Weg und Ziel, Heft 1/1997
März
1997

Zum ruhenden und fließenden Verkehr

Trotz unterschiedlichster Vorstellun­gen über die Funktion der Straße und deren Nutzung, trotz heftiger Ausein­andersetzungen zwischen den einzel­nen BenützerInnengruppen um die Verfügung über den Straßenraum, hat das Kraftfahrzeug in den letzten 200 Jahren seinen Anspruch auf den Stra­ßenraum behauptet und ausgebaut. Und es ist nicht absehbar, daß sich daran in Zukunft etwas ändern wird. Selbst die letzten Versu­che (Parkraumbewirtschaftung, Ver­kehrs- und Parkleitsysteme) sind am Primat des motorisierten Individual­verkehrs orientiert.

Schon vor der Erfindung — Einfüh­rung, Verbreitung — des Automobils machten sich bereits prinzipielle Pro­bleme im Straßenverkehr bemerkbar. [1] Die Situation der FußgängerInnen (keineswegs so rosig, wie das aus heuti­ger Sicht gerne gedacht wird), der ru­hende und fließende Verkehr im Stra­ßenraum, forderten und förderten schon früh Lösungen, die in Ansätzen heute noch gültig sind.

Seit Anfang des 18. Jahrhunderts dient die Straße vorrangig dem fließen­den Verkehr, wobei damit sowohl die Fortbewegung mit Wagen als auch das Fortkommen zu Fuß verstanden wurde. Der Straßenraum war bis dorthin we­nig reglementiert, die Trennung in Gehsteige und Fahrbahnen war nicht vorhanden. In der Folge, mit zuneh­mendem Verkehrswachstum, wurden Verordnungen erlassen, die die Ein­schränkung von Verkaufsständen, die Räumung von auf Straßenflächen la­gernden Gütern, die Verweisung der FußgängerInnen auf ihnen zugedachte Streifen, das Vorgehen gegen vor­schriftswidrig geparkte Wagen und die Offenhaltung von Passagen zum Ziel hatten. Der ruhende Verkehr wurde dabei als zentrales Hindernis für den Verkehrsfluß angesehen. Wie heute dienten auch damals Halte- und Parkverbote der Aufrechterhaltung der Flüssigkeit des Verkehrs:

1706 — erste Anweisungen, daß leere Wagen, die in engen Gassen abgestellt sind, aus dem Weg geräumt werden sol­len;

1753 — Verfügung, daß vor Wirts­häusern keine Wagen abgestellt werden dürfen, [2]

1775 — das Abstellen von Fuhrwer­ken vor Häusern wird ausdrücklich verboten.

Der ruhende Verkehr stellte also schon im 18. Jahrhundert ein Problem dar, das schrittweise einer konsequen­ten Lösung zugeführt wurde: Das Par­ken im öffentlichen Straßenraum wur­de zunehmend reglementiert und schließlich gänzlich verboten. Und daran sollte sich bis 1928 bzw. 1930 nichts ändern. Die Pferdestärke wurde zwar ab 1890 zunehmend durch den Benzin-, Diesel- und Elektromotor er­setzt, der Straßenraum blieb bis 1928 bzw. 1930 zuallererst Verkehrsraum, der jedoch für andere Nutzungen of­fenstand. 1928 wurde für Wien eine Straßenverkehrsordnung verabschie­det, die das Parkverbot von Fuhrwer­ken im öffentlichen Straßenraum aufrechterhielt. Ein dezidiertes Parkver­bot für Automobile war darin zwar nicht enthalten, Fuhrwerke wurden je­doch als mit Tieren bespannte oder mo­torisch bewegte Fahrzeuge definiert. Das Fahrzeug Automobil blieb im Zu­stand eines „Stehzeugs“ aus dem Stra­ßenraum verbannt, bzw. wäre verbannt geblieben, wenn dieses Gesetz nicht in der Folge verfassungsrechtlich aufge­hoben worden wäre. In der Übernahme eines Bundesgesetzes (BGBl Nr. 438 vom 20. Dezember 1929) wurde im Ge­setz vom 15. April 1930 (Gesetz über die Straßenpolizei im Bundesland Wien) der öffentliche Straßenraum auch in Wien zum Abstellraum für Fahrzeuge. [3] Straßen und der über ih­nen befindliche Luftraum dürfen ab diesem Zeitpunkt nur mehr zu Zwecken des Verkehrs benutzt werden. Jede andere Verwendung des öffentlichen Straßenraumes ist genehmigungs­pflichtig. Die Weichen für die automo­bile Beschlagnahme des öffentlichen Raumes waren gestellt.

