Virno 1994, S. 98-99.

[23Siehe dazu Guattari 1977, S. 170-171. Guattari schlägt auch vor, die von Althusser als ideologische Staatsapparate bezeichneten Institutionen einfach als „Kollektiveinrichtungen“ [équipements collectifs] zu bezeichnen.

[24Siehe dazu Deleuze/Guattari 1980, S. 144-45, 205-221.

[25Oben wurde auf Lazzaratos Unterscheidung zwischen dem extensiven und dem intensiven Aspekt der immateriellen Arbeit (Kooperation und Kommunikation) verwiesen. Dass immaterielle Arbeit auch eine materielle Dimension hat, ist in dieser Unterscheidung bereits implizit. Kooperation und Kommunikation sind immer materiell. Sie setzen entweder die räumliche Nähe der Subjekte zueinander oder einen materiellen Kommunikationsapparat und eine materielle Infrastruktur voraus, die das Fehlen dieser räumlichen Nähe kompensieren – ob es sich nun um das Telefonnetz handelt oder um das Stromnetz, das die ans Internet angeschlossenen Computer speist. Hier kündigt sich bereits das Problem der Territorialität an, von dem gleich noch zu sprechen sein wird.

[26Der Begriff des Gesichts lässt unweigerlich an verschiedene Formen des subversiven Umgangs mit Werbung und Medien denken, kann die Möglichkeit einer solchen Subversion aber nicht erklären. Diese theoretische Lücke ist gerade deshalb so irritierend, weil sie das Faktum einer äußerst vielfältigen Praxis kommentarlos übergeht. Guattari selbst war bekanntlich ein enthusiastischer Befürworter der im Italien der 70er Jahre von Radiosendern wie Radio Alice betriebenen „Informationsguerrilla.“ Siehe dazu Guattari 1977, S. 378-380 und Gruber 1989. In der jüngeren Vergangenheit hat es zudem immer wieder subversive Aktionen gegeben, die geradezu darauf warten, durch eine erweiterte Version der von Deleuze und Guattari entwickelten Semiotik theoretisch aufgeschlüsselt zu werden. Es seien hier nur die Internetaktionen der Tute Arancioni in Italien erwähnt. (Die Tute Arancioni oder Orangen Overalls sind Angestellte des für sein oranges Firmenlogo bekannten Internetunternehmens Matrix. Ihnen ist es dank des gezielten Einsatzes von Webseite und Logo des Unternehmens gelungen, ihre Vertragsforderungen – Deckung von Reisekosten, Stärkung des Kündigungsschutzes – sehr schnell publik zu machen. In der Folge wurden diese Forderungen von verschiedenen Teilen der Römer Stadtbevölkerung aktiv unterstützt. Siehe dazu das anonyme Interview in der im Oktober 2002 erschienen Ausgabe der Zeitschrift Posse, S. 58-63.)

[27Foucault hat seinen Begriff der Disziplinargesellschaft bekanntlich anhand einer historischen Analyse des modernen Gefängnisses entwickelt. Deleuze hat darauf hingewiesen, dass sich diese Analyse, mutatis mutandis, auch auf andere Institutionen wie Schulen, Kasernen und Fabriken anwenden lässt. Ausgehend von dieser Interpretation haben die Postoperaisten in Foucaults Theorie der Disziplinargesellschaft eine Analyse des Fordismus gesehen und die Ergebnisse von Foucaults Recherche in erster Linie auf die Fabrikproduktion angewandt. Siehe dazu Foucault 1975, Foucault 1976, S. 179-188, Deleuze 1990 und Virno 2002, S. 83-84.

[28Siehe Sassen 1991 und 1999.

[29Siehe Corsani/Lazzarato/Negri 1996. Dieser Problemkreis wurde bereits in der zwischen 1976 und 1978 an der Architekturfakultät der Universität Mailand erschienenen operaistischen Zeitschrift Quaderni del territorio eingehend behandelt. Antonio Negri hat in einem 2002 erschienenen Artikel über immaterielle Arbeit in der Metropole auf die Wichtigkeit der in den Quaderni veröffentlichten Untersuchungen verwiesen (Negri 2002, S. 314).

