Wurzelwerk, Wurzelwerk 38
April
1985

Waldlehren

Chancen des Waldsterbens

Angesichts frühzeitig absterbender Bäume mag der Gedanke, daß das „Waldsterben“ auch für etwas gut sein sollte, vielen wie Hohn erscheinen. Dennoch ist es so: Ohne das Waldsterben hätten wir nicht gelernt, daß unser bisheriges Verhalten der Natur gegenüber nicht ohne ernste Folgen bleibt. J.M. Keynes sollte recht behalten, wenn er sagte: „Geiz, Wucher und Mißtrauen müssen noch eine Weile unsere Götter sein, denn nur sie können uns aus dem Tunnel wirtschaftlicher Notwendigkeit zur Helligkeit führen.“ Das Waldsterben ist ein politisches Lehrstück, das uns die Chance gibt, aus den Fehlern zu lernen; zum Teil tun wir es auch schon. Absterbende Bäume und Baumskelette sind Mahnmale von außerordentlicher Symbolkraft, daß der bisherige Weg falsch war.

Externalisierung von Kosten

Was haben wir denn falsch gemacht in der Vergangenheit, daß innerhalb weniger Jahre 50% des deutschen Waldes und mindestens 8% des österreichischen Waldes (d.s. 300.000 ha) krank geworden sind? Zwar liegen bis heute keine gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Ursachen des Waldsterben vor, doch gibt es ausreichend Indiziennachweise, daß die Emissionen aus Industrie und Gewerbe, Hausbrand sowie Verkehr maßgeblich an der Entstehung der Walderkrankung mitwirken. Es ist eben angenehmer, einfacher und kurzfristig ökonomischer, bestimmte kostenverursachende Maßnahmen der Emissionsbekämpfung zu unterlassen und die Wirkungen dieser Unterlassungen, die sogenannten negativen externen Effekte, auf andere abzuwälzen. So entstanden schon früh in den waldreichen Industriegebieten Österreichs die klassischen lokalen Rauchschäden im Bereich der Rauchfahne. Neu hingegen sind die emittentenfernen Waldschäden, die durch Fernverfrachtung von Schadstoffen und deren chemischer Veränderung im Zusammenwirken untereinander sowie mit anderen „Streßfaktoren“, wie Trockenheit, Frost, Nebel, Bodenart, Waldbewirtschaftung u.a. entstehen dürften. Dementsprechend können in der Geschichte des Waldsterbens zwei Phasen unterschieden werden: die Phase der klassischen Rauchschäden bis etwa 1980 und danach die Phase der emittentenfernen Waldschäden, deren Ende noch nicht abzusehen ist.

Land am Strome

Problemwahrnehmung und Politikformulierung

Die klassischen lokalen Rauchschäden machten in den sechziger Jahren rund 25.000 ha aus: bis 1980 war die Fläche auf das Fünffache angewachsen. [1]

Im März 1964 legte die Rechtsabteilung I/2 des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft ausgewählten forstwirtschaftlichen Verbänden einen Arbeitsentwurf vor, der als Rohentwurf eines späteren Abschnittes des Forstgesetzes über „Rauchschäden im Wald“ gedacht war. In den allgemeinen Erläuterungen hiezu wird die Auffassung vertreten, daß die Vermeidung von Emissonen „nicht durchsetzbar und auch volkswirtschaftlich nicht vertretbar wäre. Es werden Rauchschäden hingenommen werden müssen, unter Umständen sogar beträchtliche. Eine umso größere Bedeutung kommt darum der Schadenersatzfrage zu.“ [2] Bereits in diesem ersten Entwurf wird das hohe Konfliktniveau der Interessen von Forstwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft deutlich, das bis zur Beschlußfassung des Forstgesetzes 1975 mit dem Abschnitt IV/C über Forstschädliche Verunreinigungen bestehen blieb und sich in der Verordnungsgebung fortsetzt; die dazwischenliegenden Entwürfe 1967, 1968, 1971 und 1974 sowie die Stellungnahmen hiezu spiegeln den fast aussichtslosen Versuch des Gesetzgebers wider, den Wald vor forstschädlichen Luftverunreinigungen wirkungsvoll zu schützen: Erst wenn der Schadstoffeintrag (Immission) waldgefährdend ist, können nach dem Prinzip der Immissionsbegrenzung vorbeugende Maßnahmen der Anlagenbewilligung sowie der Auflagenerteilung ergriffen werden. Hiezu bedürfte es einer Verordnung über die Immissionsgrenzwerte bestimmter Schadstoffe, deren Beschlußfassung auf sich warten ließ.