Damit wurde die Umfunktionie­rung des gemischt genutzten mittelal­terlichen Lebensraumes Straße in den Verkehrsraum der Moderne auch recht­lich zum Abschluß gebracht. Aber auch der Verkehrsraum wird durch diese ge­setzlichen Bestimmungen in seiner Nutzung revolutioniert: War das Par­ken bisher generell verboten und an die ausdrückliche Genehmigung durch die Behörde gebunden, wird ab nun das Halten und Parken generell gestattet und die Behörde muß die Halte- und Parkverbotszonen verordnen und kenn­zeichnen. Vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung des Straßenrau­mes wird der öffentliche Raum nun auch zum Lagerraum für abgestellte Fahrzeuge. [4]

Und daran hat sich wiederum bis heute wenig geändert. Auf die solcher­art verschärfte Konkurrenz um den Straßenraum auch vor dem Hinter­grund der zu erwartenden bzw. geplan­ten Motorisierung wurde erstmals in der Reichsgaragenordnung (1939) reagiert. [5] Das Abstellen von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenraum wurde darin nicht grundsätzlich verboten, die bisherigen gesetzlichen Regelungen blieb also aufrecht. Es wurde allerdings das Instrument der Stellplatzverpflich­tung eingeführt. Die Reichsgaragen­ordnung verpflichtete denjenigen (die­jenige), der (die) „Wohnstätten, Be­triebs- und Arbeitsstätten oder ähnli­che bauliche Anlagen errichtet oder Um- und Erweiterungsbauten aus­führt, die den Wert solcher baulichen Anlagen erheblich steigern, hat für die vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge der Bewohner, des Be­triebes und der Gefolgschaft Einstell­platz in geeigneter Größe, Lage und Beschaffenheit samt den notwendigen Zubehöranlagen auf dem Baugrund­stück oder in der Nähe zu schaffen“. [6]

Mit der Reichsgaragenordnung wurde somit zweierlei versucht. Einer­seits sollte, durch die Freihaltung der Straßen vom ruhenden Verkehr, der Verkehrsablauf optimiert und damit ein höherer Motorisierungsgrad mög­lich gemacht werden, andererseits war beabsichtigt, die Erreichbarkeit diver­ser Ziele (Wohnung, Arbeitsstätte etc.) mit dem Automobil zu ermöglichen. Die Stellplatzverpflichtung wurde in die Gesetze der Zweiten Republik übernommen und modifiziert, wobei scheinbar in Vergessenheit geriet, daß es sich dabei um ein Instrument zur Forcierung der Motorisierung handelt. Eine Entlastung des öffentlichen Straßenraumes vom Verkehr, wie dies in den folgenden Jahrzehnten immer wie­der argumentiert wurde, konnte damit nicht erreicht werden.

