FORVM, Philosophie im Kontext
Oktober
2018

Martin Heidegger und die „Rechtsphilosophie“ der NS-Zeit

Detailanalyse eines unbekannten Dokuments (BArch R 61/30, Blatt 171)

Dieser Text ist die ursprüngliche und ungekürzte Fassung (diese, jedoch mit den Anmerkungen als Fußnoten auf jeweils der selben Seite, lässt sich unter https://philpapers.org/archive/NASMHU.pdf herunterladen) des Aufsatzes Den Völkermördern entgegengearbeitet? – erschienen am 11. Juli 2018 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, S. N 3 [1] – siehe das Faksimile unten.

Die Autor_Innen, deren These die Kritik galt, sandten der FAZ eine Replik, die dort nicht erschien, aber hier: „Den Völkermördern entgegen gearbeitet“ von Sidonie Kellerer und François Rastier

Abstract

In the debate about Heidegger’s commitment to National Socialism is often referred to his membership in the „Committee for the Philosophy of Right“ of the „Academy for German Law“ that was founded by then „Reichsminister“ Hans Frank in 1934. Since the protocols of the Committee were destroyed and there is no relevant information in other writings, nothing can be said about the frequency and content of the meetings. It is only documented that the committee was dissolved in 1938. However, in the past year the philosopher Sidonie Kellerer and the semiotician François Rastier referred to a document that, they say, proves that Heidegger was in the committee until 1941/42 and that the latter participated „in practice“ (Rastier) in the Holocaust. The said document was depicted for the first time in the above mentioned FAZ publication and will be analysed in the present essay. It is exluded in it that the document proves the continuity of the „Committee for the Philosophy of Right“ until 1941/42 or even the participation mentioned. It is rather possible to conclude in the frame of high probability that in the document were listed only the names and addresses of possible experts for the conversion of the Civil Code into a „Volksgesetzbuch“. The allegation of the committee’s participation in the Holocaust is rejected as being untenable.

In der Debatte um das Engagement des Philosophen Martin Heidegger für den Nationalsozialismus wird oft auf seine Mitgliedschaft in dem vom damaligen Reichsminister Hans Frank gegründeten „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ innerhalb der „Akademie für Deutsches Recht“ verwiesen, der 1934 gegründet wurde. Da die Protokolle des Ausschusses zerstört wurden und auch in anderen Schriften keine diesbezüglichen Angaben zu finden sind, lässt sich nichts über die Häufigkeit und den Inhalt der Tagungen sagen. Es ist nur belegt, dass der Ausschuss 1938 offiziell aufgelöst wurde. Im vergangenen Jahr, im September 2017, referierten die Philosophin Sidonie Kellerer und der Linguist François Rastier jedoch auf ein Schriftstück, das belege, dass Heidegger bis 1941/42 in dem Ausschuss war und dieser auch „in der Praxis“ (Rastier) am Holocaust teilgenommen habe. Das Schriftstück wurde in der obigen Publikation der FAZ erstmals abgebildet und wird hier im Detail analysiert. Dabei kann begründeter­maßen ausgeschlossen werden, dass das besagte Dokument den Fortbestand des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“ oder die genannte Teilhabe belege. Nach hinreichender Analyse muss vielmehr in dem Rahmen hoher Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass dort nur Namen und Adressen von potentiellen Gutachtern für die Umwandlung des BGB in ein „Volksgesetzbuch“ aufgelistet wurden. Der Vorhalt einer Teilhabe des Ausschusses am Holocaust wird als ganz unhaltbar zurückgewiesen.

Bekanntlich wird der Kampf um die Meinungshoheit in der Frage, inwieweit Heideggers Gedanke vom Nazismus durchdrungen ist und inwieweit er selbst in der NS-Zeit von der Theorie zur Tat schritt, mit harten Bandagen geführt, und die Gründe dafür sind leicht einzusehen. Denn wenn eine Strategie der verklärenden Selbstdarstellung über Jahrzehnte eine solche Anerkennung findet, dass sie die Biographien und die Rezeption eines Philosophen darin beherrscht, dessen Verwicklung in den Nationalsozialismus fälschlicherweise als einen nur anfänglichen und nach wenigen Jahren schon überwundenen Irrtum zu präsentieren, dessen geistige Gründe auch keinen Widerschein im Werk dieses Denkers zulassen, schließlich auch seinen konstant und dauerhaft belegbaren Antisemitismus rundheraus leugnet, dann ist sicher nur eine entsprechend wuchtige Replik oder gar eine Phalanx der Repliken dazu geeignet, die Festung solcher tradierten Geschichtsverzerrungen in der gebotenen Weise niederzureißen. Im Fall des Seinsphilosophen und NSDAP-Mitglieds haben, eher zaghaft zu Beginn der 1960er Jahre von G. Schneeberger eingeleitet, Historiker und Philosophen mit großem Einsatz dafür gesorgt, dass Vertuschungen und Verdrehungen nach und nach der dokumentierten Faktenlage wichen, wobei u. a. H. Ott, J.-P. Faye, V. Farías, D. Morat und R. Mehring zu nennen sind.

Spätestens mit der Publikation der „Schwarzen Hefte“ ab dem Jahr 2014 herrscht in der Forschung auch seltene Einigkeit darüber, dass Heidegger trotz seiner teils freundlichen Beziehungen zu jüdischen Kolleginnen und Kollegen ein nationalistischer Antisemit war, wobei über den näheren Charakter seiner Überzeugung, dass nicht-jüdische Deutsche allen anderen Völkern überlegen seien, weiter debattiert wird. Und eingedenk der Nachhaltigkeit und der Raffinesse, mit der selbst seine explizit antisemitischen Aussagen noch heute von einem darin recht versierten Zirkel innerhalb der weit verbreiteten Gemeinde der Heideggerianer in ihr Gegenteil verkehrt werden, ist es verständlich, dass nicht nur auf der Seite der Verteidiger, sondern auch auf jener, die den propagandistischen Teil der Heidegger-Saga als eine solche erweisen, bisweilen über das Ziel hinausgeschossen wird. Seit einiger Zeit ist allerdings zu beobachten, dass diese Form der Attacke selbst zu einer Strategie populistischer Schnellschüsse und verkehrender Zuschreibungen wird. Zu diesem Phänomen stellte D. Thomä schon 2015 fest: „Allgemein ist mein Eindruck, dass die pauschale Heidegger-Kritik, die das geschlossene Bild eines zunächst implizit, dann explizit totalitären Denkers zeichnet, an einer seltsa­men Identifikation mit dem Aggressor leidet. Diese Kritiker sind in einer Weise – negativ – auf Hei­degger fixiert, wie dies sonst nur – positiv – bei Heidegger-Jüngern zu betrachten ist. (…) So benut­zen sie auch die gleichen fragwürdigen Methoden, die Heidegger selbst (…) einsetzt, und drehen sie gegen ihn. (…) Man wähnt sich auf der sicheren Seite, in einem Bollwerk des Richtigen und Guten.“ [3]

Inzwischen genügt in dieser negativen Fixierung auf Heidegger ein vager Anfangsverdacht, um den ganz zu recht vielerlei geistiger Delikte für schuldig befundenen Philosophen auch bezüglich solcher Vorwürfe zu verurteilen, die nur sehr mäßig oder gar nicht belegbar sind – oder die sich sogar recht gut widerlegen lassen. Es ist zu einer Frage der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Jäger oder der Verteidiger geworden, ob einem Vorhalt reflexartig zugestimmt, ob er von denselben in der Presse verstärkt und auch ohne nähere Prüfung als solcher einfach propagiert oder vielmehr ebenso von einem eher durch den Geist des Kampfes als durch jenen der Forschung bestimmten Ehrenkodex der Widerrede abgestritten wird. Und es muss nunmehr auch in Betracht gezogen werden, dass der „Fall Heidegger“ und jedes vermeintliche oder tatsächliche neue Argument dazu, gerade solche Art Aufmerksamkeit sichert, die auch aus anderen Gründen gut dazu geeignet ist, die obligatorische wissenschaftliche Skepsis auf eine nächste Publikation zu verschieben – Nazi Heidegger sells!

Als neues Schlachtfeld dazu ist seit einiger Zeit ein Ausschuss in der „Akademie für Deutsches Recht“ ausgemacht, an dessen Gründungssitzung Heidegger im Mai 1934, nach seinem Rücktritt als Rektor der Freiburger Universität, teilgenommen hatte. Der „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ war eine der zahlreichen Unterorganisationen der „Akademie“, die von Hans Frank, dem „Reichsführer des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes“ und späteren „Generalgouverneur“ im besetzten Polen, im Jahr 1933 gegründet und seitdem von ihm geleitet worden war, und diente, wie diese, auch dazu, seinen hohen und dann unerfüllten Erwartungen bezüglich seines Einflusses im NS-Staat durch ein weiteres Forum gerecht zu werden. [4] Frank, der bei der Vergabe des Justizministeriums leer ausgegangen und von seinem frühen Kampfgefährten Hitler mit dem Posten eines „Reichsministers ohne Aufgabenbereich“ abgespeist worden war, wollte mit dem „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ die selbstgestellte Aufgabe erfüllen, „das nationalsozialistische Programm im künftigen Recht zu verwirklichen.“ Zu diesem Ausschuss sind nur wenige Dokumente vorhanden, da alle Protokolle dazu zerstört worden sind [5] – nicht einmal einer der Punkte einer Tagesordnung ist belegt oder durch andere Aufzeichnungen oder Aussagen bekannt. Dieser Mangel an Quellen zu den im „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ erörterten Themen hat jene, die Heidegger über seinen Nazismus hinaus auch als NS-Täter entlarven wollen, jedoch nicht daran gehindert, eine Zuständigkeit und einen Einfluss dieses Gremiums zu behaupten, der bei Historikern und Rechtshistorikern keinerlei Rückhalt findet.

Die Wege der Beweisführung nehmen dabei regelmäßig die Form kühner Gratwanderungen mit allzu gewagten Sprüngen an. Das war beispielsweise der Fall, als der Linguist François Rastier und die Philosophin Sidonie Kellerer in einem gemeinsamen Schreiben den Versuch unternahmen, einen Leserbrief zu widerlegen, den Heideggers Sohn Hermann am 6. 8. 2015 der „Zeit“ geschrieben und in dem er bestritten hatte, dass sein Vater ein Antisemit gewesen sei. Dazu zitierten nun Rastier und Kellerer einige antisemitische Aussagen Heideggers und dessen Verwendung des Wortes „Halbjude“ in einem Brief vom 7. 2. 1935 an Kurt Bauch [6] und konstatierten: „Die Bezeichnung verweist auf die Nürnberger Rassegesetze von 1935, die Heidegger vertraut waren“, was mit dem besagten Briefzitat erst belegt werden sollte. [7] Nun wurden die Nürnberger Gesetze erst im September 1935 verfasst, und wenn eine besondere juristische Vertrautheit mit dem zu dem Zeitpunkt der Niederschrift des Briefes noch nicht formulierten Gesetzestext nachgewiesen werden soll, so ist die Verwendung der Bezeichnung „Halbjude“ gerade dazu wenig geeignet, da es sich um einen volkstümlich-rassistischen Begriff handelte, der in den Nürnberger Gesetzen in dieser Form nicht erwähnt wurde: das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ unterschied zwischen „Juden“ und „jüdischen Mischlingen“. Wenn Heidegger gegenüber Bauch von „Halbjuden“ spricht, so zeigt das zwar allemal, wie sehr er diese Erfindung der NS-Rassentheorien für richtig hielt, doch eine intime Fachkenntnis der späteren juristischen Terminologie wird dadurch eher widerlegt. Dem Zitat im Brief an Bauch aber schließen Rastier und Kellerer eine Behauptung an, für die dasselbe gilt, was die Autoren dort Hermann Heidegger vorhalten, dass „deren regelmäßige Wiederholung nichts an ihrer Unwahrheit“ ändere. Der Schluss wird zunächst mit einer zutreffenden Feststellung eingeleitet: „Dass Heidegger rassische Kategorien geläufig waren, ist auch deshalb wenig überraschend, da er ab Mai 1934 Mitglied im Ausschuss für Rechtsphilosophie war, dem u.a. auch Alfred Rosenberg, Carl Schmitt und Julius Streicher angehörten.“ Dann die ganz unhaltbare, doch oft wiederholte Mitteilung zum Schluss: „Der Ausschuss wirkte maßgeblich an der Vorbereitung der Nürnberger Gesetze mit.“ [8] Schon 2005 und 2009 hatte E. Faye mit dem Hinweis auf einen Text von V. Farías [9] etwas ganz ähnliches behauptet: Farías habe dort gezeigt, daß Heidegger sich auch nach seinem Rücktritt vom Rektorat 1934 wieder engagiert habe und zwar „beispielsweise durch seine aktive Teilnahme (…) an einem Ausschuss für Rechtsphilosophie, der (…) damit beauftragt war, die künftigen Nürn­berger Gesetze zu legitimieren.“ [10] Auf den Seiten, auf denen Farías in seinem Buch Heideggers Mitgliedschaft im „Aus­schuss für Rechtsphilosophie“ erörtert, referiert er mit keinem Wort auf die Nürnberger Gesetze.