[30Beverly J. Silver hat in einer am 1. 6. 2005 im Berliner Mehringhof gehaltenen Diskussion daran erinnert, dass schon die nordamerikanische Textilproduktion des späten 19. Jahrhunderts eine relativ diffuse räumliche Verteilung aufwies, die Kämpfe der Texilarbeiterinnen aber immer dann erfolgreich waren, wenn ihre Verknüpfung mit ortsgebundenen Kämpfen gelang. Es scheint, dass die Möglichkeit einer solchen Verknüpfung auch für das intellektuelle Proletariat der zeitgenössischen Metropolen besteht. Es wäre interessant, die Streiks der Pariser Transportarbeiter im Winter 1995-1996 unter diesem Gesichtspunkt zu analysieren. Die Streikforderungen wurden bekanntlich von Obdachlosen, Arbeitslosen und illegalen Einwanderern (sans papiers) mitgetragen. Vgl. dazu Negri 2002, S. 313-317.

[31Eine Reihe vorläufiger, teilweise aber schon recht konkreter Überlegungen zu diesem Projekt finden sich im Manifest der italienischen Immaterial Workers of the World (Che te lo dico a fare?), zu lesen in DeriveApprodi VIII (18), S. 30-39. Siehe auch die in derselben Ausgabe abgedruckten Kommentare verschiedener Theoretiker aus der italienischen Bewegung (S. 41-95) und das in DeriveApprodi IX (19), S. 3-7 abgedruckte Diskussionspapier (Se non ora, quando?).

[32Zum Metropolenstreik siehe Negri 2002, S. 316.

[33Diese Spaltung kennzeichnet natürlich auch die Situation an den einzelnen Arbeitsplätzen. Man denke an die unterschiedliche Entlohnung der in den Callcentern angestellten Arbeiter und an den strategischen Einsatz verschiedener Vertragsformen seitens der Unternehmer.

[34Zum Begriff des gekerbten Raums siehe Deleuze/Guattari 1980, S. 592-625 und Casey 1997, S. 301-308.

[35Siehe Davis 1990.

[36Siehe Negri 2003.

[37Siehe Negri 2003, S. 151-153. Vgl. auch Negri 2002, S. 314-316.

[38Man denke in diesem Zusammenhang an Rudolph Giulianis Zero-Tolerance-Kampagne in New York. Dass die Militarisierung städtischer Polizeiaktionen längt kein rein US-amerikanisches Phänomen mehr ist, geht aus den gegenwärtig z. B. von der deutschen CDU vorgebrachten Forderungen nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inland ebenso hervor wie aus dem in Berlin mittlerweile regelmässig praktizierten Gebrauch von Kampfhubschraubern zur Verfolgung von Graffittisprayern.

[39Siehe z. B. Bonomi/Revelli 1999 (zum NATO-Einsatz in Yugoslavien) und Berardi 2002 (zur US-amerikanischen Invasion Afghanistans). Der NATO-Einsatz in Yugoslavien wurde von Revelli noch als paradoxe Koinzidenz von postfordistischer Kriegstechnologie und archaisierendem Nationalbewusstsein gedeutet (Bonomi/Revelli 1999, S. 144). Drei Jahre später, also während der Invasion Afghanistans, zeichnete sich für Berardi bereits das mögliche Ende der Ära der immateriellen Arbeit und die erneuerte Hegemonie der „old economy“ von Öl- und Rüstungsindustrie ab (Berardi 2002, S. 121). Es scheint, als seien beide Autoren damit in die Falle getappt, vor der in dieser Arbeit gewarnt worden ist: nämlich der einer allzu hastigen Abstraktion von den materiellen Grundlagen der immateriellen Arbeit. Um es auf eine einfache, vielleicht etwas zynische Formel zu bringen: Auch die am Computerbildschirm oder am Telefon geleistete immaterielle Arbeit ist auf eine materielle Infrastruktur angewiesen, deren langfristiger Erhalt ein Interesse an der Sicherung des Zugriffs auf Erdölvorkommnisse im kaspischen Meer und im Mittleren Osten impliziert. (Zur Rolle, die das US-amerikanische und mitteleuropäische Interesse an den kaukasischen Erdölvorkommnissen bei der Vorbereitung des NATO-Einsatzes in Yugoslavien gespielt hat siehe Zolo 2000, S. 52-55.)