Der automobile Aufbruch in den fünfziger und sechziger Jahren fand somit optimale gesetzliche Bedingun­gen vor. Der Motorisierungsgrad stieg in diesem Zeitraum sprunghaft an, die Situation im Straßenraum verschärfte sich zunehmend. [7] Von seiten der Politik wurde das Problem als solches zwar er­kannt, die Lösungsvorschläge waren im großen und ganzen aber an den In­teressen der KraftfahrerInnen orien­tiert. Beispielhaft zeigt sich das in ei­ner Erklärung des damaligen Wiener Bürgermeisters Jonas:

In jeder Großstadt sind die Ver­kehrsprobleme die allerdringlichsten geworden, da mit ihnen auch die Ver­kehrsunfälle in unmittelbarem Zusam­menhang stehen. Sie sind deshalb überall so schwer zu lösen, weil man die Struktur und die Größe der Straße nicht so rasch ändern kann, als die Zahl der Fahrzeuge steigt. [8]

Das Problem wurde nicht im stei­genden Verkehrsaufkommen gesehen, sondern in der Organisation des Ver­kehrs und in den räumlichen Gegeben­heiten, die einer reibungsloseren Ver­kehrsabwicklung im Wege standen. Weiter führt Jonas aus, wäre es natür­lich selbstverständlich, daß „die Ge­meinde alle (sic!) Straßenflächen schafft“, die der fließende Verkehr be­nötigt. Eine ungerechte Belastung der Allgemeinheit wäre es nach Jonas al­lerdings, wenn die Gemeinde allein für die Erstellung von Garagen und Park­flächen zu sorgen hätte. Wer ein Auto besitzt, hat jedenfalls selbst dafür zu sorgen, daß er es „in der Nacht wo ab­stellen kann“. [9] Damit zumindest dies reibungslos vor sich gehen konnte, wurden in immer größerem Umfang Flächen für den ruhenden Verkehr ge­widmet. Durch Gehsteigverschmälerungen und die Zerstörung eines funk­tionierenden Radwegenetzes wurde der, auch von den Medien vehement ge­forderte Parkraum geschaffen. Zuneh­mend wurden städtebauliche Entwick­lungen forciert, die auf das Auto als Verkehrsmittel zugeschnitten waren. Die immer weitergehende Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraumes durch den motorisierten Individualver­kehr wurde selbstverständlich. Im Rahmen der ersten Wiener Verkehrsen­quete (1955) wurden zwar erstmals kri­tische Stimmen laut, die in diesem Rahmen geforderte Einhebung einer Dauerparkgebühr war jedoch nicht durchsetzbar. Weitgehend hatte sich damals schon die Überzeugung durch­gesetzt, daß es quasi ein Recht der Au­tofahrerInnen auf (kostenlosen) Par­kraum gebe.

Zeichnete sich die Situation in den fünfziger und sechziger Jahren durch eine zunehmende Belegung des Stra­ßenraumes für die Zwecke des motori­sierten Verkehrs aus, so setzte sich die­se Entwicklung in den folgenden Jahr­zehnten beinahe ungebremst fort. Zwar kam es im Rahmen einer Gegenbewe­gung (beginnend in den späten sechzi­ger Jahren) zur Errichtung von Fuß­gängerzonen, Wohnstraßen und einem (immer noch ungenügenden) Ausbau des Radwegenetzes, Grundsätzliches an der Haltung zum motorisierten In­dividualverkehr hat sich jedoch nicht geändert. Die Interessen der Autofah­rerInnen blieben bei der Gestaltung des Straßenraumes und der Stadt do­minierend. Durch die getroffenen Maß­nahmen (Straßenbau, Garagenbau, fortlaufende Anpassung der Bestim­mungen zur Stellplatzerrichtung) wur­de die Ausweitung der Problematik und nicht deren Lösung befördert.

