Heft 1-2/2006
Mai
2006

„Affenlaute“ & Hitlergrüße

Rassimus im Fußball

Kurz vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland sind die Befürchtungen vor rassistischen und rechtsextremistischen Vorfällen groß — nicht zu Unrecht, wie die jüngsten Gescheh­nisse zeigen.

25. März 2006, Halle, Deutschland. Der FC Sachsen Leipzig traf auswärts in der Oberliga (4. Leistungsstufe) auf den Halleschen FC. Eine Woche davor fand die vom europäischen Netzwerk UNITED organisierte „Internationale Woche gegen Rassismus“ statt. Auch der ostdeutsche Verein FC Sachsen Leip­zig machte mit. Alle Spieler färbten sich ihre Gesichter schwarz, außer dem Nigerianer Adebowale Ogungbure, er färbte sich seines weiß. Zusätzlich präsentierte der Verein die Antirassismusaktion nach außen über seine Homepage, Fans marschierten mit einem Trans­parent aufs Spielfeld. Sinn der plakativen Aktion war es, sich mit dem nigerianischen Spieler zu solida­risieren, der immer wieder mit rassistischen Angriffen konfrontiert wurde.

Und dann das: das gan­ze Spiel über musste sich Ogungbure — wie zum Hohn für die in der Wo­che davor stattgefundene Solidaritätsaktion — das ganze Spiel über Affenlaute anhören, sobald er an den Ball kam. Nach wie vor gibt es viele Stim­men, die meinen, dass das mit Rassismus nichts zu tun habe. Dies seien nur Provokationen, die Profis eben aushalten müssten. Viele schwarze Fußballer schlucken diese Demüti­gungen in der Tat runter. Sie halten still, mitunter auch auf Druck der Vereine, die an schlechter Pu­blicity kein Interesse haben. Adebowale Ogungbure müsste sich demnach schon an diese rassistischen Beschimpfungen und „Affenlaute“ gewöhnt haben, die er immer wieder in Deutschland erdulden musste. Die Unterstützung seines Vereines und seiner Mitspie­ler hatte er im Gegensatz zu vielen anderen.

Nur selten kommt es daher zu Reaktionen wie von Ogungbure nach dem Abpfiff in Halle. Halle-Fans, die sich nach dem Spielende am Spielfeld (!) befan­den, beschimpften ihn lautstark als „Drecks-Nigger“, „Affe“, „Bimbo“, „Scheiß Neger“ und bespuckten ihn, als er in die Kabine gehen wollte. Von der Tri­büne kamen massenweise Affenlaute. Das war zuviel für Ogungbure. Er stellte sich vor die Tribüne, simu­lierte mit zwei Fingern einen Hitlerbart und reckte seine Hand provokativ zum Hitlergruß. Daraufhin wurde er von den Hooligans getreten und auf den Hinterkopf geschlagen. Die Security schaute tatenlos zu, während sich Halle-Spieler Friedrich schützend vor ihn stellte und ihn in den Kabinengang brachte. Ogungbure rechtfertigte sich danach in der Leipziger Volkszeitung: „Ich bin kein Affe, kein Nigger, kein Bimbo, sondern ein Mensch. In meiner ganzen Karriere wurde ich noch nicht so behandelt wie in dieser Oberliga.“

Doch die Polizei setzte noch eines drauf. Nicht die Täter wurden verfolgt oder gar ausgeforscht, sondern gegen Ogungbure wurde wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Nach lautstarken Protesten unter anderem vom FC Sachsen Leipzig und dem Bündnis Aktiver Fußball Fans wurden die Ermittlungen jedoch ein­gestellt. Leipzig-Chef Rolf Heller stellte sich in einer Pressekonferenz hinter den Spieler: „Es ist doch ab­surd, dass die Polizei gegen Adebowale ermittelt. Will man ihm allen Ernstes unterstellen, dass er national­sozialistisches Gedankengut hegt? Ade wollte dieje­nigen als rechtsradikal outen, die diese unsäglichen Affenlaute von sich geben. Außerdem ist es ein Un­ding, dass unser Spieler von gegnerischen Fans ange­griffen wird. Von uns wird er jedenfalls nicht bestraft, das wäre das falsche Signal. Er ist mehr Opfer als Tä­ter.“ Auch von den Fans kam Unterstützung. Auf der Homepage http://www.wir-sind-ade.de kann man ein eige­nes Foto hinaufladen, das mit dem Text „Ich bin Ade! Mein Gesicht gegen Rassismus“ unterlegt wird.