Die Phase der emittentenfernen Waldschäden hängt ursächlich mit dem Prinzip der Immissionsbegrenzung zusammen. Sie hat seit den sechziger Jahren in den europäischen und auch österreichischen Industriegebieten zu Hochschornsteinpolitik und damit zur Fernverfrachtung von Schadstoffen geführt. Den Auftakt zur Problemwahrnehmung emittentenferner Waldschäden setzte das deutsche Wochenmagazin „Spiegel“ mit einer Artikelserie im November 1981. Aufgrund des damaligen Wissensstandes wurde die Hauptursache im „Sauren Regen“ vermutet. Mit nur wenigen Wochen Verzögerung übernahmen die österreichischen Massenmedien das neue Thema. Von Anfang 1982 an erschienen in immer kürzeren Abständen und in immer größerer Aufmachung Beiträge zu diesem Thema.

Seit Beschlußfassung des Forstgesetzes 1975 war das Problem der forstschädlichen Luftverunreinigungen kein brennender Tagesordnungspunkt der forstpolitischen Agenda mehr. Man wartete viel mehr auf die Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen, um die forstgesetzlichen Bestimmungen endlich anwenden zu können. Unter dem Druck der veröffentlichten Meinung wurde im Juli 1982 die Erste Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen erlassen; im September desselben Jahres folgte die Erste Durchführungsverordnung zum Dampfkesselemissionsgesetz. Weitere staatliche Aktivitäten galten genauen Erhebungen über das Ausmaß der Waldschäden, der Schaffung eines Umweltfonds (Oktober 1983), der Senkung des höchst zulässigen Schwefelgehalts im Heizöl sowie der Verbesserung der beiden Verordnungen zum Forstgesetz und Dampfkesselemissionsgesetz (Frühjahr 1984). Dazu kamen Absichtserklärungen der Bundesländer (August 1983 und Juli 1984) und der Bundesregierung (November 1983) sowie zwischenstaatlichen Abkommen. Die jüngsten Regelungen betreffen die Einführung des abgasfreien Autos sowie die Schaffung eines Bundesumweltamts.

Bewertung der bisherigen Luftreinhaltepolitik

Die beiden Phasen der klassischen lokalen Rauchschäden und der emittentenfernen Waldschäden unterscheiden sich in Bezug auf die Formen der Konfliktaustragung und die Konfliktregelung erheblich voneinander. Das Problem der klassischen lokalen Rauchschäden wurde seit über 25 Jahren unter weitgehendem Ausschluß der Öffentlichkeit technokratisch geregelt. Die Instrumente hiezu sind im privatrechtlichen Bereich die Schadenersatzpflicht und im öffentlich-rechtlichen Bereich das Prinzip der Immissionsbegrenzung. Beide Instrumente begünstigen in ihrer Ausformung im Forstgesetz 1975 die Betreibung von Anlagen und spiegeln das unterschiedliche Durchsetzungsvermögen von Industrie und Forstwirtschaft wider. In der zweiten Phase der emittentenfernen Waldschäden wich die selektive Problemwahrnehmung und -verarbeitung einem umfassenden öffentlichen Thematisierungsprozeß, der, von den Massenmedien getragen, die Mobilisierung breiter Bevölkerungsschichten und die Bildung von Gegenmacht zugunsten der Umweltschutzinteressen bewirkte. Diesem Umstand sind gewisse Erfolge bei der Verringerung von Schwefeldioxid in der Luft sowie der Schaffung des Umweltfonds zu verdanken. Bis zu den Ereignissen in Hainburg im Dezember 1984 war staatliche Luftreinhaltepolitik weitgehend symbolische Politik. Was an nicht abgeschlossener Konfliktaustragung unterblieb und sich in mangelnder Politikformulierung ausdrückt, wurde teils in den Verordnungsgebungsprozeß weitergegeben, teils der Vollziehung übertragen, wobei unbestimmte Rechtsbegriffe für die Durchsetzung einflußreicher Interessen sorgen. [3] Erst die Maßnahmen der jüngsten Zeit (Reduzierung der Stickoxidemissionen von Kraftwerken und Kraftfahrzeugen) geben zur Hoffnung Anlaß, daß die Rücksichtnahme auf die Natur in der Politik Priorität bekommen hat.