Fast 40 Prozent des gesamten Straßenraumes einer durchschnittli­chen Straße im dichtbebauten Stadtge­biet werden mittlerweile vom ruhenden Verkehr in Anspruch genommen. We­der eine laufende Angebotsausweitung im öffentlichen Raum noch die im Zuge der Neubautätigkeit geschaffenen Stellplätze außerhalb des Straßenrau­mes konnten verhindern, daß sich be­sonders seit 1985 die Parkraumsituati­on im dichtbebauten Stadtgebiet wei­ter verschlechtert. [10]

Die Auswirkungen der in den letz­ten Jahrzehnten gesetzten Maßnahmen sind somit als katastrophal zu bezeich­nen, ohne hier konkret auf einzelne Punkte (Umwelt, Zersiedelung, Nut­zung des öffentlichen Raumes) einzu­gehen. Die in den letzten Jahren teils geforderten, teils umgesetzten und auch geplanten Maßnahmen unter­scheiden sich dabei nicht grundsätz­lich. Den Bemühungen zur Entschär­fung der Situation durch Straßenneu- bzw. -umbau ist zwar etwas seltener Erfolg beschieden, das grundsätzliche Bekenntnis zum motorisierten Indivi­dualverkehr und dessen Wachstum ist jedoch ungebrochen. Die neuen Schlag­worte lauten Parkraumbewirtschaf­tung, Verkehrs- und Parkleitsysteme. Die Optimierung des fließenden und die Organisation des ruhenden Ver­kehrs sollen den begrenzten Straßen­raum für die Aufnahme einer noch grö­ßeren Zahl von Automobilen befähi­gen.

Katastrophale Auswirkungen

Im Hinblick auf den ruhenden Ver­kehr ist vor wenigen Jahren in Wien das Modell der Parkraumbewirtschaf­tung eingeführt worden. Mit ihr wurde, Jahrzehnte nach der erstmaligen For­derung zu deren Einführung, eine Maß­nahme durchgesetzt, die die Benützung von Parkplätzen durch Gebühren re­gelt. Notwendig und letztlich auch durchsetzbar ist die Parkraumbewirt­schaftung geworden, nachdem im dicht bebauten Stadtgebiet die Situation einzelner BenutzerInnengruppen (Be­wohnerInnen) nicht mehr „tragbar“ war. Durch die Parkraumbewirtschaf­tung sollen die Bedingungen für den Wirtschaftsverkehr, die Verbesserung der Umweltqualität durch den Rück­gang des Parksuchverkehrs, die Rück­gewinnung von Gestaltungsräumen im öffentlichen Raum, eine Finanzierungs­grundlage für den Bau von Garagen und die Attraktivierung des öffentli­chen Verkehrs erreicht werden. Die Er­fahrungen mit diesem Modell sind auf den ersten Blick als durchaus positiv zu bewerten, [11] trotz einiger „Vorteile“ werden gewisse Probleme im Zusam­menhang mit dem ruhenden Verkehr von diesem Modell der Parkraumbe­wirtschaftung jedoch nicht oder nur langfristig vermindert. Die immer wie­der angeführte attraktivere „Gestal­tung“ des öffentlichen Raumes benötigt Flächen, in/auf denen das realisiert werden kann. Die Parkraumbewirt­schaftung geht aber davon aus, daß die BewohnerInnen jedenfalls, wenn auch gegen Gebühr, einen Stellplatz haben. Der öffentliche Straßenraum ist jedoch alleine durch die BewohnerInnen fast zu 100 Prozent ausgelastet. War es bisher selbstverständlich, daß das Kraft­fahrzeug im öffentlichen Raum kosten­los (mit Einschränkungen) abgestellt werden konnte, so wurde mit der Parkraumbewirtschaftung und dem Be­wohnerInnenvorrecht ein Anspruch auf Parkraum festgeschrieben. Und es ist festgehalten, daß die Stellplätze nur unter Berücksichtigung der Parkraum­bilanz im Straßenraum reduziert wer­den dürfen. Großartige Veränderungen sind unter diesen Bedingungen, be­trachtet man die Prognosen zur Moto­risierung und der Stellplatzbilanz für die nächsten 10 bis 15 Jahre, nicht zu erwarten. [12] Gleichzeitig kann im Zu­sammenhang mit der Parkraumbewirt­schaftung von Kostenwahrheit keine Rede sein. Untersuchungen zu den Ko­sten eines Stellplatzes im öffentlichen Straßenraum kommen zu überraschen­den Ergebnissen. Urban (1993) kommt in seiner Untersuchung zu dem Schluß, daß für einen Quatratmeter Stellplatz pro Jahr ohne Berücksichtigung der Umweltkosten als Minimum Kosten von rund 1.150 Schilling anfallen. Ein Parkplatz mit 14 Quatratmeter würde so im Monat rund 1.140 Schilling bzw. 16.050 Schilling pro Jahr kosten. Die Umweltkosten berücksichtigend, kommt er auf eine Summe von über 18.000 Schilling pro Jahr und Stell­platz, das sind fast 900 Prozent mehr, als derzeit für einen Stellplatz zu be­zahlen ist. Den größten Teil davon ma­chen die Grundstückskosten aus. Knoflacher (1993) geht in seinen Be­rechnungen bzw. Betrachtungen im Hinblick auf die Kosten eines Park­platzes im öffentlichen Raum noch ei­nen Schritt weiter.