Zudem ist die Entstehung der Nürnberger Gesetze hinreichend belegt und erforscht, und wenn sich etwas über die „Akademie für Deutsches Recht“ und ihren „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ sagen lässt, das außer Zweifel steht, dann gerade, dass sie an der Entstehung der Rassengesetzgebung keinen wertbaren Anteil hatten, und das sehr zum Leidwesen von Hans Frank, wie diverse Historiker festgehalten haben. Zunächst sei H. D. Heller zitiert: „Die nur spärliche Einschaltung der Akademie in das Gesetzgebungsverfahren war für Frank immer wieder enttäuschend. Am meisten hat ihn wohl gekränkt, dass die Nürnberger Gesetze ohne Mitwirkung der Akademie zustande gekommen waren.“ [11] Zur Vorgeschichte der Rassengesetze ist z. B. die 37. Sitzung der Strafrechtskommission zu nennen, an der auch der Referent des NS-Justizministers Gürtner und spätere Angehörige des 20. Juli, Hans von Dohnanyi, teilnahm, und die jene „vertrauliche Aussprache über die Vorschläge der Preußischen Denkschrift zur Frage des strafrechtlichen Rasseschutzes“ [12] vornahm, die „als erstes bedeutendes Brainstorming zu bezeichnen“ sei, „das die Konzeption der Nürnberger Gesetze sowie seiner Ausführungsbestimmungen in wesentlichen Aspekten vorbereitete“. [13] Der für seinen späteren Widerstand postum von Israel zum „Gerechten unter den Völkern“ ernannte von Dohnanyi, dessen Name in der Gedenkstätte Yad Vashem eingemeißelt ist, hat bei dieser Vorbereitung der Nürnberger Gesetze, also vor seinem Geisteswandel, für den „grundsätzlichen ‚Rassenschutz‘“ [14] plädiert – hätte Heidegger das getan und nicht von Dohnanyi, es wäre ein gefundenes Fressen in der Jagd auf ihn.

Öffentlich angekündigt wurde das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes“ aber von dem sogenannten „Reichsärzteführer“ Gerhard Wagner am 12. September 1935 während des siebten Reichsparteitages , und Hitler ließ das diesmal sofort umsetzen, so dass der Gesetzestext schließlich mit heißer Feder formuliert und eine erste Fassung noch am Abend des 15. September verabschiedet wurde. Auch die Erweiterungen und Präzisierungen – wie die „Erste Verordnung“ – sind in ihrer Entstehungsgeschichte erforscht, und eine Beteiligung von Frank oder seinem rechtsphilosophischen Ausschuss ist unbekannt, nicht einmal eine Randnotiz gibt es dazu. Die Aussage, dass der „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ eine maßgebli­che oder auch nur nennenswerte Instanz bei der Vorbereitung der Nürnberger Gesetze war, wird von keinem Historiker oder Rechtshistoriker der „Akademie für Deutsches Recht“ bestätigt und ist auch in der Forschung zu den Rassengesetzen und ihrer Genese unbekannt, wo im Gegenteil, dokumentiert wird, dass der „Akademie“ zu Franks Bedauern eine solche Rolle gerade nicht zukam. [15] Die Behauptung zum Ausschuss als Vorbereiter der Rassengesetze wurde von E. Faye initiiert, möglicherweise zunächst in irrtümlicher Rezeption von V. Farías, und wird seitdem jedoch von F. Rastier und S. Kellerer ohne Quellenkritik und selbstverständlich ohne jeden Beleg zum Zweck wiederholt, dem Ausschussmitglied Heidegger eine solche Rolle nachzusagen.

Als Gesetzgebungs- und beratungsin­stanz hatte die „Akademie“, so z. B. W. Johe, „schon kurz nach ihrer Gründung keine Bedeutung mehr, wie das Zustandekommen der Nürnberger Gesetze vom September 1935 zeigt. Diese Gesetze (…) wurden der Akademie nicht vorgelegt. Vielmehr entstanden die Gesetze in wenigen Stunden während des Reichsparteitags 1935 in Nürnberg, verfaßt von den zuständigen Beamten des Reichsinnenministeriums, die auch die Vorarbeiten geleistet hatten.“ [16]

Und in Pichinots Standardwerk zur „Akademie“ heißt es: „Die Geschichte der Akademie für Deutsches Recht ist geprägt durch das Schicksal ihres Gründers, Hans Frank. Er, dem man nachsagt, schwach, unstet und voller befremdlicher Widersprüche gewesen zu sein, wollte sich mit der Akademie ein Instrument schaffen, um Macht auszuüben. Frank wurde nach der Machtübernahme nicht Reichsjustizminister, verlor sein Amt als Bayerischer Staatsminister der Justiz und als ‚Reichsjustizkommissar‘ und wurde mit dem schön klingenden Titel eines Reichsministers ohne Geschäftsbereich abgefunden. So blieb ihm nur die Akademie. Ihre Aufgabe, die Verwirklichung des nationalsozialistischen Programms auf dem gesamten Gebiet des Rechts, konnte sie nicht erfüllen. Zwar war sie der nationalsozialistischen Führung in der Phase der Umwälzung als Forum für politische Verlautbarungen durchaus willkom­men, doch erschöpfte sich ihre Tätigkeit in den ersten Jahren weitgehend in der Durchführung zahlreicher repräsentativer Veranstaltungen.“ [17]

Auch der Verfasser der anderen der beiden bisher vorliegenden Dissertationen zur „Akademie“, Dennis LeRoy Anderson, unterstreicht „the fact that many of the most significant political statutes were being passed without consulting it, such as the Nuremberg laws of September 15, 1935.“ [18]

Dem Mangel an Belegen für die Bedeutung des Ausschusses soll nun aber ein bisher unbeachtetes Papier in einer Akte im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde abhelfen und der These von Heideggers Beteiligung an der juristischen Vorbereitung zur Vernichtung europäischer Juden Auftrieb geben. Ohne mitzuteilen, um welches Dokument es sich handelt, kündigten Kellerer und Rastier in mehreren Zeitungen an – darunter Le Monde [19] und Libération [20] –, dass es eine „große Entdeckung“ [21] sei, eine „datierte Mitgliederliste des Ausschusses, die beweist, dass Heidegger mindestens bis zum Juli 1942 Mitglied dieser Einrichtung“ gewesen sei [22], obwohl diese schon im Jahr 1938 aufgelöst wurde.

Das Papier, das die überraschenden Ausführungen belegen soll, bleibt in allen Vorankündigungen – auch andere Zeitungen schlossen sich an [23] – unbenannt. Es soll von einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Universität Heidelberg bei der Recherche „im Archiv des Ausschusses entdeckt“ worden sein, so S. Kellerer im genannten Artikel in Le Monde vom 27. Oktober 2017. Die Liste war schon am 13. Mai 2017 sogar bei Wikipedia erwähnt, so dass der von Kellerer und Rastier versuchte Pressewirbel um eine neue „Entdeckung“ bestenfalls mit Unwissenheit darüber zu erklären ist. Kellerer und Rastier antworteten auf einen Artikel von Jean-Luc Nancy, in dem dieser in Libération am 12. Oktober 2017 die These vertreten hatte, dass Heidegger nach seinem Rücktritt als Rektor 1934 zunehmend Verachtung für den Nazismus gezeigt habe. Obgleich genug andere Quellen dagegen sprechen, wurde nun auf jenes obskure Papier referiert, wobei Nancy jede angemessene Antwort auf den Inhalt des Papiers vorenthalten blieb, da in einer Strategie simultaner Propagierung und Verheimlichung nichts über das Dokument, sondern nur eine Deutung davon mitgeteilt wurde.

Im Lichterfelder Bundesarchiv, Abteilung Deutsches Reich, ist der Bogen also regulär abgeheftet und zwar in der Akte 30 der Abteilung „Akademie für Deutsches Recht“ (R-61-Bestände). Es handelt sich um das Blatt 171, das, entgegen S. Kellerers Aussage, mitnichten datiert ist, und nur aufgrund seiner Einordnung im chronologischen Verlauf der Akten und aufgrund der dort verzeichneten Namensliste, einen ungefähren Rückschluss auf den Zeitraum seiner Erstellung zulässt – und das dadurch die offizielle Version infrage stellt. Denn nach der offiziellen Version (BArch R 61/31, Blatt 15, 1938) wurde einem „Direktor Fiedler“, Schatzmeister der Akademie für Deutsches Recht, die „Anordnung“ des „Präsidenten Reichsminister Dr. Frank“ mitgeteilt: „es ist der Ausschuß für Rechtsphilosophie mit Wirkung vom 8. d. Mts. aufgehoben worden. Die Mitgliederliste ist zu vernichten.“ Welcher Monat gemeint war, ist aus dem Papier nicht ersichtlich, doch in dem Konvolut befindet es sich zwischen zwei Datumsangaben, dem 1. April 1938, auf Blatt 13 erwähnt, und dem 29. Juli 1938 auf Blatt 18, so dass auf die vier Monate des Zeitraumes dazwischen geschlossen werden kann. Demnach wurde der Ausschuss also in der ersten Hälfte des Jahres 1938 aufgelöst, die Mitgliederlisten wurden vernichtet.

Indes scheint das durch das andere Dokument nun fraglich zu sein, da es ein Papier zum Ausschuss darstellt, das nach 1938 angefertigt wurde. In der Akte 30 (BArch R 61/30) liegt mit Blatt 171 eine Liste der einstigen Mitglieder des Ausschusses (Haken und Strich wurden per Hand hinzugefügt):

Ausschuss für Rechtsphilosophie [24]

Vorsitzender:

Frank Reichsminister Dr. [25]

Stellv. Vorsitzender:

Emge Professor Dr. Berlin-Grunewald, Delbrückstr. 23 [26]

Mitglieder:

  • Bruns Professor Dr. Berlin-Zehlendorf, Sven-Hedin-Str. 19 [27]
  • Freyer Professor Dr. Leipzig, Universität [28]
  • Heidegger Professor Dr. Freiburg i. Br., Universität [29]
  • Heymann Geheimrat Prof. Dr. Berlin-Lichterfelde, Oberhofer Platz 4 [30]
  • Jung Professor Dr. Marburg/Lahn, Calvinstr. 14 [31]
  • Kisch Geheimrat Prof. Dr. München 13, Georgenstr. 42 [32]
  • Mikorey Professor Dr. München, Sigmundstr. 3 [33]
  • Rosenberg Reichsminister Berlin W. 35, Kurfürstenstr. 134 [34]
  • Rothacker Professor Dr. Bonn, Universität [35]
  • Schmitt C. Staatsrat Prof. Dr. Berlin Dahlem, Kaiserwertherstr. 17 [36]

[Siehe die Abbildung des Dokuments im Faksimile des FAZ-Beitrags, hier ganz unten. Red.]

Es ist auf dem Blatt vom „Reichsminister“ Rosenberg die Rede, und zum „Reichsminister für die besetzten Ostgebiete“ (RMfdbO), wurde der NS-Ideologe erst am 17. Juli 1941 ernannt, womit der terminus post quem gegeben ist. Der Name des am 18. September 1943 verstorbenen Viktor Bruns wurde zunächst an erster Stelle der alphabetisch geordneten Liste getippt notiert und später durchgestrichen. Die Streichung des Namens liefert somit zunächst nur einen ersten terminus ante quem für die Erstellung des Blattes. Dieser aber wird verzichtbar, sobald in Betracht kommt, dass Adolf Hitler persönlich seinen frühen Gefolgsmann Hans Frank am 20. August 1942 nicht nur vom Amt des Präsidenten der Akademie entband, sondern auch von allen Parteiämtern, womit er Franks rechtspolitische Laufbahn ein- für allemal beendete. Zum Verlust seiner Ämter erhielt Frank zudem außerhalb des „Generalgouvernements“ Redeverbot. Die angebotenen Rücktrittsgesuche lehnte Hitler aus taktischen Gründen ab – ein Rücktritt des „Generalgouverneurs“ in Polen wäre leicht als innere Zerstrittenheit und Schwäche der Regierung wahrgenommen worden. Der Grund für die Entmachtung lag in vier Reden, die Frank anlässlich der auf der letzten Reichstagssitzung am 26. April 1942 formal durchgesetzten Funktion Hitlers als „Oberster Gerichtsherr“ zum „Recht als Grundlage der Volksgemeinschaft“ gehalten und in denen er Kritik am NS-Rechtssystem geübt, es als „rechtsfreien Raum“ bezeichnet und richterliche Unabhängigkeit gefordert hatte. [37] Der Entzug der Ämter und Hitlers Unwille schließen aus, dass Frank danach noch in der „Akademie für deutsches Recht“ dem „Ausschuss für Rechtphilosophie“ vorstand. Bekräftigt wird dieser zweite terminus ante quem dadurch, dass im Oktober 1942 auch Emge als Stellvertreter der Akademie zurücktrat.

