Heft 3-4/2005
Juni
2005

Liebe Leserin, lieber Leser!

Nach langer Zeit des Ringens und Kämpfens ist es uns gelungen, die neue Ausgabe der Context XXI zu produzieren. Material hatten wir genug, auch den Willen und die Unterstützung, um schon im Juni zu erscheinen — allein es fehlte das Geld. Es ging sich dann doch irgendwie aus; aber nachdem immer noch viele AbonnentInnen die Context XXI zwar beziehen und lesen, nicht alle aber dafür bezahlen, werden wir bei der Produktion der nächsten Ausgaben wohl vor ähnlichen Problemen stehen.

Sämtlichen widrigen materiellen Verhältnissen zum Trotz liegt das neue Heft nun vor Ihnen. Allem vorangestellt ist eine Erstveröffentlichung von Felix Mitterer, der in seiner „ESRA Lesung“ am Individuum den Umgang Österreichs mit Opfern des Nationalsozialismus zeigt.

Im Schwerpunkt versucht diese Ausgabe, dem Getöse, das das „Gedankenjahr“ (W. Schüs­sel) in Österreich, der Schweiz und Deutschland verursacht, die kritische Ratio entgegenzustellen. Elisabeth Kübler beschäftigt sich mit dem My­thos vom „Opferstaat Österreich,“ das immer noch in zu vielen Köpfen herum­spukt. Ähnlich zäh ist das revisionistische Bild von PartisanInnen als „Mördern“ oder die diskursive Konstruktion der so genannten Benes-Dekrete als „Un­recht gegen Deutsche,“ wie Judith Götz und Stefanie Ma­yer argumentieren. Erik Fürst hält in seinem Kommentar die Rede, die Bundespräsident Heinz Fischer nie halten kann. Auch die Schweiz dreht sich die Vergangenheit nach eigenem Belieben zurecht, wie Nicole Burgermeister und Alexander Hasgall meinen. Zwar löste in den 1990ern ein kritischeres Geschichtsbild das Mythos der Schweiz als „Hort der Humanität mitten im kriegsgeschüttelten Europa“ ab, die antisemitische Flüchtlingspolitik der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges wird allerdings nach wie vor beschönigt. Ines Garnitschnig und Nicole Bur­germeister behandeln ein gegenwärtiges Phänomen des repressiven Staates, konkret die immer schärfer werdende Asylgesetzgebung in der Schweiz und in Österreich.

Mary Kreutzer widmet sich in mehreren Artikeln dem chilenischen Ex-Präsidenten Salvador Allende, der immer als Vorbild für die Linke galt, der aber — wie Victor Farías herausfand — besonders kruden völkisch-rassistischen Thesen anhing. Der Antizionismus in der KPD der 1920er Jahre steht im Zentrum des Artikels von Olaf Kistenma­cher. Jutta Sommerbauer schreibt über den um sich grei­fenden Nationalismus in Bulgarien, Kaveh Azadi berichtet von den Kontinuitäten der politischen Situation im Iran nach den jüngsten „Wahlen“ und Thomas Schmidinger interviewte im Irak Abdulla Mohtadi, den Generalsekre­tär der Komala, der größten linken Untergrundpartei in Iranisch-Kurdistan, zum Wiedererstarken des Islamismus in Kurdistan.

Das Heft beschließt ein literarischer Teil. Alexander Emanuely behandelt in seinem Text den Kulturtheoretiker Carl Einstein, daneben schreibt Eveline Goodman-Thau über Walter Benjamin. Benjamin Rosendahl rezensiert den Film „Walk on Water“, eine deutsch-israelische Zu­sammenarbeit von Regisseur Eytan Fox. Dimitre Dinev schreibt in „Von Menschen und Fledermäusen“ über das Gefühl, fremd in Österreich zu sein.

Die Illustrationen in dieser Ausgabe kommen von Lilo König, einer Schweizer Künstlerin und ehemaligem Mitglied der Produzentengalerie (PRODUGA), einer in den 70er Jahren gegründeten linken selbstverwalteten KünstlerInnen­gruppe, die es sich zum Ziel gemacht hat, kritische Kunst zu fördern und auszustellen. Die Ausstellung „Unschick­liches an einem Stück“ war dem damaligen Ensemble des Neumarkttheaters unter Peter Schweiger gewidmet, für die solidarische Unterstützung während der Neumarktbesetzung in Zürich durch Kur­dische Flüchtlinge. Ansonsten ist sie Bibliothekarin an der Technischen Hochschule ETH Zürich, Mitbegründerin der Menschenrechtsgruppe „augenauf Zürich“ und Mit­glied der Gruppe „Gegen Antisemitismus und Antizionis­mus Zürich.“ Die im Heft abgedruckten Bilder gehören mit Ausnahme des Bildes auf Seite 29 der Reihe „Bilder gegen Rassismus“ an.

Schließlich obliegt es mir noch darauf hinzuweisen, dass die Produktion einer Zeitschrift wie der Context XXI eines enormen finanziellen Aufwands bedarf, dass wir uns deswegen über neue AbonnentInnen freuen, dass es für den Weiterbestand der Context XXI vor allem aber auch an Ihnen und Ihrer Bereitschaft liegt, liebe Leserin und lie­ber Leser, auch tatsächlich regelmäßig für die Kosten Ihres Abonnements mittels Überweisung aufzukommen!

Als neue koordinierende Redakteurin versuche ich die Arbeit von Katrin Auer so fortzuführen, dass die Context XXI auch weiterhin eine kritische Zeitschrift bleibt, die gegen Antisemitismus, Rassismus und Sexismus schreibt. Somit wünsche ich Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!


Kathi Renner
koordinierende Redakteurin
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