„Es wird behauptet, daß wir in ei­ner Gesellschaft der freien Marktwirt­schaft, der sozialen Marktwirtschaft, ja gar der öko-sozialen Marktwirt­schaft leben. Wenn dieses System funk­tionieren soll, dann ist es selbstver­ständlich erforderlich, wesentliche Le­bensbereiche, wie etwa jene des Verkehrs, diesen Prinzipien ebenfalls zu unterwerfen.“ [13]

Er legt seinen Berechnungen die durchschnittliche Miete für Wohnun­gen zugrunde und errechnet aus ihnen den Preis für einen Quatratmeter Bo­den. So erhält er für einen Parkplatz, den er mit 10 Quatratmeter annimmt, eine monatliche Miete von ca. 2.000 Schilling, würden die Nebenflächen (Zu- und Abfahrt) eingerechnet, ergäbe sich ein Betrag von 4.000 Schilling pro Monat. Dazu rechnet Knoflacher noch die ökologischen Kosten, den Wert von Grün in der Stadt, ein. Unter Vernach­lässigung der sozialen Aspekte ist so nach Knoflacher in einer funktionie­renden Marktwirtschaft der Wert eines Parkplatzes (10 Quatratmeter) im öf­fentlichen Straßenraum im Inneren der Stadt mit etwa 4.000 bis 5.000 Schil­ling pro Monat zu veranschlagen. Die von ihm vorgeschlagene Lösung ist die Schaffung von Stellplätzen in Gara­gen.

Was das jedoch am Grad der Moto­risierung und an der bevorzugten Nut­zung der Straße durch Automobile ändern würde, ist zu hinterfragen. Und inwieweit andere Nutzungen, Spiel- und Freiräume, unter Anlegung markt­wirtschaftlicher Prinzipien so noch Raum hätten, muß ebenfalls fraglich bleiben. Bestehen bleibt jedoch, daß für eine kostendeckende Gebühr ein Vielfaches der augenblicklich veran­schlagten Gebühr bezahlt werden müßte. [14]

Leitsysteme

Parkleit- und Verkehrsleitsysteme stellen augenblicklich den Hoffnungs­träger zur Lösung automobiler Eng­pässe dar. Im Verkehrskonzept für Wien (1994) wird festgehalten, daß neue In­formationssysteme genauestens auf de­ren Auswirkungen auf den Kfz-Verkehr überprüft werden müssen, um nicht ge­genläufige verkehrspolitische Entwick­lungen zu unterstützen. Parkleitsyste­me im Sinne einer übergeordneten Steuerungsstrategie werden dabei po­sitiv beurteilt, weil der Parksuchver­kehr doch einen wesentlichen Bestand­teil der Belastung durch den Verkehr einnimmt.