Es lässt sich daher schließen, dass die Liste nach dem 17. Juli 1941 und vor dem 20. August 1942 erstellt wurde. Und dieser Schluss schafft nicht wenige Probleme in der Bewertung des Dokumentes. Denn wenn vorausgesetzt wird, dass der „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ in der ersten Hälfte des Jahres 1938 offiziell aufgelöst und aber in klandestiner Weise doch weitergeführt wurde, dann fehlen zunächst einmal die Listen aus der Zeit zwischen 1938 und 1941/1942. Aus der unten folgenden Vergleichung der Namen der Mitglieder zur Gründung des Ausschusses lässt sich ersehen, dass die personellen Veränderungen – durch Todesfälle, Emigration und durch Verurteilungen – den Zeitraum von 1935 bis 1940 betreffen, so dass beständig und auch nach 1938, als angeordnet wurde, die Listen zu vernichten, der Anlass gegeben gewesen wäre, die Besetzung des Ausschusses auf den neuesten Stand zu bringen. Das ist aber nicht geschehen. Nach Aktenlage wäre der Ausschuss also 1938 aufgelöst und 1941 oder 1942 inoffiziell für einige Monate wieder einberufen worden. Das ist an sich schon bemerkenswert genug, doch noch entscheidender für die Bewertung des Dokumentes sind die Namen von Teilnehmern, die weiterhin auf Blatt 171 zu finden sind. Im Vergleich zu der Besetzung bei der Gründung des Ausschusses sind nicht nur Eliminierungen, auch bedenkliche Kontinuitäten festzustellen. Die Frankfurter Zeitung hatte sieben Jahren zuvor folgende Mitglieder genannt:

  • Hans Frank (Reichsjustizkommissar)
  • Carl August Emge (Professor für Rechtsphilosophie in Jena, Geschäftsführender Vorsitzender des Ausschusses)
  • Wilhelm Kisch (Geheimrat)
  • Alfred Rosenberg (Reichsleiter)
  • Helmut Nicolai (Ministerialdirektor)
  • Carl Schmitt (Berlin)
  • Martin Heidegger (Freiburg)
  • Erich Rothacker (Bonn)
  • Hans Naumann (Bonn)
  • Hans Freyer (Leipzig)
  • Jakob Johann von Uexküll (Hamburg)
  • Rudolf Stammler (Berlin)
  • Julius Binder (Göttingen)
  • Ernst Heymann (Berlin)
  • Erich Jung (Marburg)
  • Viktor Bruns (Berlin)
  • Max Mikorey (München)

Im Jahr 1935 wurde Julius Streicher nachberufen. [38]

Im Vergleich zu der von der Frankfurter Zeitung dokumentierten Liste fehlen also sechs Namen:

  • Julius Binder [39] – verstarb am 28. August 1939
  • Hans Naumann [40] – im Frühling 1935 Ende des Rektorats in Bonn und Entzug der Lehrerlaubnis
  • Helmut Nicolai [41] – 1935 nach § 175 wegen Homosexualität verurteilt
  • Jakob Johann von Uexküll [42] – 1940 nach Capri verzogen
  • Julius Streicher [43] – 1938 verurteilt
  • Rudolf Stammler – 1938 verstorben [44]

Zwischen 1938 und 1941/42 kann es den Ausschuss dann offenbar gar nicht gegeben haben, da die Namen von Streicher, Binder und von Uexküll in diesem Zeitraum schon hätten ersetzt oder gestrichen werden müssen, was Anlass genug gewesen wäre, auch in diesen Jahren eine aktuellere Liste anzufertigen. Ersatzweise müsste hier sonst die Konzeption der vernichteten geheimen Listen zugrundegelegt werden, wodurch es andererseits aber umso berechtigter wird, danach zu fragen, warum, wenn der Ausschuss also seit 1938 einen klandestinen Charakter hatte, überhaupt solche Nachweise für dessen heimliche Existenz für notwendig gehalten wurden. Und das eine Blatt, 171, wäre bei der nur angenommenen Vernichtung übersehen worden. Da die Liste nach dem 17. Juli 1941 angefertigt wurde, kann nicht bestätigt werden, dass sie einen Fortbestand „seit“ 1938 belegt.

Und im Vergleich mit der Besetzung zur Gründung des Ausschusses 1934 wurden auf dem Blatt 171 sieben oder acht Jahre danach nicht nur Namen weggelassen, es blieb auch ein Name, von dem es nicht zu erwarten gewesen wäre: der von Carl Schmitt. Dessen überraschende Nennung als ein Mitglied des „Ausschusses der Rechtsphilosophie“ noch im Zeitraum von 1941/1942 und seine dadurch vermeintlich zu konstatierende gemeinsame Anwesenheit mit Martin Heidegger und mit Alfred Rosenberg ist in mehrfacher Hinsicht kaum denkbar. Es würde zunächst einmal die persönliche Beziehung zwischen Heidegger und Schmitt in ein ganz neues Licht rücken, ihr ein neues Kapitel hinzufügen, mit einer bislang also unbekannten Wendung. Denn sowohl in der Heidegger- als auch in der Schmitt-Forschung gilt, dass die beiden Parteigenossen – die gleichermaßen am 1. Mai 1933, dem letzten Tag vor der vierjährigen Aufnahmesperre, in die NSDAP eingetreten waren – sich, höchstens ein- oder zweimal trafen, im September 1933 und im Mai 1934. Und selbst diese Treffen sind nicht solide belegt, sondern werden eher im Rahmen von Wahrscheinlichkeiten erörtert. [45]

Heidegger hatte am 22. August 1933 einen Brief an Schmitt geschrieben, in der er ihm für die Zusendung der dritten Auflage von Der Begriff des Politischen gedankt und bei der Gelegenheit eine Mitarbeit von Schmitt in der Freiburger Universität erbeten hatte: „Heute möchte ich Ihnen nur sagen, daß ich sehr auf Ihre entscheidende Mitarbeit hoffe, wenn es gilt, die juristische Fakultät im Ganzen nach ihrer wissenschaftlichen und erzieherischen Ausrichtung von Innen her neu aufzubauen.“ [46] Daraus wurde allerdings nichts, und ein Briefwechsel zwischen beiden kam auch nicht zustande. Der Heidegger-Experte und Schmitt-Biograph Reinhard Mehring hält das Treffen zwischen den beiden Denkern im Mai 1934 „im Weimarer Nietzsche-Archiv bei einer Fachtagung des Ausschusses für Rechtsphilosophie“ für möglich und fährt aber fort: „Sie mieden dann die Begegnung.“ [47] Und nun sollen Heidegger und Schmitt während des Zweiten Weltkrieges gemeinsam im Ausschuss gearbeitet haben, ohne dass einer von ihnen – oder einer der anderen zehn Beteiligten – in Briefen, Notizen, Tagebüchern oder Erinnerungen je auch nur ein Wort darüber verloren hätte?

Zudem muss in Betracht gezogen werden, dass die Entmachtung von Carl Schmitt innerhalb der Parteiorganisation der NSDAP, aber auch bezüglich der hochschulpolitischen Ehrenämter, die sich von 1936 bis 1937 vollzog, im sogenannten „Amt Rosenberg“ vorbereitet und von dort aus auch weiter unterstützt wurde. In V. Neumanns Biographie Carl Schmitt als Jurist heißt es dazu: „Die erste Fassung der These, Schmitt sei ein katholischer Denker und seine Theorie sei im Kern ‚politische Theologie‘ wurde also im Amt Rosenberg erstellt.“ [48] In diversen Publikationen wird darauf hingewiesen, wie sehr Alfred Rosenberg gegen Schmitt aktiv war, insbesondere mit dem Bericht zu Beginn des Jahres 1937: „In den ‚Mitteilungen Zur weltanschaulichen Lage‘ der ‚Amt Rosenberg‘ genannten Dienststelle des ‚Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung der NSDAP‘ vom 8. Januar 1937 heißt es über Carl Schmitt u.a. , es lasse sich ‘eine einheitliche Linie feststellen, die sich durch alle Schriften sehr deutlich hindurchzieht: im Hintergrund der rechtlichen und politischen Begriffe steht die Macht der katholischen Kirche“. Carl Schmitts „Lehre ist in allen Wandlungen … ein einziger Versuch der Sicherung der Überlegenheit der theologischen Entscheidung über die politischen Formen.“ [49] Und ganz in diesem Sinn kommt auch F. Blindow zu dem Schluss: „Alfred Rosenberg tat alles, um den Wirkungsbereich von Schmitt einzuschränken, den er in einem Brief an Rudolf Heß als ‚ersten Berater Brünings‘ bezeichnet.“ [50]

Schmitt sei nur gerade so eben der Verhaftung entkommen: angesichts dieses massiven Einsatzes eines vom maßgeblichen Nazi-Ideologen und seinem Amt – wie auch von vielen anderen NS-Kommentatoren – gegen einen als Opportunisten und „März“-Gefallenen und im Grunde als katholischen Denker und „Judenfreund“ verschrienen Juristen, muss ausgeschlossen werden, dass sich eben dieser Alfred Rosenberg einige Jahre später in aller Heimlichkeit mit dem so Verfemten an einen Tisch setzte, um über rechtsphilosophische Fragen im nationalsozialistischen Sinne zu debattieren. Die Kombination der Namen von Rosenberg und Schmitt auf Blatt 171 widerspricht der historischen Glaubwürdigkeit in einem Maß, das dazu nötigt, zunächst deshalb einen Grund für die Erstellung dieses Dokuments zu erwägen, der von dem einer Protokollierung tatsächlich stattge­fundener Tagungen mit dieser Besetzung nicht nur abweicht, sondern mit diesem nur wenig zu tun hat. Ohnehin war Rosenberg zu dieser Zeit, vom März 1941 bis zum Oktober 1942, davon besessen, das Projekt der „Hohen Schule der NSDAP“ umzusetzen und die Institute für diese „Parteiuniversität“ einzurichten, da wird er kaum einen heimlichen Ausschuss für Franks „Akademie“ beehrt haben.

Schmitt nahm zwar am 2. und 3. Mai 1941 an Tagungen des Ausschusses für Völkerrecht in der „Akademie für Deutsches Recht“ teil, an denen unter anderem Reichskommissar und Admiral a. D. Walther Gladisch und der damals 29jährige Wilhelm G. Grewe zu den Vortragsrednern gehörten. Von der Präsenz der Ministerialbeamten in dem wissenschaftlichen Forum zeigte er sich aber geradezu angewidert, wie er an seinen Kollegen Rudolf Smend schrieb: „Der oben erwähnte Auftrieb war übrigens so deprimierend, daß Sie sich glücklich schätzen können, solche Erniedrigungen der reinen Wissenschaft und des wissenschaftlichen Geistes nicht mit eigenen Augen und Ohren wahrgenom­men zu haben. Zu sehen, wie Professoren sich hochgeehrt fühlen, wenn sie jüngeren Referenten oder auch alten aus einem Ministerium lauschen dürfen, ist sehr traurig.“ [51] Die von Viktor Bruns im Anschluss geleitete Diskussion setzte Schmitt im nächsten Satz gar in Anführungszeichen.

Schließlich gibt auch die erneute Nennung des Namens von Max Mikorey auf der Liste von 1941/42 genug Anlass zum Zweifel, dass der Zweck des Dokumentes so einfach zu bestimmen und zu bestätigen sei, wie es zunächst scheint. Denn Mikorey war vom 1. November 1940 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs [52] der Armeesanitäts­abteilung 552 als Beratender Psychiater zugeteilt, vom Mai 1941 bis März 1942 bei der Deutschen Heeresmission Rumänien mit Sitz in Kronstadt. „Auf der Liste der Beratenden Psychiater vom 7. Mai 1942 des Bundesarchivs wird Mikorey immer noch als zur ‚Deutschen Militärmission Rumänien‘ beim leitenden Sanitätsoffizier gehörig mit ‚Einsatzort Rußland‘ geführt.“ [53] Danach sei Mikorey weiterhin bis 1945 an der Ostfront als Stabsarzt und Beratender Psychiater im Einsatz gewesen, nur am 15. September 1944 wurde er einmal von Hans Frank in Krakau empfangen, um einen Vortrag über die „Bedeutung der Panik für den Krieg“ zu halten. [54] Mit Max Mikoreys Namen für den Zeitraum zwischen dem Juli 1941 und dem August 1942 kann die „Mitgliederliste“ des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“ im Sinne einer Anwesenheitsliste einer tatsächlich auch stattgefundenen Tagung als de facto unhaltbar gelten: Mikorey war an der Front.