Baum und Wald als Symbole

In der laufenden Umweltdebatte fällt auf, daß die Sorge um die Bäume und den Wald alles andere überschattet, obwohl wir genau wissen, daß auch Kulturdenkmäler, landwirtschaftliche Kulturen, Wildtiere, Fische und natürlich auch unsere eigene Gesundheit unter den Folgen der Luftverschmutzung leiden. Warum reagieren wir aber so empfindlich, wenn der Wald bedroht ist, auch wenn er uns gar nicht gehört?
Es spricht vieles dafür, daß Baum und Wald in unserem Denken archetypisch verankert sind und eine ungeheuer reiche Symbolkraft aufweisen. [4] [5]

Lehren aus dem Waldsterben

Die Krise des Waldes kann auf Grund des derzeitigen Standes des Wissens nur beendet werden, wenn es gelingt, die Emissionen in den drei Bereichen: Industrie und Gewerbe, Hausbrand und Verkehr rasch und drastisch zu reduzieren. Der eigentliche Engpaß ist die Durchsetzung der „ökologischen Modernisierung“ im politischen Prozeß. Betriebe und Haushalte versuchen, entsprechend dem ökonomischen Prinzip ihre Kosten zu gering wie möglich zu halten. Rücksichten auf Dritte, die Kosten verursachen, werden trotz aller moralischen Einwände in der Regel nicht wahrgenommen, wenn sie nicht vom Markt angeregt oder politisch erzwungen werden. Welche Chancen haben staatliche Regelungen, die Externalisierung von Kosten zu verhindern? Die Geschichte der staatlichen Regelungsbemühungen, den Wald vor forstschädlichen Luftverunreinigungen zu schützen, kann als Lehrstück für geeignete Maßnahmen dienen.

Der Baum ist Symbol für hohes Alter, ewiges Leben, Glück, Stille, Geborgenheit, Mutter und Abhängigkeit der Generationen voneinander und Verantwortung füreinander. Wir pflanzen daher Wunschbäume, Friedensbäume und sind stolz auf unseren Stammbaum. Der Baum ist aber auch Symbol der jährlichen Wiederkehr oder Erneuerung des Lebens, das wir im Maibaum, in den Birken zu Fronleichnam und im Christbaum ausdrücken. Schließlich ist sein senkrechter, überragender Wuchs Symbol für die Überwindung der erdgebundenen Dunkelheit und das Streben zum Licht und somit auch Symbol für die Vermittlung zwischen Mensch und Gott. Diese Symbolik kommt in den Säulen der Tempel, Kirchen und Rathäuser zum Tragen, die ursprünglich aus dem Baumstamm hervorgegangen sind.

Die knappe und unvollständige Aufzählung der Baumsymbole macht deutlich, daß der Anblick des Waldes uns in unserem Innersten berührt und Urbilder von menschlichen Vorstellungsmustern vor unser geistiges Auge zaubert: Durch die Bedrohung des Waldes wird in uns all das bedroht, wofür der Wald Symbol ist, nämlich Glück, Frieden, Geborgenheit, Erneuerung, Glaube u.a.m. Mag sein, daß die Archetypen „Wald“ und „Baum“ als Strukturelemente des der ganzen Menschheit gemeinsamen kollektiven Urbewußten mehr sind als nur Rohstoff der Holzwirtschaft und Energieträger und daher von Natur- und Umweltschützern ideologisch vor ihrer Bedrohung geschützt werden.

Lange Zeit unterblieben wirksame Maßnahmen gegen Industrie und gewerbliche Wirtschaft, weil der Staat selbst ökonomisch wie politisch am Wirtschaftswachstum interessiert ist. Er neigt daher zu Reparaturstrategien, durch die neues Wirtschaftswachstum induziert wird (z.B. Filteranlagen, Katalysatoren, Forschungsförderung, Patenschaft für kranke Bäume) und meidet Veto-Entscheidungen zugunsten „sanfter Technologien“. Dazu kommt die besondere Durchsetzungsfähigkeit industrieller und gewerblicher Interessen, die in gewerkschaftlichen Interessen einen weiteren mächtigen Bündnispartner gegenüber Umweltschutzinteressen finden (z.B. Zwentendorf, Hainburg). Mit der Formierung und Organisierung der Umweltinteressen ist aber ein Gegengewicht entstanden, das zu einem Umdenken geführt hat. Es beginnt sich innerhalb der gewerblichen Wirtschaft die Erkenntnis durchzusetzen, daß die Abwälzung der Kosten eines Teils der Wirtschaft auf andere Teile der Wirtschaft (z.B. Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Jagd, Holzwirtschaft, Fremdenverkehr) letztlich kein gemeinsames Interesse aller Wirtschaftstreibenden ist. Da die Handelskammern in Österreich nur gemeinsame Interessen aller Mitglieder wahrzunehmen haben, ist es in Zukunft immer weniger wahrscheinlich, daß sie die Durchsetzung wirksamer politischer Maßnahmen der Luftreinhaltepolitik verhindern werden.