In Wien haben sich alle institutio­nell zuständigen Magistratsabteilun­gen, Behörden, ParkhausbetreiberIn­nen und Interessensvertretungen zur Einrichtung eines Parkleit- und Infor­mationssystems entschlossen. Es han­delt sich dabei jedoch um kein „reines“ Parkleitsystem, sollen dadurch doch die Verkehrssicherheit, die Umweltbe­dingungen und die Effektivität des Verkehrsablaufes verbessert werden. Es soll Teil eines zukünftigen Gesamt­systems sein, das den Verkehrsfluß be­einflussen soll. Hier ist die Kritik an Leitsystemen für den Kfz-Verkehr an­zusetzen. Wird einerseits mit der reibungsloseren Verkehrsabwicklung und den ökologischen Vorteilen, die natür­lich nicht fehlen dürfen, argumentiert, so darf nicht übersehen werden, daß zuallererst einer Optimierung der Aus­lastung des begrenzten Straßenraumes und damit wiederum einer Vergröße­rung des Verkehrsaufkommens Vor­schub geleistet wird. Die durch Ver­kehrsinformationen zeitlich und räum­lich verringerten Wege und die damit verbundenen positiven ökologischen Auswirkungen werden durch das zu­sätzliche Verkehrsaufkommen wieder „wettgemacht“. In Deutschland ist die Entwicklung im Hinblick auf Verkehrs­leitsysteme weiter fortgeschritten, die ersten Erfahrungsberichte lassen aller­dings wenig Positives erwarten. Das Rezept heißt Telematik. Die Verbindung der Rechenleistung moderner Computer mit der flexiblen digitalen Kommunikation ist in Deutschland schon längere Zeit im Einsatz, um das Chaos in den Straßen zu ordnen und Verkehrsunfälle vermeiden zu helfen. Eva-Maria Thoms hat die Kritikpunkte und auch die finanziellen Hintergrün­de im Zusammenhang mit der Einrich­tung von Verkehrsleitsystemen zusam­mengefaßt:

Weil dem Expansionsdrang des Autoverkehrs nicht beizukommen ist, klammert sich die kommunale Ver­kehrspolitik an jeden Strohhalm. Vor allem die Elektroindustrie im Verein mit den Autobauern preist die telematische Verkehrssteuerung fast als Wun­dermittel gegen den Stau an. Die einfa­che Tatsache, daß schlichtweg zu viele Autos in den Städten unterwegs sind, weiß zwar jeder, doch nur wenige wol­len sie wahrhaben. (...) Und weil gerade die Autoindustrie weiß, daß Autos sich nur solange verkaufen lassen, wie man auf den Straßen auch fahren kann, ist Stuttgart zur heimlichen Hauptstadt der Telematik geworden. Bis zum Ende des vergangenen Jahres (1995, Anm. Verf.) war die Schwabenmetropole Testfeld eines großangelegten Versu­ches, mit Hilfe der Telematik den Ver­kehrsfluß zu verbessern. Finanziert wurde das Ganze von der Industrie. (...) Nur eines hat der Versuch mit dem Na­men Storm nicht gebracht: freie Fahrt in Stuttgart. [15]

Den gesetzten Maßnahmen ist somit eine neue Qualität abzusprechen. Viel­mehr handelt es sich darum, mit neuen Mitteln eine Politik fortzusetzen, in de­ren Mittelpunkt das Automobil bzw. dessen Fortkommen und nicht so sehr die Lösung der durch das Automobil verursachten Probleme stehen. Für die nahe Zukunft ist denn auch, von loka­len Verbesserungen abgesehen, keine Veränderung der Situation im öffentli­chen Straßenraum zu erwarten. Be­stenfalls ist vor dem Hintergrund der weiter steigenden Motorisierung keine Verschärfung der Situation zu erwar­ten.