Doch es entspricht der Praxis – und dann auch einem Beschluss der „Akademie für Deutsches Recht“ –, dass aufgrund des Kriegsgeschehens eingestellte Ausschüsse in gewisser Weise noch still weiter bestanden. In einer Studie zur „Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre“, die 1943 kriegsbedingt suspendiert wurde, stellt die Historikerin D. Rüthe nach Auswertung der R-61-Bestände des Bundesarchivs dazu fest: „Tatsächlich war es die politische Linie der Akademie für Deutsches Recht‘, nicht unbedingt kriegswichtige Ausschüsse ‚in der Stille‘ weiterarbeiten zu lassen“, was im Oktober 1942 auch in Form eines „inoffiziellen offiziellen“ Beschlusses des Präsidenten der Akademie festgelegt wurde. [55] Im Zuge dieser informellen Fortführung ausgesetzter Ausschüsse konnten deren Vorsitzende auch nachdem die Suspendierungen in der Folge der Proklamation des totalen Krieges am 18. Februar 1943 ausgeweitet wurden [56], „rein geschäftsführungsmäßig zum Zwecke der Sichtung und Verarbeitung der bisherigen Beratungsergebnisse ihre Ausschüsse weiter betreuen“. [57] Allgemein lag der Sinn des Beschlusses darin, einer endgültigen Auflösung der Akademie entgegen zu wirken.

Das Blatt 171 zum „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ sollte somit, da der Charakter einer Anwesen­heitsliste auszuschließen ist, zunächst als Namensliste einstiger Gutachter betrachtet und erwogen werden, die entweder dem Zweck diente, die „informelle Fortführung“ zu betreiben, um das Feld der Rechtsphilosophie für die Akademie nicht ganz aufzugeben, oder die nur einem bestimmten, aktuell erst gegebenen Thema galt. Ähnlich wie der „Professorenausschuss“, der im September 1939 einbe­rufen worden war und der nur ein Vierteljahr aktiv blieb [58], kann 1941/1942 für eine Frage bezüglich des seit dem 13. Mai 1939 die „Akademie“ nahezu völlig beherrschenden Projektes der Schaffung eines „Volksgesetzbuches“ auf den aufgelösten Ausschuss für Rechtsphilosophie zurückgegriffen worden sein, wodurch sich erklären würde, dass die Liste erst nach dem Juli 1941 angelegt und nach Franks Ausscheiden auch nicht erneuert wurde. In diesem Fall wurden selbstverständlich die Namen der verstorbenen oder inzwischen durch NS-Gerichte verurteilten einstigen Mitglieder nicht mehr aufgelistet. Ob tatsächlich auch Gutachten in Auftrag gegeben wurden oder ob es bei der Absicht blieb, ist noch zu belegen. Und wenn der Zeitraum, der mit dem des Anfangs des Völkermordes zusammenfällt, auch leicht dazu verleiten mag, einen entsprechenden Zusammenhang herzustellen, so ist das eine durch nichts begründete Willkür, die sich jeder Sachkunde hier sofort verbietet. [59]

Denn abgesehen von dem Projekt des „Volksgesetzbuches“ zwischen 1939 und 1944, auf das noch zurückgekommen wird, ist es angesichts einer Einordnung der gelisteten Namen bezüglich eines Ausschusses der von Hans Frank gegründeten und bis zum 20. August 1942 geleiteten „Akademie für Deutsches Recht“ auch unerlässlich, auf die uneinheitlichen und mithin komplexen Formationen hinzuweisen, die sich in jeder wissenschaftlichen Institution früher oder später entwickeln und die sich im Fall der ADR fraglos im weiten Spektrum von ehrgeizigen und linientreuen Nazis bis zu Mitgliedern des Widerstandes gegen die NS-Herrschaft erstreckte. Wenn von einer „Mitgliedschaft in Hans Franks Akademie für Deutsches Recht“ und dessen in den Nürnberger Prozessen erfolgten Verurteilung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in intentionaler Eile auf eine ähnliche Geisteshaltung aller anderen Teilnehmer der Akademie geschlossen wird, dann muss an die der Widerstandsgruppe des „Freiburger Kreises“ zugehörigen Ökonomen Adolf Lampe, Walter Eucken, Erwin von Beckerath und Constantin von Dietze erinnert werden, allesamt Mitglieder der Klasse IV der ADR [60], die von Jens Jessen geleitet wurde, einem der späteren Beteiligten des Attentats vom 20. Juli 1944, der aufgrund dieser Beteiligung in Plötzensee hingerichtet wurde. Dass diese Angehörigen des Widerstandes in der „Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre“ zusammenfanden, die nach ihrer Auflösung 1943 als Arbeitsgemeinschaft von Beckerath in Freiburg fortgesetzt wurde, war kein Zufall, vielmehr war diese Gruppierung der ADR eine der Kernzellen der späteren „Freiburger Kreise“. Mit Adolf Lampe gehörte ein universitätsinterner Widersacher des vormaligen Rektors Heidegger und mit Constantin von Dietze der Vorsitzende der späteren Kommission zur Beurteilung von dessen NS-Vergangenheit im Bereinigungsverfahren der „Akademie“ an. Und mit Peter Graf Yorck von Wartenburg und Günter Schmölders war auch der „Kreisauer Kreis“ dort vertreten. Die bloße Zugehörigkeit zur „Akademie“ sagt mithin wenig über die Haltung zum Nationalsozialismus aus. [61]

Wenn das für den Zeitraum zwischen der Gründung der „Akademie“ und dem Beginn der Formierung des Widerstandes der genannten Kreise auch nur in sehr eingeschränktem Maß gültig sein mag, darüber hinaus auch nicht in gleicher Weise für den „Ausschuss für Rechtsphilos­ophie“ gelten kann, so ist doch seit der Publikation von V. Farías festzustellen, dass Heideggers dortige Mitgliedschaft mit dem Hinweis auf Hans Frank als den Gründer der „Akademie“ und des Ausschusses und als den 1946 in Nürnberg hingerichteten Kriegsverbrecher und Verbrecher gegen die Menschlichkeit, obgleich beides in keinem Zusammenhang steht, in der Art einer kollektiven Haftung und Verurteilung dazu verwendet wird, das Schuldhafte, das mit dem Namen von Frank – auch von Rosenberg und Streicher – konnotiert ist, implizit auf die Mitglieder des Ausschusses abzufärben, wobei es zwar nur den einen treffen soll, tatsächlich aber auch alle anderen trifft. Jedoch werden in dieser Folge alle Fragen, die durch diese These aufgeworfen werden, beharrlich verschwiegen – warum Wilhelm Kisch als Profes­sor für Zivilrecht und Bürgerliches Recht an einem Ausschuss hätte teilnehmen sollen, der sich dem­nach doch dem Strafrecht widmete. Zweifelhaft ist auch, wie sich die Behauptung in die Werke des Völ­kerrechtlers Viktor Bruns und des Cohen-Schülers und Neukantianers Rudolf Stammler fügt. Und mit Carl August Emge hatte dieser Ausschuss einen stellvertretenden Vorsitzenden, der Antisemit, doch aufgrund seiner theologischen Überzeugung auch ein Kritiker der NS-Rassentheorien war. [62]

Durch die personelle Zusammensetzung des Ausschusses wird schon auf den ersten Blick deutlich, dass Frank nicht nur daran lag, seine juristische „Akademie“ durch ein interdisziplinär besetztes Gremium zu erweitern – neben Juristen und Rechtsphilosophen auch Philosophen und NS-Ideologen, Soziologen, ein Mediävist, ein Psychiater, ein Biologe und Zoologe –, sondern dass bei der Auswahl weder auf die Parteizugehörigkeit [63] noch auf eine bestimmte Haltung zur Frage der diversen NS-Rassenideologien referiert wurde: die siebzehn genannten Teilnehmer der Gründungssitzung vom Mai 1934 waren kaum dazu geeignet, sich auch nur auf ein gemeinsames Papier zu einigen.

So ließe sich bei Jakob Johann von Uexküll durch den begrifflichen „Grenzverkehr zwischen Biologie und Politik“ [64] und den Konzeptionen des Staates als Organismus und des Organismus als Staat mit einiger Referenz auf den englisch-deutschen Rassentheoretiker H. S. Chamberlain, mit dem er einst in Briefkontakt stand, die These der Überzeugung einer Gefahr der „Rassenmischung“ rechtferti­gen. [65] Der schnelle Schluss hält einer näheren Exegese allerdings kaum stand, und gleich an dieser Stelle wäre es notwendig, die allzu schlichte Methodik des Zeig‘-mir-mit-wem-du-umgehst als analytisches Paradigma zur Proklamation von Geisteshaltungen zu verwerfen. Gerade im Mai 1933, als Männer wie Heidegger und Schmitt noch eben mit fliegenden Fahnen der NSDAP beitraten, bevor die vierjährige Beitrittssperre wirksam wurde, wandte sich Uexküll brieflich an H. S. Chamberlains Witwe Eva, die Tochter von Richard Wagner, die „zu jenem Kreis gehörte, der direkten Zugang zu Hitler hatte“, so dass sein Brief „der Versuch war, auf der höchsten Ebene der Regierung gehört zu werden.“ [66] Uexküll legte dar, dass Chamberlain, wenn er sehen könnte, was geschehe „vehement dagegen protestieren würde“: „Die Universität von Hamburg hat den weltberühmten Philosophen Prof. Cassirer entlassen, obwohl er dafür hätte geehrt werden sollen, der kantischen Philosophie neues Leben gegeben zu haben. (…) Jene, die nicht mindestens 75% arisches Blut haben, werden entlassen. Das ist die schlimmste Form der Barbarei. (…) Meine sehr verehrte Freundin, Sie haben Einfluss auf Hitler. Bitte schreiben Sie ihm und bewegen Sie ihn dazu, ein Wort der Vermittlung zu sagen, um diese so undeutsche Situation wie mit einem Donnerschlag zu zerhauen und ihr ein Ende zu setzen.“ Im Jahr darauf, demselben der Gründung des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“ widmete Uexküll sein Buch Streifzüge durch die Umwelten von Tieren und Menschen seinem Freund Otto Cohnheim, „der sein Amt als Universitätsprofessor aufgrund der Rassenpolitik verloren hat“. [67]

Es ist schon dadurch offensichtlich, dass sich die implizite und beiläufige Verurteilung aller anderen Mitglieder des Ausschusses als Beteiligte an der Vorbereitung der Nürnberger Gesetze, die von F. Rastier und S. Kellerer still in Kauf genommen wird, bei näherer Betrachtung als sehr brüchig erweist. Im Jahr 1936 wurde Uexküll als Redner des Ausschusses ins Nietzsche-Haus in Weimar eingeladen, von Nietzsches Schwester eröffnet, doch sein kritischer Vortrag wurde abgebrochen, als er sagte: „Das Auge, das geschlagen wird, kann nur blind werden, aber es kann nicht zurückschlagen. Und die Aufgabe der Universitäten ist es gerade, das Auge des Staates zu sein.“ [68] Als man Uexküll unterbrach und daran hinderte weiter zu sprechen, ging er und empfahl er Chamberlains Werk Worte Christi.

Und auch eine nur erste Bestandsaufnahme der philosophischen und rechtsphilosophischen Schulen, die von den Teilnehmern repräsentiert wurden, zeigt sowohl die Uneinheitlichkeit der denkbaren Positionen innerhalb des Ausschusses wie auch die Unvereinbarkeit der einen oder anderen dieser Positionen mit den beiden im September 1935 während des Parteitages formulierten Gesetzen zum Verbot der sogenannten „Rassenmischung“ zwischen „Reichsbürgern“ und solchen, die nicht dazu gerechnet wurden. Welcher der Versionen des Zustandekommens der beiden Nürnberger Gesetze auch der Vorzug gegeben werden mag, derjenigen, nach der nur vage durchdachte Konzeptionen in aller Eile während des Parteitages praktisch über Nacht auf Hitlers Anordnung von Bernhard Lösener, Hans Globke und Wilhelm Stuckart zusammengeschrieben wurden oder der anderen, die eine zielorientiertere Entstehungsgeschichte der Rassengesetze erkennt, die bereits vor 1933 begann – in beiden Fällen ist die „Rechtsgewinnung“, zu der Rudolf Stammler in der Weimarer Republik einen fachlichen Methodenstreit ausgelöst hatte, allzu weit davon entfernt, auch nur in der Nähe dessen lokalisiert zu werden, was der Rechtsphilosoph zu kommentieren bereit gewesen wäre. [69] Gemäß Stammlers neukantianischer und von Cohen und Natorp persönlich beeinflusster Konzeption eines Methodendualismus aus Rechtsbegriff und Rechtsideal ist erst ein dialektisches Bewusstsein des Antagonismus aus Gesetz und Rechtsidee zur Rechtsgewinnung befähigt – sich an einer wie auch immer gedachten Vorbereitung zur Verfassung eines juristischen Primitivismus und Schundes wie sie das „Blutschutzgesetz“ und das „Reichsbürgergesetz“ darstellen, beteiligt zu haben, widerspricht allemal dem Gebiet einer Rechtslogik, welche maßgeblich zu vertreten Stammler nicht abgesprochen werden kann. Dass dem Neukantianer, der 1933 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt wurde und der nicht in der NSDAP war und sich nie für das NS-Regime engagierte, damit en passant und im Wege der Diffamierung ein biologistischer Antisemitismus unterstellt wird, ist ein weiterer Kollateralschaden der These, die den „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ nur deshalb zum Gremium der Vorbereitung der Nürnberger Gesetze erklären will, um es Heidegger anzulasten.