Das Motto der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland lautet „Zu Gast bei Freunden“. Doch im Gegensatz zur Europameisterschaft 2004 in Portugal, bei der schon im Vorfeld von Regierung, Organisation und den Sicherheitskräften Gastfreundlichkeit an er­ster Stelle stand, die Fans mit offenen Armen empfan­gen und nicht als Gefahr gesehen wurden sowie ein sehr zurückhaltendes Sicherheitskonzept praktiziert wurde, stehen in Deutschland Sicherheit, Kontrolle und Hooliganismus im Zentrum des Diskurses. Vor allem deswegen, weil in jüngster Vergangenheit Fans der deutschen Nationalmannschaft durch Rassismus und Rechtsextremismus — auch gegen die deutschen Spieler — aufgefallen sind, wie z.B. bei den Freundschaftsspielen in Slowenien und der Slowakei.

Die NPD brachte einen WM-Planer mit dem Trikot des deutschen Nationalteamspielers Patrick Owomoyela am Cover heraus: „Weiß. Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte NATIONAL-Mannschaft!“. Per einstweiliger Verfügung wurde der NPD die Verbreitung des WM-Planers jedoch versagt. An­scheinend zu spät, denn die NPD kommentiert den Spruch auf ihrer Homepage folgendermaßen: „Der DFB und der Fußballspieler Owomoyela haben in einer Rassismuseuphorie einen einstweiligen Be­schluss gegen den WM-Planer der NPD erwirkt. Die Rechtsabteilung der NPD hat hiergegen umgehend Beschwerde eingelegt und ist zuversichtlich, den ohnehin vergriffenen WM-Planer neu auflegen zu können.“ Laut Verfassungsschutz planen die NPD und Neonazis mehrere Demonstrationen während der WM, um sich mit Mahmud Ahmadinedschad, dem Staatspräsidenten des Iran, zu solidarisieren. Ahmadined­schad hatte seit seinem Amtsantritt mehr­mals die Vernichtung Israels gefordert und den Holocaust geleugnet. In Gelsen­kirchen wurde zunächst eine Demonstra­tion für den 10. Juni genehmigt, einen Tag nach dem Beginn der WM. Nach heftigen Protesten u.a. von der Schalker Fanitiative, Antirassismus-NGOs und antifaschi­stischen Gruppen sowie der Polizeige­werkschaft, die die Gerichte aufforderte, alle Aufmärsche und Veranstaltungen von Neonazis und Rechtsextremen in der Nähe von Spielorten zu verbieten, wurde die Genehmigung jedoch wieder zurück­gezogen.

Als besonderes Sicherheitsrisiko gelten auch die polnischen Fans. Im polnischen Fußball gibt es große Probleme mit Hoo­ligans, Rassismus und Rechtsextremismus. Die Fanclubs sind von rechtsextremen Organisationen wie „Blood and Honour“ unterwandert. Die Never Again Associa­tion versucht seit Jahren mit einer Kampagne dagegen anzuarbeiten und konnte in letzter Zeit auch erreichen, dass eine Zusammenarbeit mit dem Verband und einigen Vereinen, deren Fans für Rassis­mus berüchtigt sind, begonnen wurde. Bananen, die massenweise aufs Spielfeld flogen, „Juden ins Gas!“-Chöre, Fans, die sich in Form eines Hakenkreuzes auf der Tribüne aufstellten, dies und mehr wird von den Mitarbeitern von Never Again laufend dokumentiert. Und auch sie warnen in deutschen Medien immer wieder vor der Gewaltbereitschaft der polnischen Fans. Im vergangenen No­vember haben sich bereits polnische und deutsche Hooligans in einem Wald in Brandenburg in der Nähe von Berlin zu einem ersten Schlagabtausch getroffen.

Eine Vorreiterrolle in Polen nimmt der Erstligaverein Kolporter Korona Kielce ein. Dieser ist der erste Verein überhaupt, der in Zusammenarbeit mit der Never Again Association ein Antirassismus­poster des Teams produzierte und an die Fans verteilte. Auch hier kamen die Spieler mit Antirassismus-T-Shirts auf das Spielfeld („Wykompy Rasizm ze Stadionow“ — „Kick Rassismus aus dem Stadi­on“). Kielce konfrontierte damit beherzt die eigenen Fans, die während der Saison die Spieler des eigenen Vereins sowie der Gegner rassistisch beschimpft hatten.