Wenn Demokratie die Konkurrenz der politischen Parteien um die Stimmen der Bürger ist, ist es für die Opposition opportun, der Regierung unpopuläre Maßnahmen abzuverlangen, für die Regierung aber, solche zu vermeiden, wenn sie von der Opposition nicht mitgetragen werden. Dennoch wurde im Jänner 1985 die Einführung abgasarmer Autos beschlossen, die nach der Übergangsfrist bis 1. Jänner 1988 den Ankauf von Autos empfindlich belasten wird. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht die Medien durch unermüdliche öffentliche Thematisierung des Waldsterbens für ein hohes Maß an Problembewußtsein gesorgt hätten. Es ist offenbar gelungen, nicht nur Betroffenheit auszulösen, sondern auch breite Akzeptanz für notwendige Opfer zur Gesundung der Umwelt herzustellen.

Durch Wald und Flur: Hochspannung

Wirksame Maßnahmen gegen grenzüberschreitende Fernemissionen auf der Grundlage zwischenstaatlicher Übereinkommen hatten bisher wenig gebracht; sie unterblieben, weil die Staaten voneinander abhängen; die Durchsetzung eines Mehrheitsbeschlusses wird vermieden, weil die Mehrheit beim nächsten Mal auf die Unterstützung der Minderheit angewiesen sein könnte. Dieses „Kartell“ autonomer Staaten bewirkt Rücksichtnahme auf das schwächste Glied. Grenzüberschreitende Fernemissionen würde es nicht geben, wenn jeder Staat eine wirksame Luftreinhaltepolitik verfolgte. Um sich in diesem Bestreben gegenseitig zu nützen, sollte jeder Staat unabhängig von den anderen versuchen, den ersten Schritt in eine saubere Zukunft zu tun. Meist haben kleine neutrale Staaten bessere Voraussetzungen als große Staaten, die Schrittmacherrolle in der Luftreinhaltepolitik zu übernehmen. Die Schweiz hatte 1984 mit der Geschwindigkeitsbegrenzung den ersten Schritt gemacht, Österreich wird mit den Katalysatorautos folgen. Die Angst vor Wettbewerbsnachteilen sollte mittel- bis langfristig durch den Vorsprung in der Umwelttechnologie mehr als ausgeglichen werden können, wie das Beispiel Japan lehrt.

Der Staat zögerte auch bisher, gezielte Maßnahmen zu setzen, weil die naturwissenschaftlichen Ursache-Wirkungszusammenhänge des Waldsterbens noch nicht restlos erforscht sind; insbesondere sind verschiedene Wechselbeziehungen der einzelnen Streßfaktoren (Synergismus) noch weitgehend unbekannt. Es kann daher argumentiert werden, daß bestimmte Regelungen der gesamten Volkswirtschaft mehr schaden als nützen. Es ist unbestritten, daß die Maßnahmen gegen das Waldsterben umso differenzierter und für uns alle schonender sein könnten, je mehr wir über die Ursachen wissen. Aber gerade weil wir nicht genau wissen, ob schon geringe Mengen des einen Schadstoffs in Kombination mit anderen Ursachen zu verheerenden Folgen führen können, müssen wir besonders vorsichtig sein und dürfen nichts unterlassen. Aus dem Prinzip der Vorsorge folgt die Doppelstrategie der Emissionsbegrenzung und Immissionsbegrenzung.