Diesen allzu durchscheinenden Vorsatz und den befremdlichen Eifer, mit dem er verfolgt wird, zur Probe zu ignorieren, legt durch die heterogene Besetzung des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“ vielmehr nahe danach zu fragen, welchen Zweck Frank denn mit einem Gremium verfolgte, in dem Parteigänger und solche, die es nicht waren, mit Neukantianern, Juristen, Soziologen und Theologen und diese mit emeritierten Querköpfen und glühenden Rassisten debattierten, und da werden die Biographen des übereitlen „Reichsministers ohne Aufgabenreich“ sicher darin zustimmen, dass diesem mit der Gründung seiner juristischen Clubs zunächst an persönlicher Anerkennung lag und es ihm auch hier darum gegangen sein wird, den berühmten Uexküll und den weltberühmten Heidegger in einem akademischen Zirkel unter seiner Leitung zu wissen und mit Viktor Bruns den Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht an den Tagungstisch zu setzen, Wissenschaftler von internationalem Rang neben prominente NS-Rassentheoretiker. Es ist, auch die Folgenlosigkeit dieses interdisziplinären Unternehmens in Betracht gezogen, kaum mehr als ein debattierender Kreis aus mit Titeln und hohen Ämtern versehenen Gelehrten diverser Fachrich­tungen und solchen NS-Ideologen zu erkennen, die als rassistische Hardliner gelten können – wie Alfred Rosen­berg und Helmut Nicolai – und anderen, die darin eher karrieristisch waren wie Erich Rothacker. [70] Wenn Hans Frank in Im Angesicht des Galgens noch beklagte, dass die „Akademie für deutsches Recht“ bei der Strafgesetzgebung für gewöhnlich übergangen wurde, dann wird er kaum an Sinn und Zweck des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“ gedacht haben, denn dafür hätte er weder auf seinen einstigen Lehrer, den Zivilrechtler Kisch, noch bezüglich der damals heftig diskutier­ten „Rassenfrage“ auf ideologisch zweifelhafte Vertreter wie Uexküll, Stammler und Bruns gesetzt.

Von dem Völkerrechtler Viktor Bruns, der als besonnen und sachlich galt, sind überhaupt keine rassistischen Aussagen bekannt. Im Gegenteil sorgte er als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts dafür, dass völkische und antisemitische Töne von der wissenschaftlichen Arbeit ferngehalten wurden, und weder er noch sein Stellvertreter besaßen ein Parteibuch. Dagegen schützte er jahrelang den Juristen Wilhelm Wengler, den engsten Mitarbeiter des Widerstandskämpfers und Begründers des Kreisauer Kreises, Helmuth James Graf von Moltke, und arbeitete mit Berthold Schenk von Stauffenberg zusammen, der wie der Bruder Claus wegen des Attentats vom 20. Juli 1944 hingerichtet wurde. Nach dem Tod von Bruns verlor Wengler dessen schützende Protektion, wurde von der Gestapo verhaftet und aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut entlassen. Nichts spricht dafür, dass Viktor Bruns über seine völkerrechtliche Tätigkeit für das „Dritte Reich“ hinaus irgendeine Form der Kollaboration mit den Nationalsozialisten einging oder sich gar als antisemitischer Jurist betätigte.

Und wenn gemäß einer projektiven Methode, die an sich schon wissenschaftlichen Standards nicht genügt, da ihr Resultat immer nur spekulativ sein kann, das Thema der „Rassenfrage“ für den „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ im Zeitraum vor den Nürnberger Gesetzen angenommen wird, so könnte nur von sonst bekannten einschlägigen Äußerungen der Teilnehmer auf ihre jeweilige Position in einer solchen Diskussion des Ausschusses geschlossen werden, und in einer solchen Projektion wäre dann selbstverständlich auch Heideggers vielfach belegte und von der großen Mehrheit der Forschung auch vielfach konstatierte Ablehnung des biologistischen Antisemitismus zu verwenden. [71] Hier aber soll von den Nürnberger Gesetzen und der ganz unbelegten Behauptung einer Teilhabe des Ausschusses an ihrer Vorbereitung auf eine von den Primärquellen substantiell abweichende Überzeugung geschlossen werden, mit der bei Heidegger eine solche Haltung zur Tat konstatiert wird, die ihn im Rückschluss dazu befähigen soll, an der Rassengesetzgebung beteiligt gewesen zu sein, und eine derart abenteuerliche Konstruktion der Willkür und des Willens einer Schuldzuschreibung, vorgenommen gegen alle Evidenz, ist weder mit solider Forschung vereinbar, noch mit der Distanz gegenüber jenen, die bereit sind, Praktiken der Propaganda zu übernehmen.

Bei alledem ist die Frage der Art der heideggerschen Aktivitäten während der NS-Herrschaft am Ende sogar zweitrangig. Denn man möchte wissen, was auf ihren jeweiligen Fachgebieten renommierte Forscher denn nur dazu treibt, auf fremdem Terrain in einem zu beobachtenden Repertoire aus Ungefährem, nazi-name-calling und einem selbst für Nicht-Historiker erstaunli­chen Halbwissen aus gestrigen Popularmeinungen schon im Vorbeigehen allerlei Verwüstungen anzurichten. Um nur zwei von einigen Beispielen dafür zu nennen: Am Rand äußert S. Kellerer zur umfassend debattierten Entwicklung des Entscheidungsprozesses zur Vernichtung europäischer Juden, die sogenannte „Endlösung“ sei „im Januar 1942 beschlossen“ (décidée) worden (Datum der Wannseekonferenz) – und demnach nicht von Hitler, Göring und Himmler zwischen dem Beginn des Völkermordes am 15. August [72] und der Tagung am 12. Dezember 1941. [73] Und F. Rastier nennt Hans Frank – verantwortlich für die Vernichtungslager Belzec, Majdanek, Treblinka und Sobibor – jenen, unter dessen „Autorität“ die „ersten Vergasungen“ in Auschwitz und Chelmno stattfanden. [74] Das entlastet die tatsächlich Verantwortlichen für die ersten Vergasungen in Auschwitz im September 1941 – wie Fritzsch, Höß, Glücks und Himmler – und im Vernichtungslager Kulmhof im Dezember 1941, denn in beiden Fällen ist Franks „Autorität“ für diese Verbrechen schlichtweg auszuschließen. [75] Dabei geht es nicht um Fehler und Irrtümer, die unterlaufen, sondern um eine systematisch willkürliche und gerichtete Verwen­dung historischer Daten und Namen zu dem Zweck, sie in eine Deutungskonzeption zu zwängen und zu zwingen, die Heidegger partout zum Aktivisten der Vernichtung europäischer Juden erklären will. Hier soll das billigermaßen durch die Klammern des Namens Hans Frank und des Datums 1941 oder 1942 geschehen: Frank – 1941 – Ausschuss – Auschwitz – Heidegger.

Bei Rastier heißt es gar, „bis zum Dezember 1942“ [76] habe der Ausschuss „die Vernichtung vorbereitet und begleitet, in der Praxis wie in der Theorie“, der Ausschuss habe die „rechtlichen Bedingungen geliefert“ und jene legitimiert. [77] Woher nimmt er das nur? Dafür gibt es nicht einmal einen Zettel als Beleg. Man muss es noch einmal wiederholen: Der „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ der ADR hat die Vernichtung europäischer Juden „in der Praxis“ begleitet – „en pratique“! Es fällt recht schwer, eine bizarre Behauptung solcher Art nur als den Irrtum eines Fachfremden zu bewerten. Denn wenn die Quellenlage ohnehin so dürftig ist wie im Fall des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“, dann ist der Konjunktiv der Vorsicht gegen überzogene Urteile der allgemein anerkannte Mindeststandard, der in der Argumentation jener Kampfgemeinschaft der Mission Heidegger war Täter des Holocaust zugunsten ebenso klischierter wie unbelegter und unhaltbarer Anschuldigungen ausgespart wird.

Die von W. Schubert, W. Schmid und J. Regge herausgegebenen „Protokolle der Ausschüsse“ der „Akademie für Deutsches Recht“ wurden zur Klärung des Sachverhalts gar nicht erst konsultiert, ebenso wenig die Studien von Pichinot und LeRoy Anderson. Es wurde auch nicht dargelegt, warum gerade der Ausschuss für Rechtsphilosophie „in der Praxis“ am Holocaust beteiligt gewesen sein soll, nicht aber jener für Strafrecht – dem Roland Freisler vorstand. Oder warum nicht der Ausschuss für Wehrrecht oder jener für die Strafgerichtsbarkeit der SS oder jener für Polizeirecht? Wären die nicht besser geeignet gewesen? [78] Das wurde geflissentlich ignoriert, weil Heidegger in diesen Ausschüssen nicht dabei war. Auch die Erörterung des Projektes, „das die Akademie spätestens seit dem Mai 1939 beherrschte, als die „Schaffung eines deutschen Volksgesetzbuches“ mit verbalem Pomp von Frank in einer „Eröffnungsfeier im Haus des Deutschen Rechts“ angekündigt wurde [79], hätte die Behauptungen zum Blatt 171 allzu sehr gestört, da sie dessen tatsächlichen Grund erklären kann. Es heißt im Vorwort zu den 1988 publizierten ADR-Protokollen der Arbeiten am „Volksgesetzbuch“: „Es war im wesentlichen die Heidelberger Rede Schlegelbergers am 25. 1. 1937, die zu einer Konzentrierung der Ausschußarbeiten der Akademie für Deutsches Recht führte.“ [80] Die Themenfelder umfassten u. a. Familienrecht, Wirtschaft, Vereine, Bodenrecht, Vertragsordnungen, Gütererzeugung, Kreditwesen und Schadensersatzforderungen. Im Juni 1939 wurde eigens eine „Geschäftsordnungskommis­sion zur Schaffung des Volksgesetzbuches“ eingerichtet. Über diesen Zeitraum im Jahr 1939 schrieb Heinrich Lange 1941, der die „Schaffung eines Volksgesetzbuches als Abschluß und Krönung der Gesetzesarbeiten“ bezeichnete [81], über vorbereitende Gutachten [82]: „In den folgenden Wochen wurde in engerem Arbeitskreise die Planung der Gesamtarbeit durchgeführt. Zunächst wurde die Abgrenzung des Bereiches des Volksgesetzbuches überprüft, dann ein vorläufiges System als Arbeitsgrundlage entworfen und schließlich zur Vorbereitung der Arbeitssitzungen über die einzelnen Gebiete an rund 85 Wissenschaftler und Praktiker das Ersuchen um Gutachten und Referate gerichtet.“ [83] Die emsigen Arbeiten an dem schließlich gescheiterten Unternehmen der Umwandlung des BGB in ein „Volksgesetzbuch“ hielten unter der Leitung von Frank bis zu dessen von Hitler erzwungenem Rücktritt am 20. August 1942 an – und wurden dann unter Thierack fortgesetzt. Da mithin schriftlich bestätigt ist, dass die „Akademie“ für das „Volksgesetzbuch“ Wissenschaftler und Praktiker anschrieb, um Gutachten von ihnen zu erbitten, ist die Namensliste der einstigen Mitglieder des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“ im Rahmen der Wahrscheinlichkeit nichts weiter als eine Sammlung weiterer Namen von Gutachtern, die für die „Akademie“ schon tätig waren und die nun als potentiell verfügbar galten, um sich zu einzelnen Fragen, sei es zum Familienrecht oder zu anderen Rechtsgebieten, aber möglicherweise auch zur Definition des „Volksgenossen“ zu äußern.

