Streifzüge, Jahrgang 2020
Juni
2020

Setting und Seuche (III)

Vorausschicken möchte ich, dass ich meinen Text „Setting und Seuche“ in den Ausführungen von Norbert Trenkle nicht wiedererkenne.

1. Mein Text ist ein journalistischer Beitrag. Tatsächlich geht es darum, zu zeigen welche herrschenden Muster wie greifen, nicht welch obskure Wegelagerer durch die Gegend ziehen. Es geht um keine umfassende Einschätzung von Virus und Lockdown (zu einer solchen sehe ich mich gar nicht in der Lage), sondern um die Ausarbeitung bestimmter Akzente, die mir wichtig sind. Der Artikel handelt von der ideologische Verarbeitung der Krise durch das politische und mediale System (Religion, Mythos, Helden), es geht um die kulturindustriellen Dimensionierungen.

2. Ich schreibe also vorsätzlich über etwas nicht, was Trenkle mir als Defizit ankreidet. Was ich alles gemeint haben könnte, bewegt sich freilich auf der Ebene von Mutmaßungen, Marke ich „lege nahe“, „erwähne mit keiner Silbe“ bediene „Dauerbrenner“, oder „Das sagt er zwar so nicht und behauptet auch nicht, das…“ ?!? Schlampiges Zitieren finde ich auch nicht lustig. So schreibe ich etwa nicht von „primitiven ökonomischen Gründen“ sondern von „meist primitiven ökonomischen Gründen“. Ich konstruiere also keine Ausschließlichkeit. Trenkle dichtet mir aber ein „nur“ an, wo ein „meist“ steht.

3. Die Summe der Maßnahmen in Zusammenhang mit COVID-19 erlauben den Begriff „Corona-Experiment“. Auch wenn es vom System selbst gestiftet ist, dessen objektiven Gesetzen folgt und nicht ein Machwerk dubioser Elemente darstellt. Aber ein Experiment ist es trotzdem, auch wenn es keinem Masterplan entspricht und viel eher kurzfristige Entscheidungen dominieren. Diesbezüglich argumentiere ich auch, dass hier die Taktik vorherrscht, aber kaum Strategie zu finden ist. Die „Folgsamkeit der Bevölkerungen“ wird dezidiert überprüft und die Regierungen bemühen sich auch hier ganz unredlich Regie zu führen.

4. Es mag noch so viel über COVID 19 geredet werden, eigentlich wissen wir wenig, wir wissen auch nicht, ob die Infizierten nun immun sind und für wie lange, wir wissen nicht, wie viele asymptomatische Fälle es gibt und was diese bedeuten. Todesraten? Übersterblichkeit? Da agiert auch viel Zahlenmagie, ein Glasperlenspiel der besonderen Art. Was wir aber wissen ist, dass dort, wo obligate medizinische Dienste runtergefahren werden, es immer schwieriger wird, adäquate medizinischen Leistungen zu lukrieren und gesundheitliche Bedürfnisse zu decken. Das erlebte ich gerade bei meinem vor ein paar Tagen verstorbenen 86jährigen Vater. Und wenn in deutschen Fleischfabriken und österreichischen Postverteilerzentren die Infektionszahlen wieder steigen, dann nicht weil das Virus so gefährlich ist, sondern weil die Arbeits- und Lebensbedingungen dieser Arbeitskräfte verheerend sind.

5. Meine Position ist ambivalent. Das Virus scheint mir, der ich durchaus Verständnis für den ersten Lockdown hatte, trotzdem maßlos übertrieben. In den nächsten Streifzügen werden dazu Beiträge erscheinen (nicht von mir), die eine relativ weite Spanne der Zugänge offenbaren.

6. Tatsächlich halte ich aber ein Fokussieren auf Verschwörungstheorien und Querfronten, denen man alles Missliebige flugs zuordnet, als verkehrt und als einen Weg in eine Sackgasse. Nicht, dass es derlei nicht gibt, will ich behaupten, wohl aber, dass es fahrlässig übertrieben wird, um diverse Einwände und Kritiken in den Geruch der Verschwörungstheorie und der Querfront zu bugsieren. Der Aufwind, den man den Obskuranten zuschreibt, ist vor allem eine mediale Finte, insbesondere um das System, die gesellschaftliche Struktur der liberalen Demokratie und ihrer Werte, an sich zu immunisieren und zu rekonsolidieren. Je mehr man sich auf den „abweichenden“ Schwachsinn konzentriert, desto unreflektierter ist und unbegriffener bleibt der herrschende Wahnsinn. Und primär geht es nach wie vor um und gegen den! – Oder?

7. Rechten und Populisten schaden solche Vorwürfe Null, der Linken generell wie speziell sehr wohl. Nutzen tut es der gesellschaftlichen Hegemonie des Kapitals. Deswegen werden solche News auch oft gestreut und derartig aufgeblasen. Diese sind jenseits der behaupteten Relevanz, aber sie erfüllten ihren Zweck, der nicht Information zeitigt sondern der Formatierung des Publikums dient. Hurtig ist man in der Dunkelkammer. Schneller als eins denkt ist eins zugeordnet. Indes wäre es notwendig, hier zu scheiden, fein zu scheiden, nicht in grobschlächtiger Manier Bekenntnisse abzuspulen. Abweichende Obskuranz ist ein Aspekt des herrschenden Wahnsinns, Ausdruck seiner Übertreibung, nützlich zur Stärkung des ideologischen Staatsapparate und des medialen Abwehrsystems.

8. Ich halte den kapitalistische-demokratischen Mainstream für gefährlicher als jede Querfront, also Kurz (samt Grüne, SPÖ und Liberale) für brisanter als die FPÖ oder gar einige versprengte Linke, die auf Seuchendemos in schlechte Gesellschaft geraten. Es ist vielmehr herrschende Methode, von herrschender Praxis abzulenken, indem immer wieder Aufmerksamkeiten zweckentsprechend umgeleitet werden. Das ist der uralte Einschnappdiskurs, für den ich nicht zu haben bin. Noch dazu fungiert er als Neuauflage der Totalitarismusformel. Die Hufeisentheorie nimmt an Fahrt auf und ramponiert jedwede Opposition. Heißa, da juchzen Liberalismus und Mitte. Ich finde das ausgesprochen unlustig und weiß nicht, warum man hier als Trittbrettfahrer mitreisen soll.

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