Obwohl die Umweltbelastung jeden Bürger nachteilig betrifft, wird ihre Beseitigung vom einzelnen Bürger zu wenig nachdrücklich gefordert. Umweltschutzmaßnahmen sind sog. „Öffentliche Güter“, d.h. sie kommen jedem zugute, sobald sie einmal bereitgestellt sind. Der einzelne handelt daher rational, wenn er sich für die Durchsetzung dieser Maßnahmen nicht persönlich einsetzt und sich auf die anderen verläßt. So denkt jeder Bürger, weil die Gruppe der an Umweltschutz Interessierten sehr groß ist. Aus der „Theorie des kollektiven Handelns“, die erklärt, warum sich große Gruppen von Gleichgesinnten schwer tun, sich zu organisieren und ihr Gruppenziel zu erreichen, folgt auch, daß sich kleine Gruppen dabei viel leichter tun. Der einzelne schätzt seinen Grenznutzen für die Erreichung des Gruppenziels so hoch ein, daß er allein bereit ist, sich dafür einzusetzen. Im Umweltschutz äußert sich dieses Verhalten häufig als St. Florian-Prinzip: „Heiliger St. Florian, verschon mein Haus, zünd’s andre an“. Obwohl es schäbig sein mag, sich Vorteile zu Lasten anderer zu verschaffen, bewirkt das St. Florian-Prinzip immerhin massiven Widerstand gegen mehr Umweltbelastungen (z.B. Japan). Bürgerinitiativen gegen drohende Umweltbelastungen gehen fast immer von einem solchen Kern einiger weniger Betroffener aus. Sie sollten mehr als bisher von bestehenden Umweltschutzverbänden unterstützt werden, um eine mächtige Allianz der Umweltopfer gegen das Waldsterben aufzubauen. Tatsächich hat die Österreichische Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz in ihrer Zeitschrift „Natur und Umweltschutz“ ab Jänner 1985 begonnen, engagierten Bürgern sachdienliche Informationen zu geben, wie man sich gegen Umweltbelastungen mit rechtsstaatlichen Mitteln zur Wehr setzen kann.

Schließlich hat das Waldsterben gelehrt, daß sich die Bürger nicht blind auf Fachleute verlassen können. So wie noch 1981 viele Forstleute die Waldschäden nicht wahrhaben wollten, schweigen auch heute die Vertreter der Landwirtschaft, der Jagd, des Fremdenverkehrs oder des Gesundheitswesens über die Folgen der Umweltverschmutzung in ihren Bereichen. Es spricht vieles dafür, daß in der Technokratie die Problemwahrnehmung verweigert wird, wenn keine geeigneten Regelungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen oder durchsetzbar erscheinen. Wenn aber reine Luft, klares Wasser, ungiftige Nahrungsmittel, Ruhe u.dgl.m. von den Fachleuten nicht mehr sichergestellt werden können, ist es die demokratische Pflicht eines jeden Bürgers, seine Stimme zu erheben. Daß Künstler seit jeher auf politisches Fehlverhalten besonders sensibel reagieren und auch über besondere Ausdrucksmittel verfügen, hat Herman Prigann mit seiner Ausstellung und seinen Aktionen zum Thema „Wald“ einmal mehr bewiesen.

Das Waldsterben ist nicht die erste ökologische Krise des österreichischen Waldes. Auch vor Beschlußfassung des Reichsforstgesetzes 1852 war der Wald in Not. Großkahlhiebe, Übernutzungen und mangelhafte Wiederaufforstung hatten die größten Gefahren heraufbeschworen. Durch das Reichsforstgesetz wurde Hand in Hand mit dem Aufbau eines Forstdienstes die Externalisierung von Kosten der Forstbewirtschaftung eingedämmt. Als Ergebnis dieses etatistischen Erziehungsprozesses sind heute viele Waldbesitzer und Forstleute überzeugt, daß sie auch ohne Forstgesetz so handeln würden, wie das Gesetz es verlangt. Sie haben sich die Waldgesinnung, an die Forstberater über ein Jahrhundert lang appelliert hatten, zu eigen gemacht.

Wieso sollte es mit der Umweltgesinnung anders sein?

Prof. Peter Glück, BOKU Wien, anläßl. eines Referats im Rahmen der Ausstellung „Der Wald“ von Hermann Prigann im Wiener Rathaus.

[1Donaubauer E. 1980. Forstschäden durch Luftverunreinigugen in Österreich. In: Beiträge zur Rauchschadenssituation in Österreich. Mitteilungen der Forstlichen Bundes-Versuchsanstalt Mariabrunn Nr. 131/1980. Wien, S. 5-9

[2Egger J. 1966. Die gegenwärtige Rauchschadenssituation in Österreich. In: Forstliche Rauchschäden in Österreich. Mitteilungen der Forstlichen Bundes-Versuchsanstalt Mariabrunn Nr. 73/1966. Wien, S 1-5.

[3Glück, P. 1984. Staatliches Handeln in der ökologischen Krise. Allgemeine Forstzeitung 95, 5, 123-128.

[4Lessmann D. 1984. Betrachtungen über die Baumsymbole. Allgemeine Forstzeitschrift 39, 51/52, 1305-1310

[5Reunala A. 1984. Forest as Symbolic Environment. In: Multiple-Use-Forestry in the Scandinavian Countries. Communicationes Instituti Forestalis Fenniae Nr. 120

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