Als Resümee zum Blatt 171 können somit fünf Punkte festgehalten werden:

  • Blatt 171 der Akte 30 der R-61-Bestände des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfeld ist eine undatierte Namensliste, die zwischen dem 17. Juli 1941 und dem 20. August 1942 angefertigt wurde und die die zwölf Namen nebst Titeln und Adressen jener verzeichnet, die 1934 dem „Ausschuss für Rechtsphilosophie“ angehört hatten und zwischenzeitlich nicht verstorben, nicht verurteilt und nicht emigriert waren.
  • Blatt 171 dokumentiert mit keinem Wort ein Fortbestehen („bis 1941/42“) und auch keine Wiedereinrichtung des 1938 aufgelösten „Ausschusses für Rechtsphilosophie“.
  • Der Charakter einer Anwesenheitsliste kann aufgrund der Namen von Max Mikorey (war 1941 und 1942 an der Ostfront) und Alfred Rosenberg und Carl Schmitt (da Rosenberg inzwischen zu einem Gegner und Feind von Schmitt geworden war und auch die Beziehung zwischen Heidegger und Schmitt das kaum zuließ) ausgeschlossen werden.
  • Da die „Akademie für Deutsches Recht“ spätestens seit 1939 die Kapazitäten ihrer Ausschüsse darauf konzentrierte, das BGB in ein „Volksgesetzbuch“ umzuwandeln und zu diesem Zweck, durch Heinrich Lange schriftlich belegt, Gutachten von „Wissenschaftlern und Praktikern“ anforderte, ist die Namensliste auf Blatt 171 mit aller Wahrscheinlichkeit eine Liste von Gutachtern, welche sich zu einem der Themenfelder des „Volksgesetzbuches“ äußern sollten.
  • Ob die auf Blatt 171 namentlich gelisteten Personen tatsächlich kontaktiert wurden, geht aus dem Schriftstück nicht hervor und kann auch aus keinen anderen Dokumenten behauptet oder widerlegt werden. Ob die dort gelisteten Personen von der Existenz der Liste wussten oder davon, dass sie noch einmal gutachterlich für die ADR tätig sein sollten, ist dadurch ebenfalls unentschieden.

Im Klartext: weil in der „Akademie für Deutsches Recht“ im Jahr 1941 oder auch 1942 ein Dutzend Namen auf einen Blankobogen getippt wurden, ohne dass der Grund dafür bekannt wäre, sollen alle dort Genannten überführt sein, aktiv den Holocaust betrieben zu haben, darunter Viktor Bruns und Hans Freyer. Dass es für die Zeit von 1934 bis 1941/42 keine weitere Listen von Mitgliedern gibt, wertet F. Rastier nicht etwa als Beleg dafür, dass der Ausschuss also nicht weiter tagte und eingestellt wurde. Vielmehr sieht er dadurch den geheimen Charakter des Ausschusses bestätigt. Dem fügt er hinzu, dass ja auch ein Name auf der Liste gestrichen wurde und folgert: „Diese Tatsachen stimmen jedoch mit der Geheimhaltung überein, mit der die Ausrottung durchgeführt wurde, und diese Heimlichkeit („discrétion“) kann perfekt die Bedeutung des Ausschusses belegen, da ja bereits 1939 ein ‚unsichtbarer Krieg‘ erklärt worden war.“ [84] Die Nicht-Existenz von Belegen belegt die Bedeutung! Der Semiotiker Rastier geht noch weiter und vergleicht die nur aus der Tatsache des Fehlens weiterer Dokumente hergeleitete Heimlichkeit mit der des Holocausts selbst, indem er nun die Posener Rede von Heinrich Himmler vom 4. Oktober 1943 zitiert, in der dieser erklärt hatte, die „Ausrottung des jüdischen Volkes“ sei ein „nie zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte“. Der Umstand, dass es keine Dokumente gibt, rechtfertigt hier den Vergleich mit der Vernichtung der Juden. Angesichts einer solchen Methodik kann man nur den Kopf schütteln.

Die Frage, die sich hier mit einiger Dringlichkeit stellt, ist also nicht jene nach der Rolle von Viktor Bruns, Hans Freyer, Martin Heidegger und anderen im „Ausschuss für Rechtsphilosophie“, denn bestenfalls lässt sich sagen, dass dessen ehemalige Mitglieder anlässlich des „Volksgesetzbuches“ noch einmal als Gutachter in Erwägung gezogen wurden. Vielmehr ist durch dieses bemerkenswerte Beispiel eines postfaktischen Standgerichtes, dem eine Bagatelle zur Verurteilung genügt, die Aufgabe gestellt, die bloße Möglichkeit einer solchen Methodik, mit der heute die eine Person jenes Deliktes und morgen die andere des anderen für schuldig erklärt werden kann, einem Bereich zu entheben, in dem sogar noch der fehlende Beweis als Beweis für eine Teilhabe am Holocaust anerkannt wird [85] und sie jenem zuzuordnen, in dem das nicht als eine der vielen Meinungen in einem gelehrten Disput, sondern als das bewertet und eingeordnet wird, was es offenbar ist: eine recht degoutante Art der Unwahrheit, und da kann sofort noch einmal unterstrichen werden, dass es nicht oder nicht allein um den Antisemiten und Nazi Heidegger geht – auch z. B. um Freyer und Bruns. Und nicht jeder Antisemit und Nazi war auch ein Mittäter von Chelmno und Auschwitz, und auch hier kann keine Kollektivschuld gelten. Zum anderen aber wird mit einer solchen Methodik endgültig eine Vorgehensweise „alternativer Wahrheiten“ legitimiert, mit der am Ende einem jeden Menschen jedes Verbrechen angelastet werden kann und das zudem mittels des öffentlichen Prangers, der ausschließt, dass ein späterer Nachweis der Unschuld den geworfenen Schmutz ganz reinigen wird.

Die Liste der Namen auf dem Schriftstück BArch R 61/30, Blatt 171 sagt nichts über Heidegger aus, doch die sofort ausgerufene Gesinnungsjagd mitsamt dem Mittel, das allzu dürftige Papier geheim zu halten und allein die in Bezug auf die historische Faktenlage peinlich laienhafte Deutung öffentlich festschreiben zu wollen, beschreibt jene kleine Gruppe, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, Heidegger auf Teufel komm raus als einen aktiven Teilhaber an dem Verbrechen des Holocausts zu verfemen. Und in Kenntnis der Methoden, die er selbst nach 1945 verwendete, um sich gar zum Angehörigen des Widerstandes in der nationalsozialistischen Herrschaft zu verklären, in Kenntnis auch der apologetischen Kniffe, mit denen sein Sohn Hermann und seine glühenden Anhänger Jean Beaufret und François Fédier jahrzehntelang die Evidenz für Heideggers Nazismus relativiert und bestritten haben, lässt sich fragen: Heidegger, ist das dein Sieg? Immerhin hat das emsige Kneten der Fakten gezeigt, dass, da die beharrliche Suche ergebnislos geblieben ist, so dass in der Not selbst das Fehlen von Beweisen beschworen wird, eine wissentliche und wertbare Teilhabe an der Vernichtung europäischer Juden nicht zu dem gehört, was Heidegger vorgeworfen werden kann. Dagegen wurde auf bedenkliche Weise eine Geisteshaltung enthüllt, mit der diese Kampagne auf­grund eines allzu nichtssagenden Papiers der ADR in die Wege geleitet wurde, ohne das rechte Maß und die rechten Mittel zu wahren. Es bleibt zu hoffen, dass ihre Initiatoren zu einer Revision ihrer Urteile fähig sind.

Literatur

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[1Die im Intro der FAZ verwendete und sicher nur unglücklich gewählte Formulierung des „denunziatorischen Eifers“, bei aller Gegnerschaft, die in diesem Fall zu den Positionen von S. Keller­er und F. Ra­stier besteht, gehört insbesondere mit der im Begriff der Denunziation gegebenen Konnotation des Verrates nicht zu den hier debattierten Intentionen und wird vom Verfasser erneut zurückgewiesen.

[2Die im Intro der FAZ verwendete und sicher nur unglücklich gewählte Formulierung des „denunziatorischen Eifers“, bei aller Gegnerschaft, die in diesem Fall zu den Positionen von S. Keller­er und F. Ra­stier besteht, gehört insbesondere mit der im Begriff der Denunziation gegebenen Konnotation des Verrates nicht zu den hier debattierten Intentionen und wird vom Verfasser erneut zurückgewiesen.

[3Thomä, S. 232.

[4Hans Frank versuchte aufgrund seiner gescheiterten Ambitionen, die ADR als eine der legislativen Instanzen zu etablieren, was insbesondere auf dem Gebiet der Strafgesetzgebung scheiterte, vgl. dazu Pichinot, S. 130; Gruchmann, 1990, 747 f. legt dar, dass es den Ministerien freigestellt blieb, die ADR anzuhören oder nicht; LeRoy Anderson, S. 195: „While the ADR expended a great deal of time and energy on criminal law reform during the Third Reich, its impact was not commensurate with its efforts.“

[5BArch R 61/31, Blatt 15, 1938, s.u.

[6François Rastier, Sidonie Kellerer, Zu Hermann Heideggers Leserbrief ‚Randständige Bemerkungen‘, academia.edu.

[7Ebd.: „…die Heidegger vertraut waren. So beschreibt er die Teilnehmer eines seiner Seminare in einem Brief vom 7.2.1935 an Kurt Bauch folgendermaßen: ‚Versprengte Juden, Halbjuden…“

[8François Rastier, Sidonie Kellerer, Zu Hermann Heideggers Leserbrief „Randständige Bemerkungen“, academia.edu; S. Kellerer, Heidegger n’a jamais cessé de soutenir le nazisme, Le Monde v. 27. Oktober 2017, S. 18: „Il [E. Faye] rappelait que L’Académie pour le droit allemand avait élaboré les lois raciales de Nuremberg dont la loi ‚pour la protection du sang et de l’honneur allemands‘ de 1935, qui interdisait les rapports sexuels et les mariages entre juifs e non-juifs“ – „avait élaboré les lois raciales“!

[9Farías, S. 277-280; wie schon von C. Tilitzki, 2002, S. 1032, Anm. 440 festgestellt, ist Faríasʼ Darstellung der ADR und des Ausschusses für Rechtsphilosophie das „leider sehr unergiebige, mit zahlreichen Fehlern (Staatsrat Schmidt!) durchsetzte Kapitel“; z. B. unterscheidet Farías zu wenig zwischen der ADR und dem „Ausschuss für Rechtsphilosophie“, S. 279: „Da die Akten der Akademie für Deutsches Recht im Hauptstaatsarchiv von München zum überwiegenden Teil zerstört worden sind, ließen sich weitere Einzelheiten über die Mitarbeit im Ausschuß für Rechtsphilosophie nicht ermitteln“ ˗ die Akten der ADR wurden zwar durch „Kriegsverluste nur unvollständig überliefert“ (Bundesarchiv), waren aber vorsichtshalber nach Altötting, Griesbach, Wegscheid, Feldberg, Havelberg, Prenzlau, Zehdenick und auf die Burg Cochem ausgelagert worden; nach 1945 wurden 155 Bände im Zentralen Staatsarchiv (DDR) archiviert (ZstA 30.13), und auf der US-Seite kamen die späteren R-61-Bestände in die World War II Records Division nach Alexandria; heute bilden beide Teil 1 und 2 der ADR-Bestände im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde. Teil 1: Rechtsgrundlagen, Organisa­tion, Dienststellenverwal­tung, Bibliothekswesen und Veröffentlichungen 1933–1945, Rechtswissenschaft, Abtei­lung für Rechtsforschung 1936–1945, Rechtspolitik, Abteilung für Rechtsgestaltung, Allgemeine Ausschussakten 1935–1943, einzelne Ausschüsse 1933–1944, Teil 2: Ausschüsse 1933–1940, Ausland 1934–1942, internationale Kongresse, Tagungen 1935–1941, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1935–1939, Sitzungsangelegen­heiten, Einladungen, Protokolle 1935–1939, Handakten, Interna, Einzelstücke 1934–1944, Verein zur Besserung der Strafgefangenen 1934–1942, Deutsche Gesellschaft für Gefängniskunde 1927–1939; in den R-22-Beständen sind Akten des Reichsjustizministeriums über die ADR archiviert; die Protokolle der ADR in 20 Bänden: Werner Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933–1945, Protokolle der Ausschüsse B. 1–20, Frankfurt/Main (u.a.) 1986–2012; „Einzelheiten“ des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“ sind unbekannt, da dessen Akten vernichtet wurden.

