radiX, Flugblätter
März
2000

Nur damit Sie es nicht „nicht gewußt“ haben ...

Die Proteste gegen die FPÖVP-Regierung werden zunehmend kriminalisiert und sollen auch mit staatlicher Repression zum Schweigen gebracht werden. Zudem wird mit medialen Lügen gegen bestimmte Gruppen von DemonstrantInnen vorgegangen. Die ersten Übungen des neuen Regimes im Umgang mit politischer Opposition?

Am 19. Februar demonstierten rund 250.000 Menschen gegen die österreichische Regierung. Dabei kam es zu unzähligen brutalen Übergriffen der Polizei. Ein paar hundert autonome AntifaschistInnen aus verschiedenene europäischen Ländern reisten zu dieser auch von SOS-Mitmensch zur „internationalen Demonstration“ erklärten Demo an, um ihre Solidarität mit den Protesten in Österreich zum Ausdruck zu bringen. Doch von Anfang an wurden diese internationalen DemoteilnehmerInnen einer massiver Repression ausgesetzt. Vielen wurde die Einreise verweigert, die meisten wurden bei Vorkontrollen durchsucht, anderen wurden sogar Fahnenstangen und Filzstifte abgenommen. Diejenigen, die im EKH übernachteten, wurden gegen Mittag von einer Spezialeinheit der Wiener Polizei kontrolliert, durchsucht und teilweise sogar fotografiert. Illegalerweise verweigerte die Polizei die Angabe der Begründung.

In Frankreich und Deutschland wurden einige hundert Leute bereits an den Bahnhöfen mit roher Polizeigewalt abgefangen, verprügelt, verhaftet. Kommen duften dann nur SozialdemokratInnen, KommunistInnen und andere Personen aus dem reformistischen und bürgerlichen Spektrum. Es wurde also bereits im Vorfeld die willkürliche Trennung in „gewaltfreie“ DemonstrantInnen und „gewalttätige Chaoten“ konstruiert und das Grundrecht für ALLE zu demonstrieren, unterbunden.

Der Falter-Hero der Woche (Falter Nr.6 / 2000) Generalispektor Franz Schnabl machte seinem neuen Titel gleich alle Ehre, als seine Cops bereits im Vorfeld der Demo 4 Mitglieder der PDS Baden-Württemberg in einen Innenhof zerrten, schwer mißhandelten, ihre Handys samt SIM-Karten zerstörten, ihnen Schuhe und Socken abnahmen und sie unter massiven Drohungen, auf keinen Fall auf der Demo zu erscheinen und sofort zurück nach Deutschland zu fahren, verprügelten. (www.austria2.org/titus.htlm)

Nicht genug damit. Er ist verantwortlich für die Aktion am Westbahnhof, wo die Polizei einen unmittelbaren und völlig unprovozierten Angriff auf einen Teil der DemontrantInnen sowie umstehende Personen startete und dabei unzählige Personen verletzte. Die Einsatzleitung begründete den Angriff vermummter Einheiten mit dem Hinweis, Autonome hätten sich der Demo anschließen wollen. Daß es in Österreich wohl nicht mehr für alle erlaubt ist, sich in einer Demonstration frei zu bewegen, bestätigte der Hero der Woche dann ungewollt in einer Nachrichtensendung, wo er meinte, daß eine „gefährliche Situation“ entstanden wäre, da „Autonome sich mit normalen Demonstranten vermischen wollten“. In Österreich werden jetzt also Leute zunächst auf grund äußerer Merkmale beurteilt und diensteifrig „isoliert“. Gruppen wie SOS-Mitmensch und Demokratische Offensive, die die Großdemo mitorganisierten, beteiligen sich übereifrig an dieser Ausgrenzungspolitik. Sie hatten bereits im Vorfeld erklärt, daß sie mit der Polizei zusammenarbeiten würden, um „gewaltbereite Gruppen“ zu „isolieren“. Frau/Mann einigte sich auf eine passenderweise minoritäre Menschenmenge, die als kleinster gemeinsamer Nenner das verkörpert, was die „guten Kräfte“ auf allen Seiten ablehnen. Auch die Treibjagd und Prügelexzesse, die die Polizei dann am späteren Abend noch veranstaltete, waren offensichtlich darauf ausgerichtet, die Situation eskalieren zu lassen, um eine Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstandes jenseits der bürgerlichen Parteien zu betreiben. Es geht der Polizei dabei nicht um das Eier oder Steinewerfen oder um die SprayerInnen, sondern um die Bespitzelung und Sabotage des ganz und gar nicht kriminellen politischen Widerstands, der für das System viel gefährlicher ist.

Wie weit die Zensur bereits geht, ist erschreckend. So erhielt der ORF-Sender FM4 eine offizielle Weisung der Sendeleitung, nicht mehr live über die Demonstrationen zu berichten, was wohl in Zusammenarbeit mit der Exekutive entstanden sein dürfte. Weitere Beispiele sind die Entlassung des OÖN-Redakteurs Marschall, die Sperrung des e-mail-accounts des Koordinators einer Widerstandshomepage ohne Angabe von Gründen, die mailbombings, die Sachverhaltsdarstellung der Sprachwissnschaftlerin Ruth Wodak über ihr Interview in „Kunststücke“, in dem sie u.a. Haider- und Partik-Pable-Reden ananlysieren wollte und vom ORF in einer Art und Weise zensiert wurde, die ihr noch nie widerfahren sei, und weitere unzählige Beispiele.

Zum bisherigen Höhepunkt der Repression kam es jedoch — von den österreichischen Medien weitgehend unbemerkt — auf der Demonstration vom 2.3., bei der nach dem Ende der Demonstration zwei DemonstrantInnen von vermummten Polizisten mit vorgehaltener Waffe aus einem Taxi gezerrt und verhaftet wurden. Eine weitere Frau wurde auf dem Heimweg vor Zeugen von Polizisten verprügelt und ebenfalls festgenommen. Alle drei befinden sich in U-Haft. Die ersten Tage wurde ihnen mit dem Hinweis auf „Verdunkelungsgefahr“ sogar ihr Recht auf ein Telephongespräch verweigert. Bislang war sogar unklar was den Verhafteten von der Staatsgewalt überhaupt vorgeworfen wird. Der wirkliche Grund für die Verhaftung dürfte wohl sein, daß die Verhafteten von der Polizei der radikalen Linken zugerechnet werden, genau jener Linken über die bereits vorbereitend ständig Lügen in den bürgerlichen Medien verbreitet wurden.

Umso wichtiger ist es nun, daß die Rechnung des neuen Regimes nicht aufgeht, daß diese Repressionswelle nicht zu einer Entsolidarisierung und Einschüchterung führt, sondern zu mehr Solidarität und Widerstand ... auch von jenen, die bisher nicht auf die Straße gegangen sind!

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