MOZ, Nummer 49
Februar
1990
Die grüne Alternative oder:

Sind die Grünen noch alternativ?

Wir haben zwar mittlerweile eine grüne Programmdiskussion in Gang gebracht, haben uns bis jetzt aber um eine grüne Grundsatzdiskussion gedrückt. Wir haben uns auch gedrückt vor einer Diskussion, die sich mit basisdemokratischen Aspekten auseinandersetzt sowie vor einer Diskussion, die sich mit Fragen unserer politischen Glaubwürdigkeit beschäftigt. Alle diese Fragen spielen stark hinein in unsere jüngsten Diskussionen.

Nehmen wir einmal die von der Koalition putschartig ins Spiel gebrachte Parteienfinanzierung für die kommenden NR-Wahlen: Die Variante, im Parlament dagegen zu stimmen und die Auszahlung dann doch zu beantragen, halte ich für die schlechteste. Denn es wird letztendlich doch hinüberkommen, daß die Grünen zuerst Nein und dann doch Ja gesagt haben und daher auch so mies sind wie alle anderen Parteien.

Da gefällt mir die Argumentation meiner Kollegen Wabl und Smolle schon besser, weil sie: realistischer und ehrlicher ist. Sie lautet: „Wir stehen zu der Notwendigkeit, das Geld zu nehmen, weil die Parteil finanziell ohnehin am Sand ist.“ Dennoch ist das nicht gerade die andere Art von Politik, die wir immer machen wollten.

Also gibt es für mich nur eine richtige Vorgangsweise: ein klares Nein zur Politik der Koalitionsparteien, den Staat einmal mehr als Selbstbedienungsladen zu betrachten. Übrigens: Die Reaktionen in der Öffentlichkeit sprechen eindeutig für die Variante 3.

Oder nehmen wir die von Voggenhuber ins Leben gerufene Diskussion zu der sogenannten „Koalitionsfrage“: Bei dieser völlig unnotwendigerweise vom Zaun gebrochenen Diskussion entstand bei vielen Menschen der Eindruck, die beiden Grün-Funktionäre könnten es schon nicht mehr erwarten, möglichst bald die Regierungsbank zu drücken. Diese Diskussion zeigte aber auch Mangel an Solidarität und politischem Fingerspitzengefühl sowie eine ungeheure Oberflächlichkeit und falsche Einschätzung der Stimmung in der Bevölkerung. Natürlich geht es nicht um die Frage „Regierungsbeteiligung ja oder nein“, sondern es geht darum, vorerst einmal die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen ausführlich zu diskutieren — aber auch erst zu einem Zeitpunkt, wo es zuvor bereits gelungen ist, dem Wähler klar zu antworten auf die Frage: Wofür stehen die Grünen eigentlich? Denn diese Frage wurde von uns in vielen Bereichen noch längst nicht beantwortet!

Schließlich haben uns die Menschen ja nicht deswegen gewählt, damit wir uns möglichst schnell ins bequeme Koalitionsbett legen. Ich meine, wir Grünen müssen durch eine radikale und konsequente Oppositionspolitik deutlich machen, daß wir die einzige Oppositionspartei in diesem Lande sind und nicht etwa nur die 4. Parlamentspartei! Kein gutes Beispiel für die von uns proklamierte neue politische Kultur sind die Vorgänge rund um die Kandidatenfindung für die nächsten NR-Wahlen: Da wird bereits 2 Jahre vor Ablauf dieser Legislaturperiode von grünalternativen Fädenziehern aus dem Bereich der Bundespartei und des Klubs an den Sesseln der Mehrzahl der Abgeordneten gesägt. Dank der guten Medienkontakte einiger grüner Funktionäre können die Abgeordneten dann aus den Medien entnehmen, wer von ihnen bereits seinen Schreibtisch räumen sollte und wer als NachfolgerIn gehandelt wird. Das nenne ich gelebte Solidarität!

Das gleiche Fingerspitzengefühl wurde von einigen aus unseren Reihen in der Frage der Spitzenkandidaten bewiesen: Soll die (grüne) Fortsetzung des Personenkults mit anderen Mitteln (Namen) etwa die Alternative zu den alten Parteien sein? Da hilft es auch nichts, wenn 2 männlichen Spitzenkandidaten schnell 2 Frauen zur Seite gestellt werden sollen. Grüne Inhalte können am besten durch eine Vielzahl von grünen Kandidaten vertreten werden. Wir brauchen keinen Personenkult — wir brauchen keine Spitzenkandidaten!

Als besonders bedauerlich empfand ich die Meinung, mit der Erreichung der Frauenparität hätten sich die Grünen bereits all ihrer „paritätischen“ Verpflichtungen entledigt. Aber auch das Ergebnis der Diskussion am letzten Bundeskongreß ist für mich alles andere als befriedigend: Ich finde es zynisch und oberflächlich, gesellschaftlich unterdrückte Gruppen wie. z.B. Frauen, ethnische Minderheiten oder behinderte Menschen gegeneinander auszuspielen. Für mich ist das Recht auf ein Vertretenwerden im Parlament für alle drei Gruppen gleichwertig vorhanden! Bei der Reihung der Kandidaten am nächsten Bundeskongreß wird sich zeigen, ob an dem Vorwurf, Minderheiten und Behinderte wären bei den letzten Wahlen nur ein willkommener Aufputz gewesen, etwas dran war.

Leider hat sich eine Ellbogenkultur in unseren Reihen breitgemacht: Nach dem Motto „Gelobt sei, was hart macht (ist)“, gilt der als der Erfolgreichste, dessen Name möglichst oft in den Medien vorkommt, auch wenn er noch so einen Schwachsinnn von sich gegeben hat. Es zählen die Einschußlöcher und nicht die Treffer!

Oder ist es etwa grüne Kultur, wenn ein hochrangiger grüner Funktionär auf kritische Äußerungen eines grünen Abgeordneten mit dunklen Drohungen antwortet? Wo bleibt hier die grüne Forderung nach einer Organisation des Dissens (s. MONATSZEITUNG 12/89, Seite 17)?

Wir Grünen müssen uns aber immer wieder die selbstkritische Frage stellen: Was ist bei unserer Politik anders als bei den anderen Parteien?

Ein weiterer bedauerlicher Schritt der Anpassung an den vom Wähler nicht mehr gewollten Stil der anderen Parteien war die Übernahme des grünen ORF-Kuratorssessels durch einen Parteifunktionär. Zuerst das Apparatschik-Unwesen bei den anderen Parteien zu kritisieren und dann selbst schnell einen hineinzusetzen — wo bleibt da unsere Glaubwürdigkeit?

Für mich sind Fragen der Glaubwürdigkeit deshalb so wichtig, weil diese insbesondere vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten Monate und Jahre und der damit verbundenen Diskussion in der Öffentlichkeit meiner Meinung nach unseren wichtigsten Aktivposten darstellen, den wir nicht durch unüberlegte Handlungen und Äußerungen mutwillig zerstören dürfen.

Wir müssen alles daran setzen, um weiterhin die grüne Alternative zu bleiben!

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