[10E. Faye, Nationalsozialismus in der Philosophie; vgl. auch ders. 2005, 2009, S 275–278; wie bei Farías finden sich auch bei E. Faye falsche Angaben zur ADR und zum „Ausschuss für Rechtsphilosophie“; so wird z. B. gesagt, 1. Heidegger sei dort angetreten „um eine neue Institution ins Leben zu rufen: den Ausschuß für Rechtsphilosophie“; die Initiative ging selbstverständlich nicht von Heidegger, sondern von Frank aus, vgl. LeRoy Anderson, S. 347: „In order not to neglect theoretical work within the committee structure, Frank formed a committee on legal philosophy, which he personally chaired.“ 2. „Man sollte auch nicht vergessen, dass die Akademie für Deutsches Recht unter dem Vorsitz von Hans Frank und Carl Schmitt aktiv an der Ausarbeitung der Nürnberger Rassengesetze mitgewirkt hat“ – eine solche Mitwirkung ist, wie ausgeführt, unbekannt und unbelegt; Schmitt, Mitglied des „Führerrates“ der ADR, war bis 1936 Vorsitzender des Ausschusses für Staats- und Verwaltungsrecht und Mitglied des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“, vgl. Neumann, S. 308; E. Faye kann auch nicht mitteilen, mit welchem Ausschuss und in welcher Weise die ADR „unter dem Vorsitz von Hans Frank und Carl Schmitt aktiv an der Ausarbeitung der Nürnberger Rassengesetze mitgewirkt“ haben soll und welchen Beleg es dafür gibt – die Aussage ist frei erfunden; zu den Vorsitzenden der Ausschüsse vgl. W. Wolf, S. 3 f.; nur beiläufig und moderater bei Heffernan, S. 23: „the Committee for the Philosophy of Law (or Right) in the Academy for German Law (…), which played the role of an official consulting body for the composition of the Nuremberg Laws of 1935; G. Heffernan teilte auf Anfrage jedoch mit, dass kein expliziter Beleg dafür vorliege („no smoking gun“).

[11H. D. Heller, S. 114 m. Anm. 1074: Hans Frank, Im Angesicht des Galgens, München, 1953, S. 178; vgl. auch Pichinot, S. 62 ff.; zur Entstehung der Nürnberger Gesetze: H.G. Hermann (Hg.) S. 354; L. Gruchmann, 1983, S. 418–442.

[12Sitzungsthema.

[13A. Przyrembel, S. 138.

[14A. Przyrembel, S. 142: Hans von Dohnanyi „bemängelte vor allem, dass mit diesem Entwurf nicht das übergeordnete Ziel der ‚Rassengesetzgebung‘ – nämlich die Garantie eines grundsätzlichen ‚Rassenschutzes‘ erreicht würde; vgl. auch Wolf Gruner, Deutsches Reich 1933–1937, München, 2008, S. 346 m. Anm. 4 (Protokoll der Sitzung: BArch R 22/852, Bl. 75 mit handschriftlichem Eintrag): weitere Teilnehmer waren u. a. Fritz Gürtner, Roland Freisler und Fritz Grau; zu von Dohnanyis Rolle bei der Sitzung s. Sifton, Stern, S. 49 f.

[15Allgemein heißt es bei LeRoy Anderson, S. 56, dass die deutsche Gesetzgebung rassistisch war, demzufolge auch die ADR insgesamt (und nicht speziell jener Ausschuss) die Aufgabe hatte, rassistischen Gesetzen die Form zu geben – was jedoch ohne konkrete Ergebnisse blieb, supra, LeRoy Anderson S. 195, infra ders., S. 138.

[16W. Johe, S. 29: „Nach außen machte diese Amtsenthebung Franks [vom 20. 8. 1942, K.N.] deutlich, was den Mitgliedern der Akademie vermutlich schon länger ebenso bewußt war wie Frank, daß nämlich die Akademie für Deutsches Recht nie Einfluß auf die entscheidenden Gesetzgebungsmaßnahmen besaß. Als Gesetzgebungs- und -beratungsin­stanz hatte sie schon kurz nach ihrer Gründung keine Bedeutung mehr, wie das Zustandekommen der Nürnberger Gesetze vom September 1935 zeigt. Diese Gesetze (…) wurden der Akademie nicht vorgelegt. Vielmehr entstanden die Gesetze in wenigen Stunden während des Reichsparteitags 1935 in Nürnberg, verfaßt von den zuständigen Beamten des Reichsinnenministe­riums, die auch die Vorarbeiten geleistet hatten.“

[17Pichinot, S. 150 f.

[18LeRoy Anderson, S. 138.

[19Sidonie Kellerer, Heidegger n’a jamais cessé de soutenir le nazisme, Le Monde v. 27. Oktober 2017, S. 18.

[20François Rastier, Heidegger, théoricien et acteur de l’exterminatin des juifs? Un antisémitisme exterminateur, 5. November 2017.

[21Vgl. S. Kellerer a.a.O.: „C’est là une découverte majeure…“.

[22Ebd.: „une liste datée des membres de la commission qui prouve que Heidegger est resté membre de cette instance au moins jusque’en juillet 1942.“

[23Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 8. 11. 2017, „Ultrafaschismus – Neuer Streit um Heidegger“; Corriere della Sera v. 17. 11. 2017, „Heidegger filosofo del Reich fino al 1942“; La Tercera v. 12.11. 2017, „Martin Heidegger: más capítulos para una historia sin fin“.

[24Für die vom Bundesarchiv zur Verfügung gestellte Abbildung des Dokumentes s. FAZ, 11. Juli 2018, S. N 3.

[25Hans Frank (1900–1946), Jurist.

[26Carl August Emge (1886–1970), Jurist.

[27Viktor Bruns (1884 –1943), Jurist.

[28Hans Freyer (1887–1969, von 1935 bis 1944 Leiter des Deutschen Kulturinstituts in Budapest; von 12. Februar 1941 bis 1945 Präsident des Deuschen Wissenschaftlichen Instituts), Soziologe, Historiker und Philosoph.

[29Martin Heidegger (1889–1976), Philosoph

[30Ernst Heymann (1870–1946), Jurist.

[31Erich Jung (1866–1950), Jurist, Marburg, 1934 emeritiert.

[32Wilhelm Kisch (1874–1952), Jurist, 1935 vom Lehramt zurückgetreten, keine Vorlesungen mehr, 1937 Amt des Stellvertretenden Präsidenten der Akademie für Deutsches Recht an Carl August Emge abgegeben.

[33Max Mikorey (1899-1977), Psychiater.

[34Alfred Rosenberg (1892 oder 1893–1946), Architekt.

[35Erich Rothacker (1888–1965), Philosoph.

[36Carl Schmitt (1888–1985), Jurist.

[37Vgl. dazu H. Weinkauff, Die deutsche Justiz und der Nationalsozialismus, 1968, S. 74; 161 f.

[38Für die Angaben zum Artikel der Frankfurter Zeitung vom 4. Mai 1934 und zu Julius Streicher vgl. Victor Farías, Heidegger und der Nationalsozialismus, Frankfurt am Main, 1989, S. 277.

[39Julius Binder (1870–1939), Jurist.

[40Hans Naumann (1886–1951) Mediävist.

[41Helmut Nicolai (1895–1955), Jurist.

[42Jakob Johann von Uexküll (1864–1944), Biologe, Zoologe.

[43Julius Streicher (1885–1946), Volksschullehrer.

[44Rudolf Stammler (1856–1938), Rechtsphilosoph.

[45Vgl. Mehring, S. 93: „Es gab wohl eine scheiternde persönliche Begegnung im September 1933. Wahrscheinlich trafen sich beide später im Mai 1934 noch einmal, über Carl August Enge vermittelt, im Weimarer Nietzsche-Archiv bei einer Fachtagung des Ausschusses für Rechtsphilosophie der Akademie für Deutsches Recht‘“, m. Anm. 54; die Referenz dafür ist in letzter Folge der zitierte Bericht in der Frankfurter Zeitung, doch vgl. Kisiel, S. 156: „It is not clear, whether in the course of these common activities the two ever met, for example, at the meeting in the Nietzsche Archive in Weimar on May3-5, 1934.“

[46Martin Heidegger, GA 16, S. 156; s. zu dem Brief auch Juan C. Donado, Heidegger and Schmitt: The Bottom Line in: Telos (Sommer 1987).

[47Mehring, S. 93.

[48Neumann, S. 409 m. Anm. 617–622, Mitteilungen zur weltanschaulichen Lage des Amtes Rosenberg, Zweite Etappe, Bonn 1988, S. 103–111.

[49Spindler, S. 63 m. Anm. 305.

[50Blindow, S. 44.

[51Mehring, Schmitt–Smend, 2012, S. 103, Br. 76, Carl Schmitt an Rudolf Smend [Cod. Ms. R. Smend A 759 Bl. 58].

[52„Heimkehrerentlassungsschein“: 5. Juli 1946

[53Weidmann, S. 178, m. Anm. 499: BA-MA, RH, 12-23, H 20/483a

[54Weidmann, S. 178 m. Anm. 501 u. S. 371.

[55Rüther, S. 148 m. Anm. 40: „Aktennotiz vom 20.10.42 betr. Vortrag beim Präsidenten vom 16.10.42 (BA R 61/26 Bl. 4)“.

[56Vgl. Rüther, S. 144.

[57Ebd. zit. n. Rüther, ebd.

[58Haarmann, S, 324.

[59Vgl. S. Kellerer, Le Monde v. 27. 10. 2017, S. 18: „continue donc à siéger dans cette commission, au moins jusque’en juillet 1942, alors que la ‚solution finale‘ a été décidée en janvier 1942“; zudem legt S. Kellerer hier irrtümlicherweise den terminus ante quem zugrunde (dieser nicht „Juli“, sondern „20. August“), statt den terminus post quem (17. Juli 1941).

[60Die Klasse IV („Erforschung der völkischen Wirtschaft“) wurde am 1. Januar 1940 eingerichtet.

[61Zur Vorgeschichte der „Freiburger Kreise“ in der „Akademie für Deutsches Recht“ und zur Arbeitsgemeinschaft von Beckerath vgl. Goldschmidt (Hg.), S. 93: „Als Vorläufer der Klasse IV der Akademie für Deutsches Recht kamen über den Professorenausschuss mittelbar die Querverbindungen der Freiburger Kreise zum Kreisauer Kreis, nämlich zu Peter Graf Yorck von Wartenburg und zu Günter Schmölders, zustande, die beide zusammen mit den Freiburger Professoren an Arbeitsgemeinschaften der Akademie für Deutsches Recht beteiligt waren. (…) Von Relevanz für die Widerstandsaktivitäten auf dem Gebiet der Diskussion und Konzeption wirtschaftspolitischer Pläne ist die Akademie für Deutsches Recht und insbesondere die auf Betreiben von Jessen konstituierte Klasse IV insofern, als sie ein Forum aller der Professoren wurde, die darum bemüht waren, eine seriöse Wissenschaftskultur (…) zu erhalten, indem sie Raum für fachwissenschaftliche, von politischen Maximen weitgehend unbeeinflusste Diskussionen bot (…) – und das vor einem Publikum, in dem einige Persönlichkeiten des Widerstandes vertreten waren.“

[62Vgl. C. Tilitzki, 2003, S. 459 ff.

[63Sechs der siebzehn Mitglieder des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“ gehörten nicht der NSDAP an: Viktor Bruns, Hans Freyer, Erich Jung, Wilhelm Kisch, Rudolf Stammler, Jakob Johann von Uexküll.

[64Astrid Schwarz, 2009. S. 207-234, S. 224: „Staat als Organismus und Organismus als Staat“: „Der begriffliche Grenzverkehr zwischen Biologie und Politik durchzieht Uexkülls gesamte Schriften“; Chamberlain: ebd. S. 226.

[65C. Brentari, S. 38.

[66C. Brentari, S. 40: „He chose to write to Eva Chamberlain because she belonged to the circle of direct acquaintances of Hitler, so this letter was Uexküll’s attempt to be heard by the highest levels of the government“; Briefzitat aus dem Englischen wieder ins Deutsche übersetzt, Verf.

[67Vgl. Brentari S. 41: „Otto Cohnheim who ‚lost his appointment as a university professor because of racial politics‘“; Otto Cohnheim hieß seit seiner Taufe Otto Kestner und wurde am 30. Juni 1934 zwangsemeritiert.

[68Ebd. S. 42.