Rassismus ist „das größte Problem im heutigen Fußball“, so Joan Laporta, der Präsident des FC Barcelona, anlässlich der von der UEFA und dem europäischen Netzwerk „FARE — Football Against Racism in Europe“ im Februar 2006 in Bar­celona organisierten Konferenz „Unite Against Racism“. Wobei das Spektrum der Übergriffe von diskriminierenden Verhal­tensweisen gegenüber „ausländischen“, oftmals schwarzen Spielern im Stadion (sogenannten „Affenlauten“, rassistischen und faschistischen Transparenten und Sprechchören) bis hin zu mannigfaltigen Übergriffen und Diskriminierungen im Amateur- und Hobbysport reicht. Rassis­mus passiert eben nicht nur in den unteren Ligen sondern auch in den Profiligen, wie die Beispiele von Marc Zoro von FC Mes­sina oder Samuel Eto’o von FC Barcelona zeigen. Beiden wurden die „Affenlaute“ zuviel, sodass sie das Spielfeld unter Pro­test verlassen wollten. Beide konnten von ihren Mit- und Gegenspielern zum Weiterspielen mit dem Argument überredet werden, dass dies einem Sieg der RassistInnen gleichkäme.

Doch am Ende der Konferenz scho­ckierte der Präsident des spanischen Fußballverbandes die TeilnehmerInnen. Angel Maria Villar Llona spielte das Problem des Rassismus im Fußball herunter, indem er erklärte, dass man dem Thema nicht über­mäßig Bedeutung schenken und aus einer Mücke keinen Elefanten machen solle. Die Schuld an rassistischen Übergriffen lässt sich nicht nur auf die Fans schieben, wenn solche Worte bei einer Antirassismuskon­ferenz vom höchsten Repräsentanten des spanischen Fußballs gesprochen werden.

Der Weltfußballverband FIFA will das Problem des Rassismus mit verschärf­ten Regulativen in den Griff bekommen. So sollen Nationalteams oder Vereine, bei de­ren Spielen es zu rassistischen Übergriffen kommt, nicht nur mit Geldbußen bestraft werden. Dies passierte auch in der Vergan­genheit, allerdings waren die Geldstrafen meistens sehr niedrig. Teuer wurde es für die Vereine im Wiederholungsfall, v.a. im UEFA Cup und in der UEFA Champi­ons League. Die UEFA fördert mit den Einnahmen aus den Strafen u.a. FARE im Rahmen einer Corporate Social Responsibility Partnerschaft. Die FIFA hingegen setzt auf strengere Maßnahmen und hat allen nationalen Verbänden auferlegt, die neuen Regulative bis 1. Juli 2006 zu imple­mentieren. Damit werden Spielunterbre­chungen und -abbrüche, Punkteabzüge bis zu sechs Punkten, Zwangsabstieg oder der Ausschluss aus Wettbewerben mög­lich. FIFA Präsident Joseph Blatter ist jedoch mittlerweile von seinem ursprüng­lichen Plan abgekommen, diese Maßnah­men bereits bei der WM umzusetzen.

FARE steht den neuen Regeln einer­seits positiv gegenüber, weil die FIFA damit endlich ein Zeichen gesetzt hat. Al­lerdings fordert FARE andererseits, ver­stärktes Augenmerk auf die Förderung und Umsetzung von Antirassismus-, Trai­nings- und Bildungsprogrammen bei Fuß­ballvereinen zu legen. Bei der Fußballwelt­meisterschaft in Deutschland wird FARE ebenfalls aktiv sein. In der Nachbarschaft der Fanbotschaften werden Streetkick-Anlagen aufgestellt, antirassistische Fan­zines verteilt und Beobachtungen bei den WM-Spielen durchgeführt. Ein weiteres Element ist auch das Coaching der Aus­bilderInnen der Stewards in den Stadien, damit Transparente mit rassistischer oder rechtsextremer Symbolik erkannt und entfernt werden. Rassistische Vorfälle und Sprechchöre können dann auch bei einer Hotline gemeldet werden.

FARE wird von der österreichischen Antirassismuskampagne „FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel“ am Wiener Institut für Entwicklungsfragen und Zusammenarbeit koordiniert. FairPlay führt seit 1997 An­tirassismusprojekte im österreichischen Fußball mit Profi- und Amateurvereinen durch. Seit zwei Jahren gibt es eine Zusammenarbeit mit der Österreichischen Bundesliga während der alljährlichen FARE Aktionswoche im Oktober. Heuer wurde eine Vereinbarung mit dem Österreichischen Fußballbund (ÖFB) getrof­fen, die Antirassismusprojekte und den Aufbau einer Fanbetreuung bis zur und während der Europameisterschaft 2008 vorsieht. Dass eine solche Arbeit auch in Österreich nach wie vor nötig ist, zeigen neben antisemitischen Vorfällen bei den Wiener Derbies zwischen Rapid und Austria Wien, Pöbeleien von Nazi-Skins unter den Augen von Ordnern und Polizei im Linzer Stadion auch fremdenfeindliche und rechtsextremistische Vorfälle im Amateurfußball, wie sie in jüngster Zeit von FairPlay dokumentiert wurden. [1]

[1Nachzulesen auf http://www.fairplay.or.at

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