FORVM, No. 496-498
Juni
1995

Wer, wenn nicht wir?

»Schützt Euer Land selbst!«

Hans Lebert, 1992

Exil-FORVM, Amsterdam 1998

Wir waren also dort, am 12. April, präsentierten die vorige Ausgabe und beratschlagten die europäische Lage:

Den wachsenden Rechtsextremismus mit nationalsozialistischem Kondensationskern in Österreich; einer Viertel-Partei, die keine mehr sein mag, sondern nur mehr, wie ihr Vorbild, »Bewegung«. Jetzt verlegt sie ihr organisatorisches Hauptquartier — zentrale Datenbank, Zeitungs- und elektronisches Archiv, Mitgliederlisten, sämtliche parteiinternen Unterlagen — ins Parlament; das Lokal der bisherigen Parteizentrale wird zum »offenen« blauen Haus »für das Volk«. — Mitwirkende der Beratung:

Tara Varmer; Abgeordnete, Grün-Links; Paul Groot, »Media Matic«; N. Kaufmann, Professor für Politologie, USA. Madeleine Petrovic, Obfrau der Grünen; Robert Menasse, Schriftsteller; Elisabeth Menasse, Juristin; die Redaktion des Exil-FORVM: Evelyn Kunschitz, Ärztin; Gerd Meijerdink, Kunsthistoriker; Maria Windhager; Juristin; sowie der Herausgeber.

In der Lage-Beurteilung waren wir uns rasch ziemlich einig. Bei den Maßnahmen spießte es sich, nicht zwar an einer Verschiedenheit der Meinungen, sondern weil uns nicht so viel einfiel, was wir unmittelbar tun könnten.

So vereinbarten wir, fürderhin kooperieren zu wollen: mit weiteren Meinungsund Kunst-Austäuschen zwischen hiesigen und dortigen Grünen sowie uns und dem Amsterdams Instituut voor Schilderkunst, das unsere — situationsgerecht in Koffern mitgebrachten und von unserer Kuratorin Evelyn Kunschitz zusammengetragenen — Kunstwerke gemeinsam mit dem Exil-Heft in der Galerie de Verdieping ausgestellt hatte. Die Vernissage war öffentlich, reichlich überlaufen und wird noch zu besprechen sein.

Das Instituut hat Verbindungen bis Kanada und China, ist interessiert an hiesigen Referenten zu Themen der Kunst-Theorie, die wir vermitteln können; wir könnten deren internationale Kunst hierher bringen und wiederum hiesige dorthin.

Das vorliegende Heft — ein Defizit

Es sollte, wie die vorigen zwei, 20 Seiten umfassen; es hat 64, von Seite 41 bis 104 (der Jahrgang wird durchpaginiert), weil es beim Backen aufging wie Dampfnudeln, die bekanntlich aus Germteig sind; seine Elemente scheinen mir für die Beurteilung der Lage in Österreich unverzichtbar:

  • Partei- und Minister-Schätzung zuerst;
  • Maßstäbe von Probität und Wahrheitsfindung, die für die Politik nicht minder gelten, von E- und Remigranten dargeboten;
  • sodann die aktuelle Gewalt-Thematik in der heimischen Politik, ‚Tatblatt‘, die Ungereimtheiten von Ebergassing;
  • Auszüge aus dem geheimen Tagebuch unserer Feldforschung in den Gefielden rechtsradikaler Eingeborenen.

Die zwei letztgenannten Abschnitte enthalten eine gröbere Anzahl von recherchierten und gröberen

Sachverhaltsdarstellungen,

die wir der Oberstaatsanwaltschaft Wien zuleiten, mit der Bitte um Verteilung an die jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften. Zu klären wäre (unter anderem, das sehen die Qualifizierten dann schon):

  • Haben alle Richter des Obersten Gerichtshofes, die für Strafsachen zuständig sind, von einem Anwalt ein Buch erhalten, das beschlagnahmt ist, weil es den Tatbestand der Wiederbetätigung verwirklicht? Wenn ja:
  • Besteht für Beamte die Verpflichtung, Offizialdelikte, von denen sie wissen, der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis zu bringen? Wenn ja:
  • Ist das geschehen? Wenn ja:
  • Warum ist der Anwalt nicht angeklagt worden, sondern bloß mit Anfang 1995 in den Ruhestand getreten?
  • Ferner werden die Äußerungen eines freiheitlichen Abgeordneten ebenso zu prüfen sein, wie diejenigen des AULA-Herausgebers dessen Prozeß, den Wolfgang Neugebauer (Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstandes) in Fahrt gebracht hat, entscheiden könnten.

Selbst hieran gemessen, sind die Kontakte des Detektivs, der uns manche Türe geöffnet hat — danke! —, zu VAPO- und F-Bewegung trotzdem so wenig geringzuschätzen, wie die Vortragstätigkeit eines Beamten, der im Innenministerium mit Fremden zu tun hat, in der Villa Roßkopf. Es mag selbst in Österreich noch ein Sen-sorium existieren für Unvereinbarkeiten mit straf- oder wenigstens dienstrechtlicher Relevanz. Jedenfalls fragt sich, wozu wir uns eine StaPo halten und zahlen, wenn sie von den Rechtsextremitäten, die wir da präsentieren, nichts wissen sollte; noch mehr erhebt sich die selbe Frage, falls sie das alles ja wissen sollte — warum zieht sie die Leute dann denn nicht ein? Hat das vielleicht so ähnliche Gründe, wie sie dafür zu vermuten sind, daß Herr Neworal mit Zuständigkeit für Fremde weiter im Amt ist, wiewohl er bei Roßkopf mit Konrad Windisch, dem Agathenhofer Thierry und Otto Scrinci verkehrt, was politisch gedeckt und völlig unbedenklich sein dürfte, wo doch die Gattin eines freiheitlichen Bundesministers a. D. und Abgeordneten, Elisabeth Ofner, dort teilnimmt.

Warnung des Herausgebers

Hinten gibt’s Geschichte und Theorie. Die mutmaßlichen rechtsextremen Mörder verwechseln zu gern ihre Opfer. Dies zeigte zuletzt die Erschießung eines harmlosen Musikanten, für den verhängnisvoll gewesen sein dürfte, in der Nacht des 7. April in Ried im Innkreis unserem Wolfgang Purtscheller geähnelt zu haben. Der Herausgeber wird so häufig verwechselt, wie es Dutzend-Gestalten halt geht. Demgemäß fühle ich selbst mich sicher. Anders Ignaz R. Härtel, also Reinhold, der Redaktionsschelm. Er war unterwegs in der Nazi-Szene, er ist dort — in zwar wechselnder, jedoch unzureichender Tarnung — von Angesicht bekannt. Für ihn brauche ich eine neue Wohnung, ferner Geld für weitere Recherchen sowie unmittelbar für die Existenz des FORVM. Hilfe.

Wer 1000 Schilling spendet, bekommt als Dankeschön eine Tonband-Kassette (wer mehr gibt, kriegt, je nachdem, etwas von Günther Anders dazu), enthaltend ca. 34 Minuten Medienjournal mit dem schönen Thema FORVM, gestaltet von Franz Richard Reiter, gesendet am 21. April um 18. 20 im Abendjournal von Ö1 unter der Redaktion von Ernest Hauer. Da loben aufs FORVM lustig drauflos: Rudolf Burger, Michael Häupl, (unvermeidlich) Günther Nenning, Klaus Nüchtern, Madeleine Petrovic, Hans-Henning Scharsach, Johannes Mario Simmel, Alfred Worm, Helmut Zilk und, heftig grüßend, Euer alter G. O.

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