[69Sigmundt, S. 8. „Methodenstreit“ um die Frage der „Rechtsgewinnung“ in der Weimarer Republik, mit Stammlers neukantianischen Thesen beginnend; ebd. 12 f.: „Gedanke, auf einem philosophischen Fundament eine Rechtsphilosophie zu errichten, erlebte in Deutschland eine gewisse Renaissance, die nicht zuletzt durch Rudolf Stammler ausgelöst wurde.“

[70R. Stöwer, S. 246: Rothackers Position „war auf das Ziel angelegt, die in der nationalsozialistischen Ideologie zentrale Bedeutung von Rassenpolitik und Eugenik anzuerkennen, ohne die bereits ausformulierte Lebensstiltheorie gegen die Konkurrenz einer primär biologischen Sichtweise preiszugeben.“

[71Vgl. Heidegger, GA 36/37 S. 209 ff.: Kritik am Rassekonzept des Schriftstellers Erwin G. Kolbenheyer: „Schema einer Biologie, die er vor 30 Jahren kennengelernt hat“ (209), geprägt „von der liberalen Auffassung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft, wie sie im englischen Positivismus im 19. Jahrhundert herrschte“, dagegen sei das „Volk ein geschichtliches Wesen“ wozu „die Entscheidung zu einem bestimmten Seinwollen und Schicksal gehöre“, „Blindheit des Biologismus gegenüber der geschichtlichen existenziellen Grundwirklichkeit des Menschen bzw. eines Volkes“ (211), vgl. dazu Morat, S. 135 f.: “Hier wird deutlich, in welcher Weise der Heroismus von Freiheit und Notwendigkeit einem biologistischen Determinismus entgegenstand“; Siegfried, S. 412: „Besonders scharf artikuliert Heidegger seine Ablehnung einer (…) biologistischen Deutung des menschlichen Daseins in der Kritik an (…) Kolbenheyer; A. Schwan, Nachtrag 1988, S. 243: Hölderlins Dichtung als „Antistellung“ gegen Kolbenheyers Biologismus; GA 94, Überlegungen II–VI (Schwarze Hefte 1931–1938), Frankfurt/M, 2014, S. 189: „Rasse – was eine notwendige und sich mittelbar aussprechende Bedingung des geschichtlichen Daseins ist (Geworfenheit), das wird zur einzigen und hinreichenden nicht nur verfälscht – sondern zugleich als das, worüber gesprochen wird. Der ‚Intellektualis­mus‘ dieser Haltung, das Unvermögen zu scheiden zwischen rassischer Erziehung und Theoretisieren über Ras­se. Eine Bedingung wird zum Unbedingten aufgesteigert“; Heidegger, GA 95, Überlegungen VII–IX (Schwarze Hefte 1938/39), Frankfurt/M, 2014, S. 340: „Alles ‚Blut‘ und alle ‚Rasse‘, jedes ‚Volkstum‘ ist vergeblich und ein blinder Ablauf, wenn es nicht schon in einem Wagnis des Seins schwingt und als Wagendes dem Blitzstrahl sich frei stellt…“; GA 96 (Überlegungen XII–XV, Schwarze Hefte 1939–1941), S. 48: „Alles Rassedenken ist neuzeitlich, bewegt sich in der Bahn der Auffassung des Menschen als Subjektum. (…) ‚Volkstümer‘ sind nur Vorbehalte und Machtmittel und Machtzwecke“; diese Einordnung des Rassismus unter den Subjektivismus findet sich auch in GA 69, S. 70, wo Heidegger das „Rassesein“ zur „Erfahrung des Seins als Subjektivität“ ordnet, und hier muss den Heidegger-Verteidigern darin zugestimmt werden, dass diese Klassifizierung im Kontext der heideggerschen Subjektivismus-Kritik von Descartes bis Hegel gilt – doch hieß es bei E. Faye, Die Zeit, 2005: „Diese Ontologisierung des Rassismus (…) ist in meinen Augen schlimmer als die Hitlerverehrung“; der naiven Fehldeutung hat sich Krzysztof Ziarek angenommen, Beyond Revolution: Benjamin and Heidegger on Violence and Power, in: Andrew Benjamin, Dimitris Vardou­lakis (Hg.), Sparks Will Fly: Benjamin and Heidegger, New York, 2015, S. 219–236, hier: S. 227 f., der zu dem Urteil kommt: „Faye is either unable to understand what he reads in Heidegger or intentionally misreads him“; GA 96 (Überlegungen XII-XV, Schwarze Hefte, 1939–1941), Frankfurt/ M, 2014, S. 56 f.: Heidegger weist hier das Rasseprinzip und die „rassische Aufzucht“ zurück, bettet darin aber den Satz ein: „Die Juden ‚leben‘ bei ihrer betont rechnerischen Begabung am längsten schon nach dem Rasseprinzip, weshalb sie sich auch am heftigsten gegen die uneingeschränkte Anwendung zur Wehr setzen“; vgl. dazu Th. Kisiel, Heideggers geschichtliche Be-Sinnung auf die Welterereig­nisse der NS-Jahre, in: Martin Heideggers Schwarze Hefte, S. 255: „Kurz gesagt, die Machenschaft rassischer Aufzucht ‚entrasst‘ ein Volk nicht nur und entfremdet es von sich selbst und seiner lebendigen Faktizität, sondern sie reißt ihm gleichzeitig seine tiefen geschichtlichen Wurzeln aus, und das führt zum Verlust seiner geschichtlichen Identität und seines geschichtlichen Da-Seins“; zu Heideggers von der biologistischen Konzep­tion explizit abweichende Position s. Leaman, S. 136; Mehring, S. 165 f.; Trawny, S. 29; Zaborowski, S. 633 f.

[72Gemäß der Definition, dass Völkermord (Genozid) gegeben ist, wenn gleichermaßen Frauen, Männer und Kinder eines Volkes getötet werden, was am 15. August 1941 begann.

[73S. Kellerer, Le Monde v. 27. 10. 2017: „alors que la ‚solution finale‘ a été décidée en janvier 1942“; vgl. zur These von C. Gerlach, erst der 12. Dezember1941 sei der terminus a quo für Hitlers Entscheidung zur „Endlösung“, z. B. die Studie von M. Moll, Steuerungsinstrument im „Ämterchaos“: Die Tagungen der Reichs- und Gauleiter der NSDAP, Institut für Zeitgeschichte, München. Berlin, 2001, S. 25 ff. m. Anm. 96, d.i. Gerlach, Krieg, S. 123 ff. u. S. 135: „Am 12. Dezember hatte Hitler seine Entscheidung, die europäischen Juden zu ermorden, vor der Parteispitze bekanntgegeben“; aufgrund der Quellenlage wird überwiegend der Zeitraum der letzten Monate des Jahres 1941 zugrundegelegt; alternativ sieht das Konzept der Radikalisierungsphasen von P. Longe­rich sukzessive Entscheidungsinstanzen bis zum Frühsommer 1942 vor: Die Eskalation der NS-Judenverfolgung zur ‚Endlösung‘. Herbst 1939 bis Sommer 1942, Symposium on the Origins of Nazi Policy, Gainesville, 1998; ders. Der ungeschriebene Befehl. Hitler und der Weg zur ‚Endlösung‘, München, 2001; s.. auch M. Broszat, Hitler und die Genesis der ‚Endlösung‘: Aus Anlaß der Thesen von David Irving, in: VfZ 25, 1977, S. 739–775; C. R. Browning, Zur Genesis der ‚Endlösung‘: Eine Antwort an Martin Broszat, Institut für Zeitgeschichte, München, Berlin, 1981; dagegen steht außer Frage, dass die Wannseekonferenz keine diesbezügliche Beschlusskonferenz war und der „Januar 1942“ als Datum zur „Entscheidung der ‚Endlösung‘“ unhaltbar ist.

[74F. Rastier, Heidegger, théoricien et acteur de l’extermination des juifs? In: The Conversation, 1. Nov. 2017, zu Frank im Kontext des Jahres 1941: „Sous son autorité, les premiers gazages avaient alors déjà commencé dès septembre à Auschwitz et décembre à Chelmno“.

[75Die ersten Vergasungen in Auschwitz wurden von Karl Fritzsch initiiert, unter der Verantwortung von Himm­ler, Richard Glücks und Rudolf Höß; Auschwitz lag auch nicht politisch im Verantwortungsbereich von Hans Frank, dem „Generalgouvernement“, sondern, in dem von den NS-Herrschern eingerichteten „Landkreis Bie­litz“, als Teil des „Regierungsbezirkes Kattowitz“ der „Provinz Schlesien“ eingegliedert; Frank hat das später selbst als entlastendes Argument verwendet, obwohl er am 14. Juni 1940, vor Beginn der Vernichtungen, 728 Polen, teils jüdisch, nach Auschwitz deportieren ließ (vgl. H. Frank, Diensttagebuch, 1975, S. 402 f. u. 451); dass die Vergasungen von etwa 250 Patienten und 600 sowjetischen Kriegsgefangenen am 3. (?) 9. 1941 in Auschwitz I „unter der Autorität“ von Frank stattfanden, ist unbekannt und abwegig; zu „Chelmno“: das Ver­nichtungslager Kulmhof lag zwischen Koło und dem Dorf Chelmno im „Landkreis Warthbrücken“ im „Reichs­gau Wartheland“, ebenfalls nicht in Franks „Generalgouvernement“; „Gauleiter“ im „Reichsgau Wartheland“ war Arthur Greiser, 1946 vom polnischen Militärtribunal auch wegen Kulmhof angeklagt (vgl. Catherine Epstein, Model Nazi: Arthur Greiser and the Occupation of Western Poland, Oxford, 2012, S. 334 f.), zum Tod verurteilt und öffentlich hingerichtet; die Beteiligten an der Planung und Realisierung der ersten Vergasung von Juden und Roma mit Gaswagen in Kulmhof und im Wald von Rzuchów waren u. a.: Himmler, Göring, Arthur Greiser, Wilhelm Koppe, Herbert Lange und Herbert Mehlhorn; auch hier ist die „Autorität“ von Hans Frank unbekannt und auszuschließen; aufgrund der extensiven Literatur wird auf weitere Quellenverweise verzichtet.

[76Bei S. Kellerer, s.o., ist es der Juli 1942 – beide Angaben zum Blatt 171 sind falsch und unverständlich.

[77F. Rastier, a.a.O.: „Ainsi, depuis 1934 et au moins jusque’en décembre 1942, la Commission pour la philosophie du droit a-t-elle préparé et accompagné l’extermination, tant en pratique qu’en théorie, non seulement en lui fournissant ses conditions juridiques, en la légalisant et en la légitimant“.

[78Vgl. Werner Schubert, Akademie für Deutsches Recht – Protokolle der Ausschüsse, Band VIII: Ausschüsse für Strafrecht, Strafvollstreckungsrecht, Wehrstrafrecht, Strafgerichtsbarkeit der SS und des Reichsarbeitsdienstes, Polizeirecht sowie für Wohlfahrts – und Fürsorgerecht (Bewahrungsrecht).

[79Vgl. Frankfurter Zeitung vom 14. 5. 1939, zit. N. Schubert, Schmid, Regge, S. 11.

[80Schubert, Schmid, Regge, S. 6.

[81Ebd. S. 9 f. m. Anm. 33: H. Lange, Entwicklung der Wissenschaft vom bürgerlichen Recht, 1941, S. 33.

[82Vgl. dazu auch ebd. S. 13, Anm. 40: Lange Jahrbuch 1939/40 (6.7. jg.) der Akademie für Deutsches Recht, S. 48–61.

[83Ebd. S. 13.

[84F. Rastier, Libération, 5. 11. 2018: „Ces faits s’accordent toutefois avec le secret dans lequel a été tenue la mise en œuvre de l’extermination, et cette discrétion peut parfaitement attester de l’importance de la Commission, alors que dès 1939 une ‚guerre invisible‘ avait été déclarée“.

[85Es ist zwar einzuräumen, dass Franks Entscheidung, die Akten des „Ausschusses für Rechtsphilosophie“ 1938 zu vernichten, was heute vor allem bezüglich der Sitzungsprotokolle, Tagungsordnungen und der Themenfelder etwaiger Gutachten ins Gewicht fällt, insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Protokolle der anderen Ausschüsse nicht vernichtet wurden, ein lohnendes Sujet der Forschung darstellt, doch zunächst wäre in Betracht zu ziehen, dass die durch die Besetzung – Bruns, von Uexküll, Stammler – vorauszusetzende Heterogenität der Meinungen, darunter solcher, die von der NS-Linie abwichen, der Grund für die Vernichtung der Protokolle gewesen sein kann, denn Frank konnte kein Interesse daran haben, mit derlei in schriftlich dokumentierter Weise in Verbindung gebracht zu werden; der Schluss eines Beweises des klandestinen Charakters des Ausschusses in Übereinstimmung mit dem klandestinen Charakter des Holocausts ist intentional und laienhaft und bräuchte wenigstens eine kontextualisierte Bewertung durch Historiker, da Frank ja z. B. im „Diensttagebuch“ von Konzentrationslagern und von Treblinka spricht (H. Frank, Diensttagebuch, S. 88; 212; 219; 420; zu Majdanek: ebd. S. 909; vgl. Schudnagies, S. 50 ff.:, Piotrowski, S. 60 f), diese Dokumente aber nicht vernichten ließ; es ist auch widersinnig, dass ein Ausschuss im Verborgenen eine rechtsphilosophische Grundlage für ein heimliches Verbrechen schaffen soll und selbige dann vernichtet wird; auch Franks nach 1945 geäußertes Bedauern, nicht an den Nürnberger Gesetzen beteiligt gewesen zu sein, widerspricht einer von ihm deshalb geheimgehalten Funktion des „Aus­schusses für Rechtsphilosophie“ 1934/35, und für 1938, zum Zeitpunkt der Vernichtung der Akten (nicht 1941/42, das Blatt ist erhalten und jede „Akte“ wäre hier erfunden) lässt sich bei Frank kein Motiv für die Geheimhaltung eines Einflusses des Ausschusses bei der Gesetzgebung von 1935 konstruieren; für die Vernichtung von Dokumenten des Ausschusses nach 1938 gibt es überhaupt keinen Anhaltspunkt.

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