[40Man denke an die von Hollywood und CNN in Kriegszeiten übernommene Propagandafunktion, aber auch an die während der westlichen Kriegseinsätze des letzten Jahrzehnts sich häufenden (freilich fast immer als Unfälle kaschierten) Angriffe auf Fernsehstudios und Journalisten. Aus den zahlreichen Arbeiten zum Zusammenhang von Krieg und Medien sei hier nur Mowlana/Gerbner/Schiller 1992 erwähnt.

[41Siehe dazu Deleuze/Guattari 1980, S. 161-163.

[42Siehe Negri 2003, S. 145: „Die Ethik betrifft die Weise, in der sich jeder selbst als moralisches Subjekt konstituiert.“ Als Beispiel für einen aus autonomen Subjektivierungsprozessen sich ergebenden Widerstand erwähnt Negri den Aufstand von Seattle (Negri 2003, S. 146).

[43Natürlich gibt es noch andere Formen, die eingehender zu untersuchen sich lohnen würde. Als erste, freilich noch recht zaghafte Modelle der Wiederaneignung der Metropole seien hier Critical-Mass-Fahrraddemonstrationen und die verschiedenen mit der Londoner Reclaim-the-Streets-Kampagne verbundenen Aktionsformen erwähnt. Siehe dazu Gobetti 2002, S. 255-57 (zu Critical Mass) und 252-267 (zu Reclaim the Streets). Gobetti betont, dass z. B. Critical Mass ein wirksames Mittel zur (vorübergehenden) Überwindung der die postfordistische Metropole durchziehenden Spaltungslinien darstellt: „[Critical Mass richtet sich gegen] die Einbuchtungsgesellschaft, die Hauptverkehrsadern, das zwischen Arbeitsplatz und Arbeitsweg eingeschlossene Leben“ (Gobetti 2002, S. 256).

[44Siehe dazu Cleaver 2000, insbesondere S. 23-80. Zu welch eklatant unterschiedlichen Methodologien und Schlussfolgerungen die von der Frankfurter Schule und den Postoperaisten vertretenen Ansätze führen, ließe sich z. B. anhand eines Vergleichs der in dieser Arbeit erwähnten Texte von Marazzi, Virno und Lazzarato mit Alfred Sohn-Rethels Studie zum Zusammenhang von geistiger und körperlicher Arbeit aufzeigen (Sohn-Rethel 1989). Sohn-Rethels Studie ist Adornos Programm einer „Anamnese der Genese“ verschrieben und damit wesentlich historisch orientiert. Die Trennung von Hand- und Kopfarbeit wird anhand einer soziologischen, wirtschafts- und geisteswissenschaftlichen Untersuchung erklärt, die oft in platten technologischen Determinismus zu verfallen droht. Fragen der Subjektivität werden nur am Rande behandelt, und dann unter dem Gesichtspunkt eines vermeintlichen Automatismus der historischen Entwicklung. (Marxens „Sie wissen es nicht, aber sie tun es.“) Auf den „Wandel von den Produktivkräften der Mechanik und der Lohnarbeit zu denen der Elektronik und der Automation“ wird nur flüchtig angespielt (Sohn-Rethel 1989, S. 126). Seine Konsequenzen (die von ihm eingeleitete Tendenz) werden nicht weiter untersucht.

[45Siehe dazu Negri 1997a, S. 48-52.

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