[1Wie die frühe Festlegung auf den Vorrang des Fließverkehrs, so war auch die Faszination eines eigenen Wagens schon vor der Erfindung des Automobils festzustellen: „Wagen und Pferde — davon träumt und phantasirt jeder Großstädter! Dreißig Jahre mißt er in seinem Laden Perkal und Bänder (...), dreißig Jahre han­delt er mit Syrup und Käse (...), bloß um nach Verlauf dieser mittleren Dauerzeit des menschlichen Lebens das Vergnügen zu genießen, in eige­ner Equipage zu steigen und nach Hietzing oder Döbling zu fahren.“ (Czeike, F.: Regelung und Sicherung des großstädtischen Straßenverkehrs seit dem 18. Jahrhundert, dargestellt am Beispiel Wien, Wien 1981, S. 199).

[2Diese Regelung wurde von den Gast­hausbesitzerInnen als geschäftsschä­digend eingestuft und, jedoch ohne Erfolg, beeinsprucht — glückloser als heutige Bemühungen gegen die Ab­senkung der Promillegrenze.

[3In § 1 wurde die Fahrbahn als Teil der Straße, der für den Fahrverkehr be­stimmt ist, festgeschrieben. Das Hal­ten wurde als das Stehenlassen zum Ein- und Aussteigen, Auf- und Abla­den und das Parken als Stehen und Warten lassen eines Fahrzeugs für längere Zeit definiert. Weiters wur­den mit diesem Gesetz Halte- und Parkverbote und die Nutzung der Straßen im allgemeinen geregelt.

[4Hieß H.: Garagenbauprogramm für Wien, 1995, S. 16.

[5„Die Förderung der Motorisierung ist das vom Führer und Reichskanzler gewiesene Ziel. Die Zunahme der Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr erfordert, daß die öffentlichen Ver­kehrsflächen für den fließenden Ver­kehr frei gemacht und möglichst we­nig durch ruhende Kraftfahrzeuge belastet werden. Zu diesem Zweck müssen die Kraftfahrzeuge dort, wo sie regelmäßig längere Zeit stehen, außerhalb der öffentlichen Verkehrs­flächen ordnungsgemäß eingestellt werden.“ (RGO: Verordnung über Garagen und Einstellplätze, Berlin, 18.2.1939).

[6Ebd.

[71951 war von der Polizeidirektion bekanngegeben worden, daß es in Wien rund 63.000 Kraftfahrzeuge gebe und wöchentlich 200 Fahrzeuge neu angemeldet würden. Bis 1970 stieg die Zahl der Kraftfahrzeuge auf knapp 370.000 an.

[8»Rathaus Korrespondenz«, 10. Okto­ber 1955, Blatt 1765.

[9Ebd.

[10Verkehrskonzept für Wien, 1994, S. 76.

[11Ein deutlicher Rückgang der Stell­platzauslastung, insbesondere in der Morgenspitze, war zu verzeichnen; eine Reduktion des ein- und ausströ­menden Verkehrs um 10 bis 15 Pro­zent; eine wesentliche Reduktion des Falschparkeranteils; einen bedeuten­den Rückgang des Parkplatzsuchver­kehrs; eine starke Reduktion der Pkw-Verkehrsleistung innerhalb des 1. Bezirkes; eine bessere Auslastung der öffentlichen gewerblichen Gara­gen; keine signifikant zusätzlichen Belastungen der Parkraumsituation in den Randbereichen der angrenzen­den Bereiche. (Vgl. Klotz, A.: Die Parkraumbewirtschaftung in Wien; in: »Perspektiven« 7/1996, S. 30).

[12Die Prognosen für das Jahr 2011 weisen eine 91- bis 98-prozentige Auslastung des öffentlichen Straßen­raumes aus. (Vgl. Hieß, H.: Garagenbauprogramm für Wien, 1995).

[13Knoflacher, H.: Zur Harmonie von Stadt und Verkehr: Freiheit vom Zwang zum Autofahren, 1993, S. 121.

[14Für Deutschland werden die Kosten für die Allgemeinheit im Zusammen­hang mit dem ruhenden Verkehr mit 9 bis 15 Milliarden Mark angegeben.

[15Thoms, E.-M.: Die total verkehrten Städte; in: »Die Zeit«, 9. August 1996, S. 10.

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