Streifzüge, Heft 30
März
2004
2000 Zeichen abwärts

Wir danken

Immer wieder werden wir zu Vertriebenen. Wir verlieren Räume, in denen wir uns noch aufhalten konnten, wenn sie auch nicht mehr besiedelbar waren. Aber ein kurzes Verweilen war gestattet.

Einer dieser Räume war zumindest das Rundfunkprogramm OE1. Aber seit dem Beginn dieses Jahres ist ein Ereignis über uns hereingebrochen, das uns das Verweilen in diesem Programm vermiest. Zwar werden wir noch nicht von Werbeschaltungen belästigt, was ja immerhin ein wesentlicher Grund dafür war, auf der UKW 92.00 sich aufzuhalten. Da konnte Lifestyle-Unsinn wie „Ganz ich“ noch Zähne knirschend in Kauf genommen werden, wenn eins nicht gerade für diese fünfzehn Minuten abschalten wollte.

Aber dann geschah’s. Plötzlich hören wir im Abspann zu jeder Sendung, wie sehr die Verantwortlichen, die Redakteurinnen, die Sprecher und Technikerinnen von uns abhängig sind und uns daher dankbar. Der Duktus dieses Geständnisses ist einer Sprache geschuldet, die auf ihrer eigenen Schleimspur daherkommt und die wir sonst nur aus den gleisnerischen Äußerungen der Verkaufsgespräche kennen: ein unterwürfiges und sich anbiederndes Gestammel, das alle umzirzt und Interesse heuchelt.

Dieses „Ohne Euch sind wir nichts“ hat ein Wir ersetzt, das einen gemeinsamen Raum voraussetzt und in diesem absichtslose Gemeinsamkeit.

Kaffeehaus und Kirche etwa sind solche Räume, die zwar nicht mehr besiedelbar sind, aber die Illusion noch erhalten, hier wäre eins aufgehoben — in jeder Bedeutung des Wortes, von der sicheren Geborgenheit bis zum beruhigenden Gefühl, dass die Zwangsidentität dort nicht die größte Rolle spielt. Dies drückt sich auch in der dort gepflogenen Sprache aus, und die wollen wir dem derzeitigen ORF-Regime nahe legen.

Jede Kellnerin, jeder Ober weiß Bescheid und die Kundschaft weiß Bescheid, dass das Personal Bescheid weiß. Und kein Priester sagt im Beichtstuhl: „Ego te absolvo und danke, dass Sie unsere Kirche besucht haben.“

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